Das goldene Kinderbuch

(Verschiedene)

1971

Inhaltsverzeichnis

I  Till Eulenspiegel

Eine Taufe mit Hindernissen

Der kleine Tüftler

Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten

Des Guten zuviel

Eine Bosheit für eine andere

Till Eulenspiegel will hoch hinaus

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Till Eulenspiegel verdient sich den Galgen

Er verlangt Nachsicht

Beim Wort genommen

Das Glück auf der Landstrasse

Guter Rat kommt nie zu spät

Till Eulenspiegel versucht es mit der Bäckerei

Windbeutel in Ülzen

Schlechte Geschäfte dürfen die Laune nicht verderben

Er kann es dem Schuster nie recht machen

Die Narrenküche

Ein unverschämter Einfall

Übel angebrachte Frömmigkeit

Allzu feine Arbeit

Die Kunst wird nicht belohnt

Vergebliche Mühe

Die drei Schneider

Das große Geheimnis

Der Schalk in der Schmiede

Der Schmied will ihn zähmen

Betrogene Betrüger

Kein Glück bei der Tuchmacherei

Der Faulpelz in den Pelzen

Nirgends ist Dank zu verdienen

Die Wahrheit wird nicht überall gern gehört

Seltsame Wäsche

Falscher Hase

Großes Mißverständnis in Dresden

Er zeigt seine Fertigkeit im Lederbereiten

Lustige Streiche in Hamburg

An ihm ist Hopfen und Malz verloren

Er kann nicht nur für einen Bauern, sondern auch für einen Junker kochen

Eine tolle Fahrt

Eulenspiegel ist in einer unglücklichen Stunde geboren

Gefährliche Bauspekulation

Die Beamten in der alten, guten Zeit

Eulenspiegel gibt sich als Brillenmacher aus

Schlechte Aussichten

Der Höhepunkt der Kochkunst

Ein Narr findet mehr Glauben als ein Weiser

Till Eulenspiegel auf dem Hungerturm

In seinen vier Pfählen bleibt jeder unangefochten

Das Geschenk des Königs

Stiefel muss sterben

Eulenspiegel als Landbesitzer

Die größte Zunft

Der Doktor der Büberei

Eulenspiegel findet gefallen an der Heilkunst

Boshafte Neckerei

Der ungläubige Wirt

Er macht hohen Herrschaften etwas weis

Ein hartes Lager

Schall und Rauch

Lebensweisheit und Bücherkram

Eulenspiegels Lebensweisheit

Der Gipfel der Unverschämtheit

Eine andere Zechprellerei

Ein Narr kann mehr fragen, als sieben Weise beantworten können

Ein gelehriger Schüler

Billiges Fleisch in Erfurt

Nicht jeder wird durch Schaden klug

Ein böses Pfänderspiel

Der geprellte Weinzäpfer

Der Fuchs im Eisen

Der lustige Pfeifenmacher

Wahrheit im Überfluss

Seltsamer Milchhandel in Bremen

Die zwölf Blinden

Böse Saat bringt keine guten Früchte

Bestrafte Ruhmredigkeit

Man muß eine Sache nicht verkehrt anfassen

Der Buchstabe tötet

Doppelt gibt, wer bald gibt

Er kann nicht genug Prügel bekommen

Die schwarze Kunst

Der Appetit kommt nicht immer mit dem Essen

Farbenblindheit in altdeutscher Zeit

Ein Vater kann leichter sieben Kinder ernähren als sieben Kinder einen Vater

Eulenspiegel wird von einer Bäuerin betrogen

Wieder von einer Tasche

Wie Eulenspiegel ein Weißmus allein aufaß

Er räuchert eine Gesellschaft aus

Ungenügende Sühne

Die Galgenreue

Giftmischerei in Mölln

Die zornige Begine

Noch einmal von der schwarzen Kunst

Sein letzter Wille

Wie ein Narr begraben wird

II  Baron von Münchhausen

Reise nach Rußland

Jagdgeschichten

Von Hunden und Pferden

Im Feldzug gegen die Türken

In Gefangenschaft bei den Türken

Erstes Seeabenteuer

Zweites Seeabenteuer

Drittes Seeabenteuer

Viertes Seeabenteuer

Fünftes Seeabenteuer

Sechstes Seeabenteuer

Siebentes Seeabenteuer

Die Reise nach Gibraltar

Achtes Seeabenteuer

Neuntes Seeabenteuer

Zehntes Seeabenteuer

Reise durch die Welt

III  Rübezahl

Der Berggeist lernt Menschen kennen!

Wie Rübezahl zu seinem Namen kam

Rübezahl und die Springwurzel

Wie Rübezahl die Redlichkeit belohnt

Die Wunderdose

Rübezahl und Doktor Pullig

Der Gasthof zum Riesen

Rübezahl als Holzhacker in Aupa

Rübezahl und der Glashändler

Ein böser Tausch

Der Zauberring

Die Höllenfahrt des ungetreuen Schneiders

Zügle künftig deine Zunge!

Wunderlicher Kornhandel

Das fliegende Haus

Der Pillendoktor

Der arme Heinrich

Ein schlechtes Geschäft

Der Wegweiser

Das Glück durch Scherben

Die einträchtigen Brüder

Oberst von Riesenstein

Eindringliche Lehre

Der grosse Holzknecht

Bergmanns Heil

Der Feuerreiter

Teil I

Till Eulenspiegel

1

Lenkt einmal ein Wanderer seine Schritte nach dem von lichten Buchenwäldern und lieblichen Seen umgebenen Städtchen Mölln südlich Lübeck, so wird er auf dem alten Friedhof einen Grabstein finden, der eine gar merkwürdige Inschrift trägt. Sie sagt nämlich:

Disen stein soll nieman erhaben

Hie stat Ulenspiegel begraben

Anno domini MCCCL iahr

Es muß wohl ein seltsamer Kauz gewesen Sein, der da seit 1350 in seinem Grabe steht und nicht wie andere Christenmenschen liegend des Jüngsten Tages harrt.

Und so verhält es sich auch! Ein wunderlicher Gesell war dieser Till Eulenspiegel. Kreuz und quer führte ihn ein unstetes Wanderleben durch die deutschen Lande. Immer war er bereit, seine Mitmenschen durch launige Streiche und lustigen Schabernack zu foppen und manchmal auch — zu ärgern.

Viele Streiche werden von ihm erzählt, manchmal auch schlechte, die aber nur böser Wille gerade ihm ankreidet. Von diesen zu erzählen lohnt beim besten Willen nicht. Seine neckischen Schwänke und übermütigen Foppereien verdienen aber wohl, daß man sie immer wieder einmal liest. Läuft einem hin und wieder etwas Widriges über den Weg, so tut es gar gut, wenn einem ein herzhaftes Lachen die gute Laune zurückbringt. Zudem steckt in Till Eulenspiegels Narrheiten oft ein gutes Körnlein Lebensweisheit, die man sich ruhig hinter die Ohren schreiben kann.

Wenn nun gar einer daran zweifeln wollte, daß Till Eulenspiegel wirklich gelebt habe — ist der Grabstein zu Mölln etwa nicht der beste Beweis für Eulenspiegels Erdendasein?

Wie Till Eulenspiegel so manches anders machte als seine Mitmenschen, so ist es nicht verwunderlich, daß man, will man von seinem Leben berichten, mit diesem Grabstein beginnen muß, indes man sonst den Lebensweg berühmter Männer von der Wiege an zu begleiten pflegt.

Für die Zweifelsüchtigen gibt es aber noch andere Beweise, daß Till Eulenspiegel wirklich gelebt haben muß! Greift man zu Mölln nur kräftig in den Beutel, so zeigen sie einem dort einen alten, verrosteten Degen und ein Stück bandartiges Eisen, das gleich einer Brille zurechtgebogen ist. Beides soll wahr und wahrhaftig dern Lieblingsmarren des deutschen Volkes gehört haben! — Wer will da noch zweifeln, daß Till Eulenspiegel wirklich gelebt hat — — —

Er lebt unter uns fort als das Urbild des fahrenden Gesellen seiner Zeit, und um seine Gestalt ranken sich so viele Geschichten, die ein einzelner nie hätte erleben können.

Eine Taufe mit Hindernissen

Klaus Eulenspiegel, einem biederen Einwohner zu Kneitlingen im Braunschweigischen, war ein Söhnchen geboren worden. Da er nun große Stücke auf den Burgherrn Till von Ützen zu Ambleben hielt, bat er diesen, den kleinen Erdenbürger aus der Taufe zu heben. So kam es, daß das Knäblein den Namen Till erhielt.

Nachdem alle Taufgäste in der Herberge wacker jenem Bier zugesprochen hatten, das man dortzulande Mumme nennt, zog die ausgelassene Gesellschaft mit Holdrio und Juchhei von Ambleben heimwärts nach Kneitlingen.

Als sie nun einen schlüpfrigen Steg überqueren mußten, unter dem ein schmutziges Gewässer träge dahinfloß, geschah es, daß die Kindsfrau schwankte — sie hatte gar fleißig auf des Kindleins Wohl getrunken — und mit dem Täufling ins Wasser fiel. Es fehlte mehr viel, so wäre der kleine Till gleich auf seinem ersten Lebensweg jämmerlich im Schlamm erstickt.

Mit großem Hallo und Gelächter zog man die beiden aus dem Morast heraus und begab sich eilends nach Kneitlingen. Dort wurde Till, der schwarz wie ein Mohr aussah, mit warmem Wasser fein säuberlich gewaschen.

Seine Mutter, eine geborene Anna Wiebecke, behauptete nun, ihr Till sei dreimal getauft worden: zuerst in der Kirche zu Ambleben, zum anderen Male im Morast und schließlich daheim im Waschzuber.

Der kleine Tüftler

Ein Ellenreiter — so nannte man in jenen Zeiten reisende Kaufleute — kam eines Tages mit seinem Pferd, den Mantelsack hinter sich am Sattel festgebunden, durch Kneitlingen und forschte nach dem Weg, der nach Schöppenstedt führt.

Da es gerade Erntezeit war, arbeiteten alle Leute auf den Feldern, und er konnte keinen Menschen auf der Straße erblicken. Schließlich hielt er vor dem Haus Klaus Eulenspiegels, bog seinen Oberkörper in die halboffene Tür und rief: »Ist denn niemand hier?«

»Anderthalb Mann und ein Pferdekopf!« antwortete eine feine Stimme. Es war der dreijährige kleine Till, der sich allein im Haus die Zeit vertrieb, so gut er konnte.

»Wie soll ich das verstehen?« fragte der Fremde.

»Das ist ganz einfach«, erwiderte das Kind, »ich bin ganz hier, von dir ist aber nur die Hälfte im Haus und von deinem Gaul eben nur der Kopf!«

Dem Kaufmann gefiel diese Antwort, da er aber nicht glaubte, daß ihm der Kleine den Weg nach Schöppenstedt weisen könne, fragte er weiter nach Vater und Mutter des Bübleins.

»Mein Vater macht das Schlimme noch schlimmer; meine Mutter aber holt sich Schaden oder Schande«, meinte Till.

»Daraus soll einer klug werden! Wie meinst du das, du kleiner Tüftler?« fragte der Ellenreiter.

»Mein Vater zieht Gräben auf dem Acker. Erst war es schon schlimm genug für die Wagen, da zu fahren. Jetzt wird es aber so schlimm werden, daß keiner mehr fahren kann. Meine Mutter ist ins Dorf zum Bäcker gegangen. Dem will sie das Brot bezahlen, das wir verzehrt haben. Gibt sie nun weniger, als es wert war, so ist es ein Schaden für den Bäcker und eine Schande für sie. Gibt sie aber mehr, so ist es ihr Schaden und eine Schande für den Bäcker.«

»Das läßt sich hören!« sagte der Kaufmann. »Ich merke wohl, du willst ein Rechtsverdreher werden. Weißt du kluger kleiner Mann nun aber auch den Weg nach Schöppenstedt?«

»Da mußt du dahin reiten, wo die Gänse gehen«, gab ihm der Kleine Bescheid. Der Reiter dankte Till und ritt den Gänsen nach. Diese flogen aber erschreckt auf und flüchteten ins Wasser. Der Kaufmann kehrte zurück und rief dem Knaben zu:

»Du hast mir einen schönen Weg gewiesen! Die Gänse sind ins Wasser geflogen!«

»Ich habe dir ja auch nicht gesagt, daß du dahin reiten sollst, wohin die Gänse fliegen! Du sollst reiten, wohin sie gehen!«

Da lachte der Kaufmann und dachte: Aus dem wird etwas Rechtes oder ein Schalk!

Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten

Till Eulenspiegel machte sich schon in früher Kindheit gar oft über ehrbare Leute lustig. Er drehte ihnen lange Nasen, streckte ihnen die Zunge heraus und schnitt Grimassen. Da riefen die Leute entsetzt einmal über das andere: »Seht nur, was für ein boshaftes Kind! Pfui über dich Schalk, der du bist!«

Die Mutter hielt den kleinen Till auch für einen Schelm, aber der gutmütige Vater sagte: »Ich weiß nicht, was das Volk will. Der Junge spricht kein Wort und sitzt ganz still, wenn die Leute vorbeikommen, und dennoch sagen sie von ihm, er sei ein Schalk. Es ist am besten, wir ziehen in das Magdeburgische an die Saale, damit die Lästereien ein Ende nehmen.«

Das war ihm Ernst, aber ehe sie den Umzug ins Werk setzten, wurden die Eltern vom Herrn Paten in Ambleben zum Kirchweihschmaus eingeladen. Dort ging es hoch her, es gab Braten und Würste in Menge, auch ein großes Faß Bier ward angeschlagen. Und von diesem Bier naschte Till heimlich so viel, daß er schwindlig und müde wurde. Da suchte er sich im Garten ein trockenes und ruhiges Plätzchen zum Schlafen, fand auch bald einen großen, leeren Bienenkorb und kroch hinein, um sich auszuruhen. Inzwischen war es stockfinster geworden, aber das Fest war noch nicht zu Ende; auf der Tenne wurde bei Lichterschein munter getanzt und gezecht, und der Lärm wuchs mit jeder Stunde.

Da merkte natürlich keiner, daß sich ein Paar Bösewichte in das Gehöft einschlichen und sich am Bienenhause zu schaffen machten. Sie wollten einen Bienenkorb stehlen, tasteten umher und suchten den schwersten, denn mehr als einer hatte auf der kurzen Tragbahre, die sie mit sich führten, nicht Platz. Nun erwischten sie den, in welchem Till Eulenspiegel schlief, luden ihn im guten Glauben auf und trollten sich damit. Den Weg kannten sie im Finstern.

Inzwischen war Till Eulenspiegel aufgewacht, roch den Braten und besann sich, wie er den beiden einen Possen spielen könnte. Der Korb hatte einen Deckel, den hob er auf und zupfte den vorderen Träger derb an den Haaren. Schwupp! war er wieder unter dem Deckel verschwunden. Der Gefoppte verstand keinen Spaß, glaubte, sein Hintermann habe ihn necken wollen, und fing heftig an zu schelten.

»Was fällt dir ein, solch ein Kinderspiel mit mir zu treiben? Ich muß die Hauptlast tragen, jeden Schritt mühsam suchen und abwägen, und du zupfst mich derart grob an den Haaren, daß mir der ganze Kopf weh tut!«

Der andere blieb ihm die Antwort nicht schuldig. »Du bist von jeher ein großer Narr gewesen«, sagte er, »ich verstehe dein Geschwätz nicht. Lauf, daß wir heimkommen!«

Nach einigem Hin- und Herreden beruhigten sich die Schelme. Da schlüpfte Till Eulenspiegel wieder unter dem Deckel hervor und zupfte nun den Hintermann so derb an den Haaren, daß der Dieb mit dem Kopf an den Korb stieß. Der wurde wütend und rief seinem Gefährten zu: »Was für ein Unverstand! Ich schleppe an dem schweren Korb, und du Narr ziehst mich mit aller Kraft am Schopf! Ich will dir deine Schelmereien eintränken!«

»Ei, wie du lügst!« erwiderte der Vordermann. »Ich habe keine Hand frei und soll dich an den Haaren gezogen haben! Du bist es, der an den Haaren reißt, und willst durch solches Geschwätz nur deine Büberei verdecken.«

So haderten die beiden miteinander. Till Eulenspiegel aber belustigte dieses Hin und Her gar sehr. Das kann gut werden, dachte er. Nach einiger Zeit schlüpfte er wieder heraus und zerrte den Vordermann — denn der war jetzt an der Reihe — so heftig an seiner Mähne, daß der Mann sich vor Schmerzen bog.

»Nun wird’s mir aber zu bunt!« schrie der Gefoppte, ließ Bahre und Bienenstock fallen und fiel über seinen Kameraden her. »Du sollst mir deine Schalkheit büßen!« rief er zornig.

Der Hintermann ließ nun die Bahre gleichfalls los und schlug auf den Angreifer ein. Zu Tills größter Freude prügelten sich die Diebe gegenseitig tüchtig durch, purzelten übereinander und verloren sich schließlich in der Dunkelheit. Als Till merkte, daß sie fort waren, schlief er in seinem Korb wieder ein, und als es Tag wurde, lief er heim nach Kneitlingen.

Des Guten zuviel

Die Familie Eulenspiegel zog bald danach ins Magdeburgische in einen Flecken, der nicht weit von Staßfurt an der Bode lag. Dort starb Klaus Eulenspiegel, und seine Witwe schlug sich durch, so gut sie konnte, und litt manchmal bittere Not. Das kümmerte aber ihren Sohn Till sehr wenig. Der war allezeit lustig, trieb sich herum und hatte allerlei Possen im Sinn.

Nun war es in dem Dorf Sitte, die armen Leute mit Metzelsuppe zu beschenken, wenn im Haus geschlachtet wurde. Mildtätige Frauen legten dann wohl noch ein Würstlein oder ein wenig Wellfleisch in den Topf, den die Armen zum Füllen brachten, und gaben auch reichlich Brot dazu.

In dem Dorf war aber ein geiziger Meier, der diese milde Gabe gern sparen und den Bettelleuten den Bittweg zu seinem Gehöft verleiden wollte. So rief er eines Tages Till Eulenspiegel, den Gassenbuben, mit gut gespielter Freundlichkeit heran und lud ihn ein, in seinem Haus eine schöne Metzelsuppe zu kosten.

Till, der immer gern dabei war, wo es etwas Gutes zu schnabulieren gab, folgte selbstverständlich der Einladung. Da stellte der filzige Meier eine große Schüssel auf den Tisch, in die er schimmelige Brotrinden eingebrockt hatte. Das sah nicht sehr begehrenswert aus. Indes, Till Eulenspiegel kostete davon und wollte dann gehen. Aber da kam er schön an, denn der Geizkragen hatte die Tür zugeschlossen.

»Habe ich dich deshalb hereingerufen, daß du meine schöne Suppe verachten sollst?« fuhr er ihn an. »Ich sage dir, du kommst mir nicht früher auf die Gasse, als bis du die ganze Schüssel geleert hast.«

Ob nun Till wollte oder nicht, er mußte die ganze Schüssel ausessen, denn sooft er absetzte und sich ausruhen wollte, griff der Wirt nach einem Stecken und gerbte ihn durch. Till würgte also die ganze Schüssel voll hinunter und wurde danach krank.

Der boshafte Meier aber dachte: Der kommt mir nicht wieder und wird mir auch das andere Bettelvolk vom Leibe halten.

Eine Bosheit für eine andere

Einige Zeit darauf begegnete Till dem geizigen Meier. Der redete ihn ganz freundlich an: »Wie ist es, lieber Till Eulenspiegel, hast du nicht Lust, bei mir eine leckere Metzelsuppe zu essen?«

»Ich komme vielleicht früher, als dir lieb ist«, sagte Till.

»Sei nicht dumm, mein Bester, für dich habe ich immer eine fette Suppe übrig, und an der Zuspeise soll’s auch nicht fehlen«, sprach höhnisch der Geizhals.

»Ich werde kommen«, antwortete Till, »dann sollen sich vier von deinen Hühnern um einen Brocken streiten.«

»Mir scheint doch, daß dir die Lust vergangen ist«, meinte der Meier im Weggehen und lachte über seinen groben Witz.

Till Eulenspiegel aber wartete nur auf eine Gelegenheit, dem Bauern einen garstigen Streich zu spielen.

Als die Hühner des Meiers sich auf der Straße sehen ließen, lockte er sie mit Brocken an, die er ins Gras gelegt hatte. Die Hühner schluckten sie nach ihrer Weise hastig hinunter und merkten nicht, daß je vier der Bissen mit Fäden verbunden waren.

Da standen nun gegen hundert Hühner, immer vier zusammen, und schluckten und zerrten an den Brocken, ohne sie loswerden zu können. Der Meier mußte sie alle schlachten. Nun gab es auf einmal wohlfeile und gute Suppen im Dorf.

Till Eulenspiegel will hoch hinaus

Der Witwe Eulenspiegel war es gar nicht recht, daß ihr Sohn so wenig Lust zeigte, ein ehrbares Handwerk zu lernen. Er übte sich vielmehr in den freien Künsten und tat das heimlich auf dem Hausboden, damit die Mutter nichts davon merken sollte. Dort hatte er eine Leine gezogen und bildete sich als Seiltänzer aus. Aber die Mutter bekam Wind von der Sache, nahm einen Besenstiel und wollte ihm damit zu Leibe.

»Ha, du Lümmel«, rief sie erbost, »diese Narrenpossen will ich dir austreiben!«

Till Eulenspiegel war aber gescheiter als sie, lief behend das Seil entlang, schlüpfte durch das Bodenfenster und kletterte wie eine Katze auf den First des Daches, und dorthin konnte ihm die Mutter natürlich nicht folgen.

Schlimmer ging es ihm ein andermal. Da hatte er das Seil von der Bodenluke aus über die Bode — seiner Mutter Haus stand an diesem Fluß — nach dem gegenüberliegenden Gebäude gezogen. So konnte ihm niemand beikommen, und er durfte auf dem Seil nach Herzenslust tanzen. An beiden Ufern stand nun jung und alt und sah der Gaukelei mit größtem Vergnügen zu.

Seine Mutter bemerkte die johlende Menge und ahnte, daß ihr Till wieder einmal seine Possen trieb. Schnell lief sie auf den Boden, um ihm das Handwerk zu legen. Vergebens schalt sie und befahl ihm, herzukommen und die Narretei zu lassen. Als aber alles Schelten und Befehlen umsonst war, wurde sie sehr böse, nahm ein Messer und — ritz, ratz! schnitt sie das Seil entzwei, so daß der junge Gaukler für seine Kunst mit einem Bad im Fluß belohnt wurde.

Da er sehr geschickt war, half er sich wohl aus dem Wasser wieder heraus, denn Unkraut verdirbt nicht, wie das Sprichwort sagt. Auch ärgerte er sich nicht weiter über den Zorn der Mutter, aber das Gelächter und der Jubel der Buben des Dorfes verdrossen ihn sehr.

»Seht den da«, schrien die Schlingel, »an drei Taufen hat er noch immer nicht genug; was ein rechter Schalk ist, der muß freilich auch jeden Tag ein Bad nehmen! He da, erst wollte er’s den Vögeln gleichtun und in den Lüften schweben, und nun platscht er mit den Fröschen um die Wette.«

Das habe ich davon, dachte Till, daß ich euch Faulpelzen die Langeweile vertrieben habe; aber wartet, ich zahle euch euren Spott heim.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Till Eulenspiegel hatte wieder einmal das Seil von Haus zu Haus gezogen, und wieder hatte sich die Dorfjugend versammelt, um ihm zuzusehen, und auch die Alten standen hinter Hecken und Zäunen und gafften.

Eine Zeitlang tummelte sich Till auf seinem hohen Sitz, als aber die Schaulust den Höhepunkt erreichte, bat er sich von allen Buben den linken Schuh aus, um ein schönes Kunststück zu zeigen. So sagte er wenigstens. Die dummen Knaben ahnten nichts Schlimmes und reichten ihm arglos jeder seinen linken Schuh, so daß er bald hundert Schuhe beieinander hatte. Die reihte er auf eine Schnur und stieg wieder auf sein Seil. Das versprochene Kunststück blieb aber aus, und der Gaukler schien sich ebensowenig um die aufgehängten Fußbekleidungen wie um deren Eigentümer zu kümmern. Da wurde schließlich die liebe Jugend ungeduldig und verlangte die entliehenen Schuhe zurück. Till aber ließ sie zappeln.

Endlich, als es ihm lange genug dünkte, hieß er die Buben auf einem Platz zusammentreten, schnitt die Schnur durch, daran die Schuhe aufgereiht waren, und ließ sie so mit einem Male auf die Köpfe der Untenstehenden hinabfallen.

Jeder versuchte so schnell wie möglich seinen Schuh zu ergreifen. Einige langten zugleich nach einem Schuh. Jeder behauptete, er sei der seine. Sie gerieten einander in die Haare, zogen sich an den Ohren, Schlugen sich die Nasen blutig, schrien, weinten, tobten, schlugen Purzelbäume, kurz, es war ein ergötzliches Drunter und Drüber. Schließlich mischten sich auch noch die Alten ein, teilten Püffe und Maulschellen aus, warfen sich Grobheiten an den Kopf und verwünschten schließlich allesamt Till Eulenspiegel, den Urheber der Prügelei. Der aber hatte sich vom Seil weg in Sicherheit gebracht und wollte sich schier totlachen.

Till Eulenspiegel verdient sich den Galgen

Seit diesem Abenteuer saß Till lange Zeit ganz still und friedlich zu Hause und flickte Helmstedter Schuhe.

Darüber freute sich Mutter Anna sehr, denn sie glaubte, ihr Sohn sei andern Sinnes geworden, wolle der Gaukelei entsagen und ein fleißiger Arbeiter werden. Aber wie sehr täuschte sie sich! Till war durchaus nicht gewillt, ein ehrbarer Handwerker zu werden, er traute sich nur nicht aus dem Haus, denn er wußte wohl, daß ihm alt und jung wegen seines Streiches mit den Schuhen Rache geschworen hatte.

Nach einigen Wochen lüstete es ihn aber doch zu erfahren, ob die Luft rein wäre. Es warf ihn zwar keiner mit Steinen, auch gingen sie ihm nicht mit Knütteln zu Leibe, aber er konnte doch merken, daß ihm niemand grün war. Da beschloß er, einen anderen Streich auszudenken, damit die guten Leute die früheren vergessen sollten. Er trieb sich lange herum, um etwas auszuspähen, und seine Mutter wurde mit ihm täglich unzufriedener.

»Willst du wieder deine Schalkheit beginnen?« sagte sie. »Du solltest etwas Ehrbares treiben!«

»Wenn einer damit recht anfängt«, entgegnete er, »so hört er sein Leben lang nicht wieder auf!«

»Der Klaus, dein Vater, war ein anderer Mann«, sagte sie, »der brachte Brot ins Haus! Seit vier Wochen habe ich keinen Bissen Brot gegessen. Schaffe welches, wenn du ein guter Sohn und kein Schalk sein willst.«

Das ist viel verlangt, dachte Till und ging nach Staßfurt. Dort wohnte ein reicher, geiziger Bäcker, den wollte er prellen. Er ging also dreist in das Haus hinein und begehrte einen Sack voll Weißbrot für seinen Herrn, den Pastor, dessen Knecht er sei. Den Sack hatte er bei sich. Der Bäcker traute ihm aber nicht und verlangte Geld für die Ware. Der Pfarrer werde zahlen, log Till. Da füllte der Mann den Sack mit Weißbroten und rief dem Lehrbuben zu, er solle Eulenspiegel begleiten und für das Geld sorgen. Also gingen die beiden Burschen nach des Pfarrers Haus, und Eulenspiegel trug den Sack. Der Sack hatte aber ein Loch, und als sie um die nächste Ecke gebogen waren, ließ Till durch das Loch ein Brot fallen und tat so, als sei das Zufall gewesen. Der Lehrbub reichte es ihm wieder, aber der Schalk setzte den Sack nieder und sagte: »Das geht so nicht, das Brot ist schmutzig geworden, und schmutziges Brot darf ich meinem Herrn keinesfalls bringen. Lauf zurück und laß dir vom Meister ein anderes Brot geben, ich will hier auf dich warten.«

Der Lehrbursche ahnte nichts Schlimmes und lief davon. Als er aber keuchend vor Eifer wiederkam, war der Dieb verschwunden, und es half dem Meister gar nichts, daß er zu dem Pfarrer lief und von diesem, der ja an der frechen Betrügerei unschuldig war, Zahlung verlangte.

Till Eulenspiegel aber kam mit seinem Raub nach Hause, übergab ihn der Mutter und sagte: »Hier hast du Brot. Ich hatte große Mühe, es zu bekommen, aber du hast nun wohl keine Ursache mehr, mit vorzuwerfen, ich sei ein Schalk und ließe dich hungern!«

Die Mutter war zum erstenmal mit ihm zufrieden und forschte nicht weiter nach, wie er zu dem Reichtum gekommen war. Das taten aber die Richter und Polizisten um so mehr. Sie fanden auch bald die Spur des Spitzbuben, und er war nahe daran, eingesperrt zu werden. Till Eulenspiegel roch aber Lunte und machte sich aus dem Staube, um nie wieder in dieses Dorf zurückzukehren.

Er verlangt Nachsicht

Er lief, so weit ihn seine Beine trugen, und kam endlich todmüde in Buddenstedt im Braunschweigischen an.

In der Pfarre bat er um Unterkunft. Der Pfarrer war ein rechtschaffener Mann Und behielt Till Eulenspiegel auf seine Bitte als Knecht bei sich. Es war aber noch eine Magd da, die nur ein Auge hatte und schon jahrelang im Hause war.

»Du sollst so gut essen wie ich und die Magd«, sagte der Pfarrer zu Till, »kannst vom Besten deinen Teil mithaben, und was die Arbeit im Haus angeht, so kannst du dich mit der Magd darein teilen, brauchst also nur halbe Arbeit zu verrichten.«

Nach solch gütigem Bescheid nahm sich Till vor, ein anderes Leben anzufangen, seine Pflicht recht zu tun und alle Narreteien zu unterlassen. Aber sein guter Vorsatz hielt nicht lange an.

Eines Tages hatte die Magd zwei Hühner an den Bratspieß gesteckt, die sollte er wenden und recht beträufeln. Da bekam er großen Hunger, nahm eins von den Hühnern und aß es ohne Brot auf.

Da kam die Magd hinzu, sah, daß nur noch ein Huhn am Spieß steckte, und fragte, wo das andere Huhn geblieben sei.

»Ei, seht doch recht hin«, erwiderte er, »so werdet Ihr es schon sehen.«

»Ich sehe aber nur ein Huhn«, rief sie.

»Natürlich«, gab er zurück, »weil Ihr eben nur ein Auge auftut. Tut das andere auch auf, so werdet Ihres schon erblicken.«

Alles konnte die Magd leiden, nur nicht, daß einer auf ihre Einäugigkeit anspielte; sie wurde daher sehr zornig und verklagte den neuen Knecht bei dem Pfarrer.

Der Pfarrer kam und sagte: »Lieber Knecht, es steckten doch zwei Hühner am Spieß, wie die Magd sagt.«

»Eben darum habe ich ihr gesagt, sie möchte ihre beiden Augen nur recht auftun, damit sie beide Hühner sähe«, antwortete er.

Da lachte der Pfarrer und sagte: »Du hast von ihr zuviel verlangt, denn sie ist einäugig.«

»Das sagtet Ihr, nicht ich«, unterbrach ihn der Schalk, »ich würde mich wohl hüten, Eure Magd so zu beleidigen.«

»Du tust wohl daran, wenn du sie nicht beleidigst«, meinte der Pfarrer, »aber nun sag mir, wo ist das andere Huhn geblieben?«

»Das hängt am Spieß«, sagte Till.

Wieder lachte der gutmütige Mann und fragte: »Wo ist dann das eine Huhn geblieben, du Silbenstecher?«

»Das habe ich gegessen, Herr Pfarrer«, bekannte er. »Hört hiefür auch meine guten Gründe. Ihr sagtet mir doch, daß ich in Eurem Haus so gut essen solle wie Ihr und Eure Magd und daß ich vom Besten meinen Teil kriegen würde. Sollte ich nun Euch, meinen hochwürdigen und gnädigen Wohltäter, Lügen strafen? Und Ihr hättet Euer Wort sicher nicht gehalten, denn wenn Ihr und Eure Magd Euch über die beiden Hühner hergemacht hättet, dann wäre für mich armes Knechtlein nichts übriggeblieben.«

Wieder schmunzelte der Pfarrer und sagte: »Mir liegt nichts an einem Braten mehr oder weniger, mein guter Knecht, ich will dir also diese Sache nachsehen, aber hör in Zukunft auf meine Magd, wenn du gute Tage im Haus haben willst.«

»Ja, Herr, das will ich gern tun, Euch zuliebe«, sagte Till, und dabei plante er in Gedanken schon einen neuen Narrenstreich.

Beim Wort genommen

Till Eulenspiegel konnte die Magd nicht leiden, weil sie hoffärtig war und tat, als ob sie in Haus und Dorf Herrin wäre. Wenn sie ihm etwas befahl, spielte er ihr gern einen Schabernack. Sollte erihr zwei Scheite Holz bringen, so kam er bloß mit einem, verlangte sie, daß er eine Maß Wein aus dem Keller hole, so rückte er mit einer halben an, befahl sie, daß er der Kuh zwei Bund Heu geben solle, so reichte er dem Tier nur einen, sollte er einen Eimer Wasser herschleppen, so brachte er nur einen halben.

Mußte er Unkraut im Garten jäten, so ließ er die Hälfte stehen, statt zwei Kerzen zündete er nur eine an, er aß aber für zwei und lag den halben Tag auf der Streu. Das wurde der Magd zu bunt, und sie beklagte sich beim Pfarrer bitter über den Schalk. Der wollte sich anfangs gar nicht einmischen, denn er fand Gefallen an Tills Späßen, als sie aber nicht locker ließ, mußte er den Schalk um des lieben Friedens willen doch zur Rede stellen.

»Wie ist das; mein guter Knecht«, sagte er, »die Magd führt Klage über dich, und ich hatte dir doch befohlen, ihr in allem zu gehorchen.«

»Hochwürdiger Herr«, antwortete Till listig, »ich habe bloß nach Euren Befehlen gehandelt. Ihr habt mir aufgegeben, im Hause die halbe Arbeit zu tun, und nun will ich den sehen, der mich hindern will, Euren Geboten zu gehorchen.«

Der Pfarrer lachte über diese Ausrede, aber die erzürnte Magd sagte: »Wenn Ihr den Schelm nicht sofort aus dem Hause jagt, laufe ich noch heute davon.«

Was wollte der Pfarrer tun? Er mußte ihn mit Rücksicht auf die Magd entlassen. Eulenspiegel aber nahm das beiden sehr übel.

Das Glück auf der Landstrasse

Vom Pfarrer weg ging Till zu einem Buddenstedter Bauern und nahm sich wieder einmal vor, seinen Herrn nicht zu ärgern und ihm keine Possen zu spielen. Er tat seine Arbeit, wie es der Bauer verlangte, und der war daher auch mit ihm zufrieden. Eines Tages nahm er ihn mit zum Holzfahren. Sie waren auf der Landstraße, die nach Elmwalde führt, da rief Till aus: »Herr, da läuft ein Hase über den Weg!«

Der Bauer sah den Hasen auch und antwortete: »Lieber Knecht, das ist kein gutes Zeichen, das bedeutet Unglück. Laß uns umkehren!«

Also kehrten sie um und fuhren am andern Tage. Da sah Eulenspiegel, der das Pferde leitete, einen Wolf über die Straße laufen. »Herr, da läuft ein Wolf über den Weg!« sagte er.

»Das bedeutet Glück«, erwiderte der Bauer, »fahr nur weiter!«

Sie kamen an den Waldrand, ließen Pferd und Karren stehen und gingen weiter, um Holz zu schlagen. Dann schickte der Bauer Eulenspiegel zurück, damit er den Karren hole. Als Till nun in die Nähe des Karrens kam, sah er, daß der Gaul am Boden lag und ein Wolf sich hineingefressen hatte. Da erschrak er sehr, freute sich aber doch, daß der Aberglaube seines Herrn zuschanden wurde, denn er hatte sich darüber geärgert. Er lief also wieder in den Wald und rief: »Bauer, das Glück steckt in Eurem Pferde!«

»Wie soll ich das verstehen?« fragte jener.

»Kommt und seht es selbst«, gab Eulenspiegel zurück. Da sah der Bauer, daß sich der Wolf in das Pferd hineingefressen hatte. »Seht Ihr nun, Meister, daß Euer Aberglaube närrisch ist?« sagte Till. »Wäret Ihr gestern dem Hasen nachgefahren, der hätte Euer Pferd nicht gefressen.«

Guter Rat kommt nie zu spät

Den Kopf voller Possen, kam Till Eulenspiegel auch einmal nach dem weltberühmten Städtchen Schilda in Sachsen, dessen Bewohner sich durch kluge Einfälle von jeher ausgezeichnet hatten und dafür im ganzen Reich gar wohl bekannt waren. Till wußte, daß sie sich einst aus dem Vogtland ein Gewitter bestellt hatten, als es bei ihnen einmal lange Zeit nicht regnen wollte.

Da hatten die Vogtländer dem Abgesandten einen Bienenschwarm in seine Kiepe gesetzt und ihn ziehen lassen. Als nun die Tierchen summten und brummten, da freute sich der Mann, daß er seinen Auftrag pflichtgemäß ausgerichtet hatte, und sagte: »In meiner Kiepe donnert es schon!«

Till Eulenspiegel fand die Schildbürger bei schwerer Arbeit. Sie hatten auf dem Berge Bauholz geschlagen, schöne, große Stämme, und schleppten sie nun mit vieler Mühe ins Tal. Dem Spiele sah der Schalk lachend zu, und als sie mit dem beschwerlichen Werk fertig waren, meinte er: »Das hättet ihr leichter haben können, Männer. Ihr brauchtet ja nur die Stämme den Berg hinunterzurollen, da hättet ihr euch die Mühe des Tragens erspart.«

Ein solcher Einfall war den guten Schildbürgern noch nicht gekommen, da sie aber von dem großen Vorteil dieser Beförderungsart sehr begeistert waren, schleppten sie zu Eulenspiegels größter Freude die Stämme wieder auf den Berg und rollten sie jauchzend zu Tal.

Diese Bäume wurden danach zugehauen und zum Bau des neuen Rathauses verwendet. Das sollte ein würdiger Prachtbau werden. Bei dem regen Gemeinsinn und dem großen Eifer der Bürger gedieh das Werk zusehends und konnte gar bald eingeweiht und benutzt werden. Allein da stellte sich ein arger Mißstand heraus: Das Gebäude war innen völlig dunkel, so daß die ehrbaren, würdigen Ratsmannen am hellen, lichten Tage ihre Sitzungen bei brennenden Kienspänen, die sie sich an die Hüte steckten, abhalten mußten. Sie hatten nämlich im Übereifer des Bauens die Fenster vergessen, doch merkte das niemand. In ihrer Not wandten sie sich an jenen klugen Ratgeber, der ihnen bei der Beförderung des Bauholzes eine so vortreffliche Anweisung gegeben hatte. Eulenspiegel kargte nicht mit seiner Weisheit, doch wollte er sie nicht umsonst dem Gemeinwesen zur Verfügung stellen und hat sich für seine Mühe fünfzig Gulden aus, die ihm auch bewilligt wurden. Darauf rückte er mit seinem Ratschlag kühn heraus.

»Was tut ein kluger Mann, wenn es ihm an Wasser in seinem Hause gebricht? Nun, er nimmt einen Zuber oder Eimer, oder was er sonst gerade zur Hand hat, und füllt ihn mit Wasser. Das trägt er dann in sein Haus. Kann es einer so mit dem Wasser halten, warum nicht auch mit dem Licht?«

Kaum hatte er seine Rede beendigt, so ging eine freudige Bewegung durch ganz Schilda, und es bedurfte der Mahnung des würdigen Stadtoberhauptes nicht, die Bürger zu opferwilligen Leistungen anzuspornen. Männlein und Weiblein gingen froh ans Werk, holten Säcke, Körbe, Kessel, Fässer, Büchsen, Häfen und Töpfe, was ihnen gerade in die Hand fiel, und füllten das schöne, blanke Sonnenlicht hinein. War das Gefäß voll, so deckten sie es vorsichtig zu und gossen den Segen hoffnungsvoll im Rathaus aus.

Manche opferten sich förmlich auf für das Gemeinwohl, liefen wohl über ein dutzendmal hin und her und keuchten vor Eifer. Darauf hielten die Ratsmannen wieder ihren feierlichen Einzug im Rathaus; allein es war so dunkel wie zuvor in den Beratungsräumen. Da ärgerten sich die Ratsmänner gar sehr über ihren Ratgeber, und es ward der Beschluß gefaßt, von Eulenspiegel die fünfzig Gulden zurückzuverlangen, wenn er es nicht ermöglichte, Licht zu schaffen. Eulenspiegel, so in die Enge getrieben, gab ihnen alsbald den Rat, das Dach abzudecken.

Wieder erstaunte ganz Schilda über diesen unerhörten Einfall, der sogleich zum Beschluß erhoben wurde und Gesetzeskraft erhielt. Und wunderbarerweise ergoß sich nun ein herrlicher Strom schönen Sonnenlichtes in das bisher düstere Rathaus. Aller Kummer war vergessen, die Not hatte ein Ende, bis auf einmal und unverhofft ein Platzregen kam, der seinen Weg ins Rathaus nahm, alle Räume darin erweichte, die Ratsherrn pudelnaß machte und die Akten verdarb. Da blieb nichts anderes übrig, als das Dach wieder zuzudecken. Aber nun herrschte wieder im Hause ägyptische Finsternis.

Nun wurden die Schildbürger ernstlich böse auf den falschen Ratgeber und wollten ihm zu Leibe. Der aber war längst über alle Berge. Da nahmen sich die Schildbürger heilig vor, keinem Fremden mehr zu trauen, keinen Rat von auswärts mehr zu befolgen, überhaupt immer das Gegenteil von dem zu tun, was die Narren in der Welt draußen taten. Das wurde bei ihnen die Regel; und dadurch wahrten sie ihren alten, guten Ruf.

Till Eulenspiegel versucht es mit der Bäckerei

Hunger tut weh. Diese alte Weisheit erfuhr Till am eigenen Leibe. Darum nahm er sich vor, ein nahrhaftes Handwerk zu ergreifen. Er entschied sich für das Bäckergewerbe. Ein Bäcker hat immer Brot, er braucht nie zu fasten, dachte er. Er ging also nach Braunschweig und suchte einen Bäckermeister auf. Als dieser hörte, daß Till das Gewerbe erlernt habe, war er froh, denn er brauchte gerade einen Gesellen, zumal am andern Tag Ostern gefeiert werden sollte, wo jeder Braunschweiger gutes Weißbrot essen will.

»Ich will dich als Bäckerknecht annehmen«, sagte er also, »und du kannst gleich in die Backstube gehen und backen. Ich will mich jetzt schlafen legen, morgen früh helfe ich dir.«

»Was soll ich backen, Meister?« fragte Till.

Da lachte der Meister, der oft ein Späßchen zu machen pflegte. »Du willst ein Bäckerknecht sein und fragst erst lange, was du backen sollst? Was wirst du denn weiter zu backen haben als Eulen und Meerkatzen?«

Damit ging der Meister zur Ruhe und ließ den neuen Gesellen arbeiten.

Der aber dachte: Der gute Meister soll sich in mir nicht getäuscht haben, ich will ihm gehorsam sein. Darauf formte er den Teig zu lauter Eulen und Meerkatzen, solchen kleinen Äffchen, wie sie die Gaukler an den Jahrmärkten sehen lassen. Besonders gut gerieten ihm die Eulen, denn er war seinem Namen zuliebe schon früher öfters auf den Einfall gekommen, aus Sand oder Ton dergleichen herzustellen.

Am Morgen kam der Meister gerade recht, als der neue Geselle das wunderliche Gebäck aus dem Ofen zog. Da machte er große Augen und schrie: »Was hast du da gebacken?«

»Was Ihr mich geheißen habt, Eulen und Meerkatzen«, antwortete der Schalk.

»Was fällt dir ein?« rief der Meister erbost. »Wer heißt dich einen Spaß so ernst zu nehmen? Semmeln, Wecken und Brötchen sollst du mir backen, wie das in jeder Backstube üblich ist. Du Narr, was soll ich mit dem Zeug? Das kauft mir kein Mensch ab!«

Er redete sich immer mehr in Hitze, wurde handgreiflich und brüllte Eulenspiegel an: »Jetzt bezahlst du mir den Teig, du Schelm! Ich will mein Geld wieder haben, oder du sollst sehen, daß es noch Richter gibt in Braunschweig!«

»Wenn ich den Teig bezahlen soll, dann gehört mir auch das Gebäck«, sagte Till.

»Was gehen mich deine Eulen und Meerkatzen an«, entgegnete der ergrimmte Mann, »die kauft mir kein Mensch ab! Zahl mir den Teig und troll dich mit deiner Narretei auf Nimmerwiedersehen!«

Es half nichts, Till mußte in seinen schon ohnehin mageren Beutel greifen und den Teig bezahlen. Er hatte eine Nacht Arbeit und sein Geld verloren und fing an, sich über seinen Narrenstreich zu ärgern.

In dieser Stimmung ging er in die Herberge »Zum wilden Mann« und überlegte, was er wohl tun könne. Da hörte er, wie in der Wirtsstube ein reisender Kaufmann, der hier übernachtet hatte, zu einem andern sagte:

»Ich sage Euch, man kann noch so seltsame Dinge nach Braunschweig bringen, man gewinnt doch Geld damit.«

Aha, dachte Till Eulenspiegel, lieh sich einen Tisch und stellte sich mit seiner Ware vor die Kirche. Da rief er die muntere Jugend herbei und pries laut und fröhlich seine Ware an. »Kauft schöne Eulen und Meerkatzen! Schöne frische und seltene Ware zum Osterfeste! Tafelgebäck des Erzbischofs von Magdeburg, des Königs von Dänemark und anderer hoher regierender Herren! Kauft Meerkatzen!«

Da nun die Braunschweiger an Feiertagen gern etwas Besonderes essen, so fanden sich rasch Käufer. Bald war der Vorrat bis auf das letzte Stück verkauft, der lustige Schalk hätte das Doppelte und Dreifache absetzen können, wenn er es gehabt hätte, und die Hauptsache: Er löste aus dem Wunderlichen Gebäck mehr Geld, als er dem Bäcker für den Teig gegeben hatte, kam also wieder zu dem Seinen und erhielt auch Lohn für seine Arbeit.

Das erfuhr der Bäcker, und es verdroß ihn heftig, daß sein Knecht mit seiner Narretei recht behalten haben sollte. Spornstreichs lief er vor die Kirche, um von Eulenspiegel noch Geld für die Benutzung seines Backofens und für das verbrannte Holz zu fordern. Aber Till, der wohl geahnt hatte, daß sein Meister zu ihm kommen würde, war längst über alle Berge.

Windbeutel in Ülzen

Nachdem Eulenspiegel Braunschweig den Rücken gekehrt hatte, ging er nach Ülzen und wurde dort wieder ein Bäckerknecht. Der Meister war streng und sehr sparsam, wollte es auch bequem haben und seine Ruhe nicht einbüßen. Gegen Abend sagte er also: »Gesell, du mußt diese Nacht das Mehl beuteln, damit wir morgen früh backen können.«

»Recht so, Meister, das will ich tun«, sprach Eulenspiegel, »gebt mir ein Licht, damit ich sehen kann.«

»Warum nicht gar«, antwortete jener, »meine früheren Gesellen haben nie Licht bekommen, die haben immer im Mondschein gebeutelt, und was die konnten, tust du auch.« Mit diesen Worten ging er und legte sich zu Bett.

Dieser Geiz mißfiel Eulenspiegel sehr, und er beschloß, den filzigen Meister dafür zu bestrafen. Er nahm also den Mehlsack, ging an das Fenster und siebte das Mahlgut in den Hof, gerade dahin, wo der Mond schien. Als der Meister endlich aus den Federn kam, stand er noch immer eifrig am Fenster und beutelte gewissenhaft.

»Daß dich die Pest …!« rief der Mann aus. »Was fällt dir ein, mit dem Mehl so umzugehen? Hat es nicht schweres Geld gekostet?«

»Mir ist es auch nicht klar, Meister, weshalb Ihr mir so seltsame Arbeit aufgehalst habt«, antwortete Till, »aber ich mußte mich doch nach Euren Worten richten. Ihr wißt wohl, daß Ihr mir befohlen habt, im Mondschein zu beuteln. Es ist eine seltsame Weise in Ülzen, so Brot zu backen.«

»Du Schalksnarr, ich habe gemeint, du sollst bei Mondschein, nicht im Mondschein beuteln«, sagte der Meister, »du hast mich nur aus Bosheit nicht recht verstehen wollen.«

»Daraus sehe ich«, entgeghete Till gelassen, »daß Ihr es gern sähet, wenn ich das Mehl wieder herauf in die Backstube träge.«

»Jawohl«, unterbrach ihn der Geizhals, »aber bis du damit fertig bist, ist die Zeit vorbei, den Teig zu mengen.«

»Ich bin Euch gern gefällig, Meister«, antwortete Till. »Soll ich vielleicht den Teig vom Nachbarn holen? Der hat ihn schon fertig in der Mulde liegen.«

Über den Spott wurde der Bäcker rasend vor Zorn und rief: »Des Nachbars Teig willst du holen? Geh an den Galgen und hole den Dieb herbei!«

Der Meister drückte sich wieder ungeschickt aus, denn er wollte wohl sagen, daß man durch Diebstahl sich den Galgen verdienen könne.

»Ja, lieber Herr, das will ich tun«, sagte Eulenspiegel, und fort war er.

Der Meister war unter Fluchen und Schimpfen noch damit beschäftigt, das Mehl aus dem Hofe zusammenzufegen, als der neue Gesell mit seiner schweren Last auf dem Rücken zurückkam. In der Backstube warf er sie ab, und der Meister sah mit Grauen, daß Eulenspiegel seinen Auftrag wieder wörtlich befolgt und den Gehenkten vom Galgen nicht ohne viel Mühe hergeschleppt hatte. Da lag nun der halbverweste, greuliche Leichnam in der Backstube.

»Hast du nicht noch mehr vom Galgen zu holen?« schrie der Geizhals.

»Gern hätte ich mehr geholt«, sagte der Schalk, »aber es war nicht mehr vorhanden. Ihr wißt doch, wie gern ich Euch gefällig bin.«

»Ich weiß, daß du ein Schalk bist«, sagte der Bäcker zornig, »du hast gestohlen, und ich will dich dafür dem Gericht anzeigen, das du bestohlen hast. Das sollst du sehen!«

Das war sein Ernst, und stracks machte er sich auf den Weg zum Bürgermeister, um zu klagen. Den traf er auf der Straße. Wie er ihm nun umständlich seine Klage auseinandersetzte, blickte er zufällig zur Seite; da stand Eulenspiegel, der ihm nachgeschlichen war, und machte Augen wie Pflugräder so groß.

Da vergaß der Bäcker ganz seine Klage und fuhr den Gesellen an: »Was willst du hier, du Galgenstrick, wer hat dich gerufen?«

Da antwortete Eulenspiegel: »Ihr habt doch gesagt, ich solle sehen, wie Ihr mich verklagt, und nun muß ich schon dabei sein und die Augen ordentlich auftun, damit ich sehe, wie Ihr mich verklagt.«

»Du bist ein Schalk, du, du …« sagte der Bäcker in seinem Zorne.

»So haben mich schon viele geheißen«, gab Till sanftmütig zur Antwort, »und doch bin ich dafür bekannt, daß ich nur tue, was mir geheißen wird.«

»Du bist dafür bekannt, daß du ein Windbeutel bist, daß du Schaden stiftest und deine helle Freude daran hast.«

Nun mischte sich aber der würdige Bürgermeister ein. »Ihr seid beide Narren, wie mir scheint«, sagte er bedächtig, »darum geht eurer Wege und laßt mich ungeschoren. Ich habe wirklich anderes zu tun, als eure Zänkereien anzuhören, mich rufen Staatsgeschäfte.«

Mit diesen Worten ging er feierlich zur Herrenstube in die Schenke, wo ihn schon einige würdige Männer zum Frühtrunk erwarteten. Eulenspiegel aber ließ den zornigen Meister schelten und wanderte unangefochten nach Halberstadt.

Schlechte Geschäfte dürfen die Laune nicht verderben

Unterwegs traf Eulenspiegel zwei Kaufleute, der eine hieß Schöller, der andere Möller. Beide waren arme Teufel, mit schweren Rucksäcken beladen, die von einem Dorf zum andern zogen und ihre Waren abzusetzen suchten.

Beide hatten bisher schlechte Geschäfte gemacht und klagten bitter darüber. »Die Geldbeutel hierzulande sind von Sauleder gemacht«, sagte Schöller, »sie halten die schönen Münzen nicht.«

»Was hast du für ein Geschäft, Gesell?« fragte Möller Eulenspiegel.

»Ich bin ein Bäcker«, antwortete er, »solange es mir gefällt.«

»Ja, die Bäckerei, das ist ein gutes Gewerbe«, sagte Schöller. »Zu dem Bäcker läuft alles hin, denn sie wollen doch leben, wir aber müssen zu ihnen kommen und treffen unfreundliche Gesichter an, wenn wir ihnen Tuch und andere Wollwaren anbieten. Kostete es nichts, so hätten wir Käufer die Menge.«

Möller meinte: »Ja, wer Brot hat, dem gibt man Brot, das ist eine alte Weisheit.«

Auch Eulenspiegel merkte sich diese Lehre, und als er in Halberstadt ankam, beschloß er, wieder zu einem Bäcker in Dienst zu gehen. Aber die Meister hatten keine Arbeit für ihn und schickten ihn fort.

Nun wollte er es nach der gelernten Regel auf andere Weise versuchen, denn er dachte daran, wie er in Braunschweig so schöne Geschäfte mit Eulen und Meerkatzen gemacht hatte. Er kaufte also eine Menge Weißbrot, lieh sich einen Tisch und stellte sich vor den Dom. Allein diesmal meldeten sich keine Käufer.

Endlich fand sich aber doch ein Abnehmer. Ein großer Hund erwischte ein Brot und lief damit den Domherg hinauf. Eulenspiegel, der nicht gewillt war, seine Ware umsonst abzugeben, setzte ihm nach, aber der flinke Schalk war nicht so geschwind wie der diebische Köter, und Eulenspiegel mußte die Jagd bald aufgeben. Als er atemlos zurückkehrte, war neues Unheil geschehen. Ein Rudel Schweine, die in Halberstadt wie damals in allen Städten frei herumliefen, hatte sich über seine Vorräte hergemacht. Eulenspiegel hatte also ausverkauft, ohne einen Pfennig gelöst zu haben, sein Anlagekapital im Betrage von zwei Schilling war verloren. Ein anderer hätte sich wohl über diesen Verlust und die verlorene Hoffnung auf den Gewinn schwarz geärgert, aber der lustige Schalk lachte nur über sein Pech.

»Nun merke ich doch«, sagte er, »daß ein ehrlicher Handel in Halberstadt auf den Hund kommt und daß, wie die verdrießlichen Kaufleute unterwegs sagten, die Pfennigsäcke hierzulande aus Schweinsleder gemacht sind.

Wer hat, dem regnet’s in den Schlot,

dem gibt man noch zum Brote Brot,

doch nimmt man dem, der gar nichts hat,

was er noch hat, in Halberstadt.

« Fröhlich packte er auf und zog fort von einem Ort, wo keine Geschäfte zu machen waren.

Er kann es dem Schuster nie recht machen

Die Bäckerei war dem guten Eulenspiegel nun völlig verleidet, und er beschloß, sich einer schwärzeren Kunst zu befleißigen, das heißt, das ehrsame Schuhmachergewerbe zu betreiben.

In Wismar fand er einen Meister, der selber nicht gern arbeitete, im übrigen aber ein gar wohlhabender Mann und Ratsherr war. Er hatte guten Zuspruch, große Ledervorräte und ließ auf Lager arbeiten. Er führte Eulenspiegel in die Werkstatt, gab ihm Leder genug und hieß ihn zuschneiden.

Nun fragte der neue Geselle, welche Form er schneiden solle. Darauf sagte der behäbige Meister, der sich gern recht gewählt und schön ausdrückte, wie es sich für einen würdigen Ratsherrn von Wismar schickt: »Schneide nur zu, groß und klein, wie sie der Hirt aus dem Tore treibt.« Denn eben, als er das sagte, kam der Hirt an, tutete und trieb mit Hund und Stecken das Vieh, das aus allen Häusern herausgelassen wurde, Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen, auf die Gemeindewiese vor dem Tore. Er meinte also, der neue Geselle möge große und kleine Männer-, Frauen- und Kinderschuhe zuschneiden, die würden dann mit der Zeit schon ihre Käufer finden.

Dann ging der Meister. Eulenspiegel nahm das Leder und fing an zu schneiden, aber keine Schuhe, sondern Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen, wie sie der Hirt eben aus dem Tore getrieben hatte.

Spät am Abend kam der Meister zurück. Er war müde vom Herumschlendern und Schwatzen und wollte nun sehen, was sein neuer Geselle gearbeitet hatte. Da fand er die Bescherung, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rief: »Das ist deine Arbeit? Du Schelm hast mir das ganze Leder verdorben!«

Mit unschuldiger Miene antwortete Till: »Meister, so harte Worte habe ich nicht verdient. Habe ich nicht nach Eurem Befehl gehandelt? Ihr hießet mich ausschneiden groß und klein, wie sie der Hirt aus dem Tore treibt. Nun treibt der Hirt nichts anderes auf die Wiese als Ochsen, Schafe, Schweine und Ziegen, das habe ich mir wohl gemerkt und treulich befolgt.«

Als der Meister sah, daß Eulenspiegel den Beleidigten spielte, zog er andere Saiten auf und sagte: »Mein guter Gesell, ich habe wohl so gesprochen, aber meine Meinung war, du solltest großes und kleines Schuhwerk für Männer, Frauen und Kinder zuschneiden, nicht solchen Quark.«

»Hättet Ihr das gleich gesagt, so würde ich früher zu Rande gekommen sein, auch längst Feierabend gemacht haben. Ich hätte leichteres Arbeiten gehabt als mit diesem Viehzeug«, sagte der Schalk.

»Nun will ich dir das nicht weiter nachtragen«, antwortete der Meister, »aber du mußt künftig das tun, was ich dir sage.«

»Und gern will ich das tun«, versicherte Eulenspiegel.

Am andern Tage legte ihm der Meister wieder Leder vor, das hatte er zur Vorsicht aber selber zugeschnitten. Es paßte für kleines und großes Schuhwerk. »Hier, Gesell«, sagte er, »nähe die kleinen mit den großen und mache deine Sache recht.«

Das tat Till mit Eifer. Er steckte einen kleinen Schuh in einen größeren und nähte beide zusammen. Nach einiger Zeit kam der Meister wieder und wollte sehen, was Eulenspiegel genäht habe, nahm einen fertigen Schuh und sagte: »Du hast recht brav nach meinen Worten gearbeitet.«

»So höre ich doch endlich, daß Ihr mich lobt, Meister«, sagte Eulenspiegel, »es ist doch gut, daß ich heute das Richtige getroffen habe.«

»Ja«, meinte der Schuster, »meine Worte hast du wohl befolgt, aber den Sinn nicht verstanden.« Und nun wurde er zornig und rief: »Esel, der du bist, du solltest nacheinander arbeiten, erst einen kleinen Schuh nähen und danach einen großen oder umgekehrt. Du wirst mir noch mein ganzes Leder verderben.«

»Aber, Meister«, entgegnete Till, »Ihr lobt und tadelt mich in einem Atem. Wozu ist der Zorn nütze? Hättet Ihr nur Eure Meinung gleich gesagt, so hätte ich mich nicht mit solcher vergeblichen Arbeit zu mühen brauchen.«

»Ich merke schon«, unterbrach ihn der Schuster, »dir muß man alles deutlich sagen, was du machen sollst. Hier hast du anderes Leder, schneide die Schuhe zu über einen Leisten. Schuhe, sage ich!«

Damit legte er ihm Sohlenleder hin, das sollte für die fertigen Schuhe passend gemacht werden. Zornig ging er weg, denn er hatte draußen Geschäfte. Darüber vergingen ein paar Stunden. Dann eilte der Meister nach Hause, um zu sehen, wie der neue Geselle seinen Auftrag ausgeführt habe. Der saß in der Werkstatt und arbeitete, daß die Fetzen flogen. Als aber der Brotherr den Schaden besah, merkte er, daß der Schalk alles Sohlenleder über den kleinsten Leisten geschlagen und zugeschnitten hatte.

»Nun sehe mir einer«, rief der Mann aus, »du hast ja alles Leder über den Leisten für Kinderschuhe geschlagen! Bist du des Teufels? Wie paßt denn der große Schuh über die kleine Sohle?«

»Da muß man eben nur den großen Schuh so klein zurechtschneiden, bis er paßt«, sagte der Schalk.

»Habe ich dir solche Narretei geheißen?« polterte der Meister.

»Oh, ich höre Eure Worte noch genau«, antwortete Till, »Ihr gabt mir auf, alles über einen Leisten zu schlagen; hätte ich gewußt, daß Ihr den großen Leisten meintet, so wäre ich Euch, wie Ihr wißt, gern zu Willen gewesen.«

»Du mit deiner Rechthaberei, du kommst noch an den Galgen«, rief der Meister. »Bezahl mir das Leder, das du verschnitten hast, oder ich lasse dich in den Schuldturm sperren.«

»Wisset, Meister«, antwortete der Schalk, »alles Leder im Römischen Reiche ist mir nicht so lieb wie meine eigene Haut.« Damit sprang er aus dem Hause, und der geprellte Meister hatte das Nachsehen.

Die Narrenküche

Von Wismar aus wandte sich Eulenspiegel nach Stade und ging wieder zu einem Schuhmacher als Geselle. Diesmal arbeitete er zur Zufriedenheit des Meisters, denn der Winter war vor der Tür, und mit seinem Geld war er zu Ende. Da waren keine Narrheiten am Platze, weil sie ihn die warme Stube gekostet hätten. Außerdem war der Meister einer von den Geriebenen, denen nicht leicht beizukommen war.

Eines Tages ging der Schuhmacher aus, um einem Bauern eine Fuhre Holz abzukaufen. Die Fuhre kam vor das Haus, der Bauer lud ab, und der Meister wollte ihm wie üblich etwas Essen geben. Aber Frau und Magd waren nicht zu Hause, sie machten auf dem Markt Einkäufe, denn die Vorräte waren zur Neige gegangen. Da fand der Meister in der Werkstätte Eulenspiegel; dem trug er auf, für den Bauern eine Suppe zu bereiten, da niemand Sonst im Hause war und der Meister selbst einen Geschäftsweg vorhatte, der sich nicht aufschieben ließ.

»Was soll ich zur Suppe nehmen, Meister?« fragte Till.

»Nimm nur, was du findest«, antwortete er und ging rasch seines Weges.

Num suchte Eulenspiegel im Küchenschrank, fand aber gar nichts weiter als Brot. Das schnitt er in Scheiben in den Topf, aber nun fehlte ihm etwas Schmalz. Da nahm er aus einer Büchse Fischtran, den der Meister zum Schmieren gebrauchte, goß diese stinkende Brühe über das Brot, machte die Mahlzeit warm und brachte sie in die Stube, um den Holzbauern damit zu erquicken. Der kostete davon und verzog das Gesicht gewaltig, aber da er Hunger hatte, würgte er das Gericht hinunter.

Eben war er fertig, da kam der Meister an und fragte den Mann, wie ihm die Suppe gemundet habe. »Ganz gut«, meinte der Bauer, »sie hatte einen feinen Geschmack und war schön warm, aber hinterher schmeckte sie ein bißchen nach altem Leder. Ich danke auch schön dafür!«

Als der Mann fort war, fragte der Meister Eulenspiegel: »Gesell, was für eine Suppe hast du denn dem Bauern angerührt? Es riecht garstig aus seinem Napf.«

Da antwortete Till: »Ihr sagtet mir doch, ich möge verbrauchen, was ich fände. Nun habe ich weiter nichts vorgefunden als Seefischschmalz, das habe ich ihm nach Euern Worten in die Suppe gegossen.«

Ein unverschämter Einfall

Nach Jahren fiel es Till Eulenspiegel ein, wieder einmal nach Braunschweig zurückzukehren. Er hoffte dort unerkannt zu bleiben, wenn auch alle Welt von seinen Streichen sprach. Eines Tages ging er zum Schuhmachermeister Christoffer am Kohlenmarkt, brachte ihm ein Paar große Stiefel und fragte ihn: »Meister, wollt Ihr mir diese Stiefel spicken?« Er meinte natürlich, ob Christoffer sie ihm mit Speck einreiben wolle.

»Jawohl, ganz gerne, wetter Herr«, sagte der Meister und nahm die Stiefel in Empfang.

»Wann kann ich sie wieder holen?« fragte Eulenspiegel.

»Kommt morgen«, erwiderte der Meister.

Kaum war Eulenspieäel gegangen, da rief ein Gesell: »Meister Christoffer, den Kunden kenne ich. Wißt Ihr, wer das war? Das war Till Eulenspiegel, der Schalk, der in ganz Sachsen umherzieht und alle Meister äfft, denn ihm ist keiner an Verschlagenheit gewachsen. Er tut scheinheilig, stellt sich, als wolle er sich umbringen vor Eifer, und treibt doch nur Narrenpossen.«

Nun ging Meister Christoffer ein Licht auf, auch er hatte schon von den Schwänken des lustigen Schalks gehört.

»Wißt Ihr«, meinte der Geselle weiter, »was ich an Eurer Stelle täte? Ich spielte ihm einen Streich und machte es so wie er.«

»Und wie macht es denn der Schalk?«

»Er nimmt jeden beim Wort. Wie wäre es, Meister, wenn Ihr ihm mit gleicher Münze dientet und seinen Auftrag so ausführtet, wie er ihn gegeben hat? Das gäbe einen Spaß, wenn Ihr dem Schalksnarren einen Streich spielen könntet!«

»Was hat er denn eigentlich gesagt?« fragte Christoffer, der kein großer Schlaukopf war.

»Er hat gesagt«, fuhr der Geselle fort, »Ihr solltet ihm die Stiefel spicken, meinte aber, Ihr solltet sie schmieren. An Eurer Stelle täte ich nach seinen Worten.«

»Das soll auch geschehen«, antwortete Christoffer vergnügt. »Das wird ein Hauptspaß werden. Der soll Augen machen!«

Wirklich ging er in die Küche, holte Speck, schnitt den in schmale, lange Streifen und fing an, die Stiefel Eulenspiegels wie einen Hasenbraten regelrecht zu spicken. Meister und Gesell konnten den andern Tag kaum erwarten und freuten sich über das verdutzte Gesicht, das der Schalk aufsetzen würde. Der Geselle besonders war sehr neugierig und sah immer aus dem großen Fenster zu ebener Erde über den Kohlenmarkt, ob Eulenspiegel noch nicht käme.

»Jetzt kommt er!« rief er endlich und konnte seine Freude kaum verbergen. Eulenspiegel trat indes arglos ein und fragte nach seinen Stiefeln.

»Hier sind sie«, sagte Meister Christoffer treuherzig und reichte sie ihm.

Eulenspiegel war anfangs überrascht, faßte sich aber und fing an, laut zu lachen. »Ihr seid ein wackerer Meister«, sagte er, »Ihr tut doch wenigstens, was man Euch heißt. Was bin ich dafür schuldig?«

»Einen alten Groschen«, sagte mild der Meister.

Da zahlte Eulenspiegel seinen Groschen, nahm seine Stiefel und ging. Der Meister und sein Gesell brachen in ein helles Gelächter aus. »Den haben wir einmal geäfft dafür, daß er alle zum besten hält«, sagte der Gesell.

»Und ich habe alle ehrbaren Meister, die er betrogen hat, an ihm gerächt,« fügte Christoffer hinzu.

Kaum hatte er es gesagt, da klirrten die Butzenscheiben des Fensters und fielen zerbrochen auf die Erde. Als sie erschrocken hinsahen, lag Eulenspiegel lächelnd im Fenster und hatte mit Kopf, Schultern und Armen das Fenster eingedrückt. »Zum Teufel, was machst du da?« schrie Meister Christoffer wütend.

»Werter Meister«, antwortete der Schalk, »ich wollte Euch nur etwas fragen. War der Speck von einem Eber oder von einer Sau?«

»Du Schelm«, antwortete der Schuster, »wer hat dir geraten, mir mein teures Fenster entzweizubrechen? Heraus aus den Scheiben, oder ich schlage dir mit einem Knüppel über den Schädel!«

»Auf meine freundliche Frage hatte ich wohl einen besseren Bescheid verdient«, antwortete jener. »Sagt mir doch, Meister, war der Speck von einem Eber oder einer Sau?«

Da holte der zornige Schuster aus und wollte zuschlagen. Allein Eulenspiegel war flinker als er und sprang zurück. »Wenn Ihr mir nicht sagen wollt, wovon der Speck geschnitten ist, so muß ich wohl andere danach fragen, denn mir liegt sehr viel daran, das zu wissen.« Sprach’s und war verschwunden.

Der Meister aber hätte nicht übel Lust gehabt, den Gesellen durchzuprügeln. »Du hast mir geraten, mich mit dem Schelm einzuiassen. Wer ist nun der Geäffte, du Esel? Jetzt bezahl mir mein schönes Fenster, denn dir allein verdanke ich es, daß ich zu solchem Schaden gekommen bin.«

Der Geselle aber besaß kein Geld und hatte auch keine Lust, den Verlust abzuverdienen. Er lief noch am gleichen Tage seinem Meister davon.

Übel angebrachte Frömmigkeit

Auf seinen wunderlichen Kreuz- und Querzügen kam Till Eulenspiegel auch nach der reichen Stadt Erfurt. Da hörte er im Gasthof »Zur hohen Lilie«, wie einer von dem frommen Schuster erzählte, der der Sage nach den reichen Leuten das Leder stahl und den Armen davon Schuhe machte. Diese Schalkheit gefiel ihm außerordentlich, denn sie war nach seinem Geschmack. Auch er wollte, so nahm er sich ernstlich vor, ein so frommes Leben führen und nach seiner Weise wohltun.

Nun war in der »Hohen Lilie« ein bettelarmer Hausknecht, ein Krüppel, den der Wirt aus Mitleid aufgenommen hatte. Der besaß keine Schuhe. Eulenspiegel erbarmte diese Not. Er ging in die Schuhgasse und suchte nach Schuhen, die auf Schaubrettern ausgestellt waren. Geld hatte er freilich keins. Da bot ihm eine Schuhmachersfrau ein Paar derbe Schuhe an. Er zog den einen an und fand ihn passend, zog dann den andern an und lief damit davon. Die Schuhmachersfrau wollte sich die Ware aber nicht so leicht entgehen lassen, lief ihm nach und rief: »Haltet den Dieb! Haltet den Dieb!«

Sogleich kamen die Leute aus den Häusern und wollten ihn halten. Aber der Schalk rief ihnen zu: »Laßt mich laufen, ihr guten Leute! Es gilt ja nur einen Wettlauf zwischen der Frau und mir, und der Preis ist ein Paar Schuhe.«

Das glaubten sie ihm und ließen ihn entwischen. Er kam unangefochten in die Herberge und schenkte die Schuhe dem armen Krüppel.

Allzu feine Arbeit

Mit der Schuhmacherei gab sich Till Eulenspiegel künftig nicht mehr ab, weil er meinte, sie mache die Leute grob und ungefüge, auch sei es kein angenehmes Geschäft, weil es in der Werkstatt und im ganzen Hause immer nach Tram, Pech und Leder röche, und außerdem sei die Arbeit einförmig, es handle sich doch immer nur darum, größere oder kleinere Fußbekleidungen herzustellen. Also wollte er etwas Feineres ergreifen und wandte sich der edlen Schneiderzunft zu.

Er fand in Berlin auch bald einen Meister, der ihn als Gesellen annahm.

»Lieber Knecht«, sagte der Schneider zu ihm, »in Berlin ist es gar nicht leicht, die Kunden zufriedenzustellen. Bei den Bauern kommt es nicht so genau darauf an, aber die Herren vom Rate und die vielen Ritter in der Umgegend wollen feine Röcke tragen. Darum nähe recht sorgsam und so fein, daß man es nicht sehen kann.«

»Ja, Meister, ich verstehe Euch wohl«, sagte Eulenspiegel, »und werde mich getreulich nach Euren Worten richten.« Er nahm darauf einen Rock, den er nähen mußte, und setzte sich damit unter eine umgestülpte Bütte.

So fand ihn der Meister wieder und fragte verwundert: »Wo hast du solche Art zu steppen gelernt? Das habe ich mein Lebtag nicht gesehen!«

Da antwortete Till: »Lieber Meister, Ihr sagtet mir doch, daß ich so nähen sollte, daß man es nicht sähe. Wenn Ihr nun schon nicht seht, was ich nähe, so werden es die andern noch weniger sehen. Meint Ihr nicht?«

Der Meister wußte nicht, wes Geistes Kind er in seinen vier Pfählen hatte, und antwortete: »So habe ich das nicht gemeint, Gesell, krieche nur wieder aus deiner Hütte hervor und nähe so, daß man es sehen kann.«

Nun tat Eulenspiegel, was verlangt wurde.

Die Kunst wird nicht belohnt

Eines Tages war der Schneider müde und wollte zu Bett gehen, denn es war tief in der Nacht. Eulenspiegel hätte sich nun auch gern nach der Arbeit des Tages ausgeruht, aber der Meister warf ihm einen grauen, halbfertigen, groben Bauernrock zu und sagte: »Mach den Wolf ordentlich fertig und geh dann auch zu Bett.«

Eulenspiegel ärgerte sich über diese Zumutung, dennoch fing er an zu arbeiten, aber auf seine Weise. Er schnitt den Rock kurz und klein und fing an, eine Wolfsfigur daraus zu fertigen; die stopfte er gehörig aus und stützte die Beine mit Holzstäben. Dieses seltsame Machwerk stellte er mitten in die Werkstatt, freute sich seines Fleißes und ging mit gutem Gewissen ins Bett.

Am andern Morgen trat der Meister in die Werkstatt und wollte sehen, was sein seltsamer Gehilfe in der Nacht zuwege gebracht habe. Bald darauf kam auch Eulenspiegel mit unschuldigem Gesicht herein.

»Was hast du gemacht?« rief der Meister zornig.

»Ich habe einen Wolf gemacht, wie Ihr mich geheißen habt«, antwortete Till mit sanfter Miene.

»Du Narr«, rief der Meister, »einen solchen Wolf meinte ich doch nicht, ich nannte eben das grobe Bauernwams einen Wolf.«

»Hätte ich das gewußt«, antwortete Till, »so würde ich mir viel Arbeit erspart haben, denn ich hätte wirklich lieber einen Rock statt einen Wolf gemacht.«

Der Meister erwiderte ärgerlich: »Solche Arbeit lohne dir der Teufel; die bezahle ich nicht.« Indessen fügte er sich in das Unvermeidliche und machte dem Schalk weiter keine Vorwürfe.

Eulenspiegel aber tröstete sich mit der Regel:

Nicht jede Kunst im deutschen Land

wird von den Weisen anerkannt.

Vergebliche Mühe

Der Meister war durch diesen Schaden nicht klug geworden und gab Eulenspiegel wieder den Auftrag zu arbeiten, während er in tiefer Nacht der Ruhe pflegte. Habsüchtig, wie er war, gönnte er dem Gesellen den Schlaf nicht. Er übergab also Till einen Rock, der bis auf die Ärmel fertig war, und sagte gähnend: »Wirf die Ärmel an den Rock, danach magst du dich auch zu Bette legen.«

Das versprach Eulenspiegel, und der Meister ging. Nun zündete der Schalk zwei Kerzen an, hängte den Rock auf, stellte an jede Seite des Gewandes ein Licht und warf die Ärmel an den Rock, hob sie wieder auf und beschäftigte sich so die ganze Nacht über. Waren die Kerzen niedergebrannt, dann steckte er neue an. So fand ihn der Meister am Morgen. Eulenspiegel aber sah weder rechts noch links, sondern schleuderte unentwegt die Ärmel an den Rock. Da rief der Schneider: »Was ist das für ein Gaukelspiel?«

»Das ist kein Gaukelspiel«, antwortete Eulenspiegel. »Die ganze Nacht habe ich die Ärmel an den Rock geworfen, aber sie wollen nicht kleben bleiben Es wäre besser gewesen, wenn Ihr mir erlaubt hättet, zu Bett zu gehen, denn ich wußte wohl, daß Ihr mir eine vergebliche Arbeit aufgetragen hattet. Ich hätte Euch das schon gestern abend sagen können, aber es schickt sich für einen rechtschaffenen Gesellen nicht, seinem Meister zu widersprechen, der das Handwerk doch besser kennt.«

»Nun soll ich wohl die Schuld daran tragen?« fragte der Schneider. »Ich habe gemeint, du solltest die Ärmel an den Rock nähen, nicht daranwerfen.«

Da sagte Eulenspiegel: »Das danke Euch der Teufel, daß Ihr eine Sache anders meint, als Ihr sie sagt. Hättet Ihr Eure Meinung gleich gesagt, so wäre ich wohl schneller zu Rande gekommen und hätte auch ein paar Stunden der Ruhe pflegen können. Nun mögt Ihr den Tag über sitzen und nähen, denn ich muß endlich auch einmal schlafen.«

»Das wäre noch schöner«, brauste der Meister auf, »solche Arbeit wird in Berlin nicht bezahlt und geachtet. Ich habe dich als Knecht und nicht als Schläfer gedingt. Dein Faulenzen bringt mir kein Geld ein.«

»Ei, wertet Meister«, antwortete Eulenspiegel, »Ihr habt mich für Tagesarbeit gemietet, wollt Ihr, daß ich Tag und Nacht für Euch schaffen soll, so zahlt mir auch den doppelten Lohn.«

»Auch noch doppelten Lohn willst du Schelm haben, wo du mir bisher alles im Geschäft verdorben hast! Da sollte man ja meinen, man hätte es mit dem Galgenvogel, dem Till Eulenspiegel, zu tun! Höre, mein lieber Knecht, du hast mit sechs Lichter verbraucht mit deiner Narretei. Ersetz mir den Schaden, oder ich will dich einsperren lassen.«

»Lieber Meister«, sagte darauf Till Eulenspiegel, »ich will Euern Schaden nicht, aber da ich kein Geld habe, so will ich Euch etwas sagen, das Euch von Herzen erfreuen soll: Lebt wohl, ich bin Till Eulenspiegel.«

Als der Meister diese Worte hörte, erschrak er sehr. Ehe er sich aber von dem Schrecken erholt hatte und dem Schalk einen Abschiedsgruß mit dem Knüttel geben konnte, war dieser aus dem Hause und bald über alle Berge.

Die drei Schneider

Von Berlin aus ging Eulenspiegel nach Brandenburg und wollte versuchen, ob er dort mehr Glück hätte als in der reichen Stadt an der Spree. Darüber war einige Zeit vergangen, so daß seine lustigen Streiche hier schon bekannt waren, ehe er ankam. Als er daher zu einem Schneidermeister kam und ihn um Arbeit hat, dachte dieser: Du kommst mir gerade recht. Laut aber antwortete er ihm: »Es tut mir leid, mein guter Knecht, aber da sitzen schon drei Gesellen auf dem Ladentisch, und ich habe schon für diese manchmal nicht genug Arbeit, so daß ich einen vierten gar nicht brauchen könnte.« Zu den Gesellen sagte er heimlich: »Das ist der Eulenspiegel, der durchtriebenste Bursche in ganz Sachsen. Mit dem will ich nichts zu tun haben, denn einen Narren soll man meiden, wo man nur kann.«

Es blieb Till also nichts anderes übrig, als in die Herberge zu gehen und dem lieben Gott die Tage zu stehlen. Häufig genug kam er an der Schneiderbude vorbei. Die drei lustigen Gesellen saßen halb auf der Straße auf dem Ladentisch, der auf Pfählen stand; unter dem Schneidersitze ging es in den Hof des Meisters, in dem sich die Ställe befanden. Da saßen nun also die drei vergnügten Gesellen auf dem Gerüst und sangen zur Arbeit schöne Lieder, wie es der Schneider Brauch ist. Kam aber Eulenspiegel vorbei, dann hörten sie auf zu singen und fingen an, ihn tüchtig zu foppen.

»Sag, Eulenspiegel, wievielmal bist du eigentlich getauft worden? Willst du uns nicht etwas auf dem Seile vortanzen, da es mit der Schneiderei nichts ist? Freilich, einen Schuh gäbe dir keiner. Du sollst ja so schöne Suppen kochen können. Koch eine schöne, vergiß den Fischtran aber nicht und iß sie dann selber!«

Einer warf dem Schalk einige Fetzen an den Kopf. »Da, Eulenspiegel, verachte die gute Gabe nicht, sie reicht aus, den schönsten Wolf davon zusammenzusteppen.«

Über diese Witze wurde von allen, auch von den Vorübergehenden und Nachbarn, weidlich gelacht.

»Hütet eure Zungen!« warnte der Meister. »Mit einem Narren soll man nicht anbinden, wenn man nicht den kürzeren ziehen will.«

»Das hat keine Not, Meister«, antworteten die lustigen Schneider. »Was will er uns tun? Wir sind unser drei und halten zusammen.«

Sie ließen sich nicht raten und begannen ihre Neckereien wieder, als sie des Gesellen ansichtig wurden. »Wann bäckst du wieder Meerkatzen, Eulenspiegel?« stichelten sie von neuem. »Back mir eine mit, aber nicht aus dem Mehl, das du in den Hof gebeutelt hast. Willst du nicht hier am Markt einen Tisch voll Weißbrote verkaufen? Der Meister hat viele Schweine.«

Eulenspiegel hörte diese Neckereien wohl, tat aber, als ginge es ihn nichts an, und freute sich auf einen Streich, den er den lustigen Brüdern spielen wollte.

Als nun der nächste Markttag kam, war der ganze Platz voller Menschen. Auch Eulenspiegel stand unter ihnen und gab wohl acht auf den Schneidertisch, auf dem die lustigen Brüder saßen, sangen und nähten. Bald erschien auch der Schweinehirt mit seinem Horn, und auf sein Zeichen kamen aus allen Höfen die Schweine heraus, damit sie auf die Gemeindetrift geführt würden. Auch der Schneidermeister ließ sein grunzendes Borstenvieh aus dem Stall. Die Tiere kannten den Weg unter dem Laden her und rieben sich nach ihrer Gewohnheit an den Pfählen. Da tat es auf einmal einen Krach, das Brett gab nach, und ehe es sich die Schneidergesellen versahen, purzelten sie vom Tische herab, überschlugen sich und lagen schließlich im Kot zwischen Schweinen, Tuch und Röcken.

Da rief Eulenspiegel so laut, daß es alle auf dem Markt hören konnten: »Seht da! Seht da! Der Wind hat drei Schneider vom Fenster heruntergeweht! Holdrio!«

Da lachte alles unbändig, daß es über den ganzen Markt schallte.

Die Schneider aber erhoben sich schnell wieder und wollten nun ergründen, warum sie heruntergepurzelt waren. Da sahen sie, daß die Pfosten, die den Ladentisch trugen, abgesägt und lose wieder aufgestellt worden waren. Die Schweine hatten mit leichter Mühe das lose Gerüst umgestoßen.

»Das hat kein anderer getan als Eulenspiegel«, sagte der Meister. »Ich sagte es ja gleich, mit dem müßt ihr nicht anbinden, der ist euch über!«

Das begriffen die fidelen Schneiderknechte dann auch und besserten den Schaden aus. Noch tagelang sprach man von nichts anderem als von den drei Schneidern und ihrem Mißgeschick und rief ihnen zu: »Der Wind verweht euch Schneiderlein, drum steckt euch Bügeleisen ein!«

Da schämten sich die Gesellen und ärgerten sich nicht wenig, ließen aber fortan den Schelm in Ruhe.

Das große Geheimnis

Man weiß bis heute noch nicht, wieso Till Eulenspiegel die Kunst des Schreibens beherrschte und wo er die Kunst des Redens erlernt hat. In beiden Künsten leistete er aber Großes, wie folgende glaubwürdige Geschichte beweist.

Till war nach Rostock gekommen und kam dort auf den Einfall, der ehrsamen Schneiderzunft einen großen Dienst zu erweisen. Also schrieb er mehrere gleichlautende Briefe und verwendete auf ihre Abfassung großen Fleiß. Ein Brief wanderte nach Sachsen, ein anderer in die wendischen Städte, einer nach Holstein, einer nach Pommerland, auch Hamburg, Lübeck, Bremen, Wismar und die übrigen mecklenburgischen Lande wurden nicht vergessen. Der Brief war an alle Schneidermeister in diesen Ländern und Städten gerichtet und hatte folgenden Wortlaut:

»Geliebte, ehrenfeste und werte Meister! Till Eulenspiegel, ein Mitglied der edlen Schneiderzunft, wohlerfahren in der Kunst, ausgebildet in Paris, Bologna und Antorf, Hoflieferant des Königs von Frankreich, des Königs von Polen, des Königs von Dänemark, des Großtürken sowie vieler regierender Herzöge, Fürsten, Grafen und Herren, entbietet Euch allen seinen brüderlichen Gruß und bittet um geneigtes Gehör für das, was nun kommt.

Wir laden Euch hierdurch freundlichst ein, nach unserer guten Stadt Rostock zu kommen, und zwar am vierzehnten Tag des Monats Juli. Dort will ich Euch eine Kunst lehren, die geeignet ist, Euer Glück zu begründen, Euren Geldsack zu füllen und Euch mit fleißigen Kunden, die gute Zahler sind, zu versehen. Nie werdet Ihr vergeblich arbeiten, aber alles, was Ihr beginnt, wird leichter und besser vonstatten gehen. Kommt und seht es!

Rostock, im Monat Mai. Gegeben unter unserem eigenen Insiegel.«

Ein Siegel war in der Tat an diesem wunderlichen Schreiben befestigt; es zeigte eine Eule und einen Spiegel.

Die ehrsamen Meister ließen sich den Brief von den Stadtschreibern vorlesen und wanderten sich nicht wenig darüber, einmal über die Einladung eines so großen und weitgereisten Berufsgenossen, die sie außerordentlich ehrte, dann aber über die geheimnisvoll angepriesene Kunst, die ihnen zum Wohlstand verhelfen sollte. Sie hielten in den Zunftstuben über die Sache Morgensprache, wie sie die Beratungen hinter geschlossenen Türen nannten, und kamen überein, die günstige Gelegenheit, ihr Glück zu begründen, nicht leichtfertig fahren zu lassen. Angstliche und vorsichtige Leute warnten freilich vor Übereilung, mutmaßten auch Schlimmes.

»Es wird wohl die schwarze Kunst sein, die er euch lehren will«, sagten sie, »Dann kann es kommen, daß er euch einen Vertrag vorlegt, in dem ihr eure Seelen dem Bösen verschreiben müßt. Ob einer will oder nicht, das ist ganz gleichgültig. Wer einmal der Einladung des Teufels gefolgt ist, der wird von ihm gebannt, dem hilft kein Beten, keine Flucht, er muß seine drei Kreuze unter das höllische Dokument setzen. Und die Versprechungen des Teufels sind eitel Betrug. Er gibt wohl einen Topf voll Goldgulden, wer sie aber anrührt, dem verwandeln sie sich unter den Fingern in Holzkohlen.«

Aber selbst so ernste Befürchtungen hielten die tapferen Schneider nicht ab, in hellen Haufen auf allen Straßen nach Rostock zu ziehen.

Eulenspiegel sah mit Vergnügen, daß so viele seiner Einladung gefolgt waren, bewillkommnete sie freundlich und hörte gern, daß sie ihm ein Geschenk versprachen, wenn er sie die geheimnisvolle Kunst gelehrt haben würde. Da in Rostock kein Saal groß genug war, um eine stattliche Versammlung aufzunehmen, ließ er die Zunftgenossen auf eine große Wiese kommen. Er selbst wählte das Fenster eines Hauses am Rande der Wiese als Rednerbühne. Als nun völlige Ruhe unter den Kleiderkünstlern eingetreten war, trat er feierlich in das Fenster und begann zu reden:

»Ehrbare Männer unserer hohen Zunft! Ihr besitzt alle das, was zu unserem Gewerbe gehört, nämlich Schere, Elle, Fingerhut und Faden, und wißt, wie man diese Dinge recht gebrauchen muß. Das ist etwas, was jeder versteht und erlernen kann. Das Geheimnis meiner Kunst ist aber etwas anderes, und das will ich euch jetzt verkünden. Achtet wohl darauf und nehmt es euch zu Herzen. Nämlich, wenn ihr eine Nadel eingefädelt habt, so vergeßt nicht, an das andere Ende des Fadens einen Knoten zu machen. Dann hat der Faden keine Ursache, aus der Nadel herauszuwitschen, ihr aber werdet nicht manchen Stich umsonst machen.«

Damit beendete Eulenspiegel seine Rede. Die Schneider aber sahen sich verdutzt an und riefen ihm zu: »Hast du nicht mehr zu sagen? Was wir jetzt gehört haben, wußten wir längst, auch haben wir den weiten Weg nicht gemacht, um uns Narreteien anzuhören. Dieses Geheimnis kannten die Schneider schon vor tausend Jahren.«

Darauf antwortete Till: »Was vor tausend Jahren geschehen ist, das weiß heute niemand mehr. Wer dem Lehrmeister aber sagt, er habe alles schon gekannt und gewußt, der will sich den Dank sparen. Gut, wenn ihr mir nicht danken wollt, so ist das eure Sache und tut mir nicht leid. Ihr könnt meinetwegen allesamt dahin gehen, wo ihr hergekommen seid. Gehabt euch wohl!«

Nun wurden die Schneider ernstlich böse und wollten. ihr Mütchen an dem Schalksnarren kühlen, allein Eulenspiegel ging ihnen durch die Finger.

Zu ihrem Schaden holten sie sich auch noch den Spott der anwesenden Rostocker Schneidermeister. Die sagten: »O ihr Toren! Einem solchen Schelm nachzulaufen! Von uns wäre sicher keiner zehn Stunden und länger gegangen, um sich so äffen zu lassen. Aber was man nicht im Kopf hät, muß man eben in den Beinen haben. Wir kannten Till Eulenspiegel alle schon und wußten, was er für ein Vogel ist.«

Die klugen Rostocker Schneider hatten gut reden.

Der Schalk in der Schmiede

Zur Schneiderei war Eulenspiegel die Lust vergangen, auch hätte ihn wohl kein Meister weit und breit mehr angenommen; er ging daher in Rostock zu einem Schmied und verdingte sich als Knecht. Der Schmied hatte von dem Konzil der Kleidermacher und anderen Streichen des lustigen Landfahrers gehört, ließ sich aber darum doch nicht abhalten, den übelbeleumdeten Gesellen anzustellen, denn er war ein starker, strenger Mann und dachte: Wenn er mir Streiche spielt, dann will ich ihn schon zähmen, tut er auch dann nicht gut, so setze ich ihn einfach vor die Tür.

Den ersten Tag wäre beinahe alles gut gegangen, wenn der Schmied nicht eine komische Redensart an sich gehabt hätte, die hieß: »Ha, ho, folge mit den Bälgen nach!« Da sollten die Gesellen mit den großen Blasebälgen Wind im Ofen machen.

Nun traf sich’s, daß der Schmied im Hof zu tun hatte. Da rief er beim Hinausgehen Eulenspiegel zu: »Ha, ho, Gesell, folge mit den Bälgen nach!«

Nun hatte Eulenspiegel von dem andern Knecht schon gehört, daß der Meister ein harter Mann sei. Er nahm sich deshalb vor, ihn zu necken. Gehorsam lud er also den schweren Balg auf den Rücken und schleppte ihn dem Meister nach in den Hof.

»Hier ist der Balg, Meister«, sagte er, »wo soll ich ihn hinlegen? Soll ich den andern jetzt gleich bringen oder nachher?«

Du Bösewicht, dachte der Meister, das will ich dir eintränken! Laut aber sagte er: »Lieber Gesell, so war das nicht gemeint, trag nur den Balg wieder dahin, wo du ihn hergenommen hast.«

»Gern tue ich nach Eurem Willen«, antwortete Till und ging wieder mit seinem Balg in die Schmiede.

Der Schmied will ihn zähmen

Die ganze Stadt lag noch in tiefer Ruhe, denn es war Mitternacht, da weckte der Schmied seine Knechte. »Auf, ihr trägen Burschen! Es heißt jetzt arbeiten, nicht schlafen!«

Das war den Gesellen nun durchaus nicht nach Wunsch, doch mußten sie sich fügen. Der Schmied gab acht, daß sie das Feuer in Gang brachten, legte ihnen Arbeit vor und ging darauf wieder in seine Kammer. Er konnte ja oben hören, ob sie brav zuschlugen, und das taten die beiden auch, denn es blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie unterhielten sich auch ein wenig, das konnte ihnen niemand wehren. Da sagte der erste Gesell zu Eulenspiegel:

»Was mag sich der Meister nur dabei denken, daß er uns so früh aus dem Bett holt? Das tat er doch sonst nicht!«

Till antwortete: »Das kann man von ihm selbst am besten erfahren.«

»Ich wage es nicht, ihn danach zu fragen, denn er ist sehr streng und könnte das übelnehmen«, meinte der Geselle.

»Gut, so werde ich ihn fragen«, sagte Eulenspiegel.

Am Morgen kam der Meister, der gut geschlafen hatte, in die Werkstatt. Da sagte Eulenspiegel zu ihm: »Meister, wie kommt es wohl, daß Ihr uns um Mitternacht aus dem Bett holt, wenn andere ihre Gesellen noch ruhig schlafen lassen?«

Trocken erwiderte der Meister: »Es ist so meine Art, die Gesellen in den ersten acht Tagen nur die halbe Nacht im Bett liegen zu lassen. Darein wirst du dich finden müssen, wenn dir an meinem Wohlwollen gelegen ist.«

Eulenspiegel erkannte nun, daß der Schmied log und daß er nur so hart tat, um ihn für seine Narretei mit den Bälgen zu strafen. Doch schwieg er still, bis seine Zeit gekommen war.

Das nächstemal holte der Meister die Gesellen wieder zu Mitternacht aus den Federn und schickte sie in die Schmiede. Eulenspiegel gehorchte zwar, nahm aber sein Bett und band es sich auf Kopf und Rücken. So ging er in die Werkstatt, stellte sich an den Amboß und schlug so fest zu, daß die Funken in das Bett schlugen und die Federn versengten. So fand ihn der Meister, wurde zornig und. rief: »Was ist das für eine Art? Kannst du das Bett nicht liegen lassen, wo es hingehört? Was treibst du für Mutwillen?«

Da erwiderte Eulenspiegel: »Meister, es ist meine Art so, wie Ihr seht. Wenn ich nur die halbe Nacht auf dem Bette liegen darf, so muß das Bett die andere halbe Nacht auf mir liegen.«

Über diese Rede geriet der Meister in Wut und rief: »Du Erzschalk und Bösewicht! Geh mir aus dem Hause, und zwar auf dem kürzesten Weg! Vorher aber bring das Bett dahin, wo du es hergenommen hast!«

»Wie Ihr wollt, Meister«, antwortete Eulenspiegel, nahm das Bett und brachte es in die Gesellenkammer. Danach stieg er unter das Dach, deckte einen Teil davon ab, daß es Ziegel auf die Straße regnete, und stieg durch die Lücke auf das Stalldach; denn das war nach seiner Ansicht ein kürzerer Weg, als wenn er durch die Haustür gegangen wäre. Dann sprang er auf die Straße und suchte das Weite.

Der Schmied hörte und merkte anfangs nichts, als er aber hinter Eulenspiegels List kam und den Schaden besah, den ihm der Schelm angerichtet hatte, griff er nach seinem Spieß, um den Schadenstifter einzuholen und zu züchtigen. Der aber hatte flinkere Beine, lachte ihn aus und verschwand. Da schwor der Schmied, sich nie wieder mit einem Schalk einzulassen, und wenn er ihn mit noch so honigsüßen Worten beschwatzen wollte.

Betrogene Betrüger

Im Osnabrücker Lande war wieder Winter und teure Zeit. Da wurde Eulenspiegel des Herumstreichens müde und sehnte sich nach einem warmen Plätzchen und einem guten Tisch. Er ging daher zu einem Schmied und verdingte sich.

Der Schmied wollte ihn anfangs nicht nehmen. Er sagte, bei ihm gebe es selber jetzt schmale Bissen. Da sagte Eulenspiegel: »Ich bin nichts Feines gewohnt, Meister, bin froh, wenn ich satt werde und das essen kann, was die andern nicht mögen.«

Hab’ ich dich, Eulenspiegel, dachte der hinterlistige Meister; wahrlich, dir soll nach deinen Worten geschehen, gerade so, wie das deine Gewohnheit ist, mit den Leuten umzugehen. Nun wurde Till wieder ein Schmied.

In der Werkstatt war viel zu tun, und die Arbeit wurde dem neuen Knecht sehr sauer, aus zwei Gründen. Einmal arbeitet es sich schlecht mit hungrigem Magen, wenn einer tagelang gefastet hat, und dann — stieß die Küche an die Werkstatt des Meisters. Da stand die Frau mit der Magd, da wurde geklopft, gerührt, gequirlt, gesotten und gebraten, und ein lieblicher Duft verbreitete sich in der ganzen Werkstatt. Der Meister aber plagte Till sehr mit der Arbeit; bald mußte er an die Bälge, bald an den Amboß, bald an den Schraubstock, hier hämmern, dort zuhalten, laufen und scharwerken, alles mit hohlem, knurrendem Magen. Allein Eulenspiegel war frohgemut, denn er dachte: Geduld, mein lieber Magen, bald gibt es eine schmackhafte Brühe mit fetten Brocken darin, vielleicht auch einen gewürzten Brei, wohl gar ein Stücklein Fleisch wie eine Hand groß.

Endlich war das Essen in der Küche fertig und angerichtet, die Meisterin trat in die Tür und bat den Meister zu Tisch. Von Eulenspiegel sagte sie nichts, der mußte weiterarbeiten. Dabei konnte er hören, wie der Mann das Essen lobte, konnte auch merken, daß es ihm vortrefflich schmeckte. Du wirst mir wohl nicht alles wegessen, dachte Eulenspiegel, wenigstens noch einige Knödel übrig lassen. Ach, lieber Meister, hättest du meinen Hunger, so bliebe kein Bissen mehr übrig.

Endlich war der Schmied fertig, wischte sich den Mund und sagte zu dem Gesellen: »Deine Mahlzeit ist draußen angerichtet. Komm mit in den Schweinestall!«

Verwundert folgte Eulenspiegel dem Meister in den Stall; da hatte die Magd dem Borstenvieh Gerstenschrot in den Trog geschüttet, und die Tiere schlampten und matschten in dem Futter.

»Sieh, lieber Knecht«, sagte der Meister, »da ist gutes Essen für dich. Nimm dir dein Teil! Du wolltest ja essen, was die andern nicht mögen. Wünsche gesegnete Mahlzeit!« Dann ging er höhnisch lachend davon.

Da stand nun Till Eulenspiegel, der redliche, brave Knecht, der sein Lebtag nichts anderes getan hatte, als was ihm seine Brotherrn befahlen, stand da wie der verlorene Sohn im Gleichnis und litt Hungerqualen wie dieser.

Die Magd, welche die Worte des Meisters gehört hatte, erbarmte es, so daß sie ihm heimlich ein Stück Brot zusteckte, damit der neue Knecht nicht vor Ermattung umfiele.

Als er nun wieder in die Schmiede kam, gab ihm der Meister Arbeit bis zum Abend, dann gab er ihm auch ein wenig zu essen. Er selbst aß reichlich und legte sich auch zeitig zu Bett. Ehe er aber ging, sagte er zu dem Knecht:

»Steh morgen zeitig auf und schmiede eins fürs andere, was du hast, hau auch Hufnägel ab, bis ich komme. Die Magd soll die Bälge ziehen.«

Nun ging auch Eulenspiegel zur Ruhe. Am andern Morgen stand er früh auf und dachte: Eigentlich hat mir der gute Meister nicht übler mitgespielt als ich so vielen anderen Leuten, doch soll er nicht sagen, daß er Till Eulenspiegel übertrumpft habe.

Er machte ein großes Feuer an und ließ auch die Magd fleißig die Bälge handhaben. Dann nahm er die Zangen des Schmiedes und schweißte die beiden Teile derselben unlöslich zusammen, schweißte je zwei Hämmer auf dieselbe Weise aneinander, machte es ebenso mit Schürhaken und Feuerspieß und verdarb so alles Handwerksgerät. Nun kam die Reihe an die Hufnägel. Da hieb er keine neuen, wie der Meister ihm geheißen, sondern hielt sich nach seiner alten Schalkheit an die Worte des Auftraggebers, schlug den Nägeln die Köpfe ab und legte Köpfe und Stifte auf gesonderte Haufen. Sowie er aber den Meister die Treppe herunterkommen hörte, nahm er rasch seine Siebensachen und entwich durch den hohen Schnee. Als der Meister sah, wie sehr ihn der Schelm genarrt hatte, wurde er fuchswild und wollte ihm an den Kragen.

Die Magd aber sagte: »Gebt Euch keine Mühe, der ist schon auf und davon, hat auch flinkere Beine als Ihr, ist er doch einmal Seiltänzer gewesen. Er hat auch noch etwas an die Tür gemalt und geschrieben, aber ich weiß nicht was.«

Da besah sich der Meister seine Tür von außen, auf die Eulenspiegel eine Eule mit einem Spiegel mit Kohle gemalt hatte. Darunter stand auf lateinisch: Hic fuit. Der Schmied wußte nicht, was das bedeuten solle, rief daher den Pfarrer, der gerade vorüberging, und bat ihn, die Inschrift zu entziffern.

Der sagte: »Nun, das heißt: Hier ist Eulenspiegel gewesen. Ich habe gehört, daß es die Gewohnheit des Schalks ist, sein Wappen überall dort anzumalen, wo er einmal gewesen ist und nicht wieder hinkommen will.

Aber sagt mir doch, lieber Meister, warum habt Ihr mir nicht mitgeteilt, daß Eulenspiegel unter Eurem Dach war?

Der Überall und Nirgendwo,

des Streiche sind so dreist und froh

und landbekannt

im Sachsenland.

Gern hätte ich den Schalk einmal gesehen.«

Der Schmied meinte, daran hätte er nicht gedacht, wäre auch kein Freund von solchen Streichen wie dem, den ihm der Schalk soeben in der Schmiede gespielt habe. Damit zeigte er dem Pfarrer die verwüstete Werkstatt.

Der Pfarrer aber lachte nur dazu und meinte: »Nun habt Ihr ein schönes Andenken an ihn, verehrt mir auch eins. Schenkt mir die Tür mit seinem selbstgemalten Wappen! Ich will Euch eine andere beim Meister Schreiner machen lassen.«

Das war dem Schmied wohl recht, denn er wollte den Spott des fahrenden Gesellen nicht an seiner Tür dulden. Der Pfarrer aber nahm die Tür und verwahrte sie als Andenken. Sie vererbte sich nach seinem Tode und ging von Hand zu Hand, bis sie ein reicher Engländer entdeckte. Der kaufte sie für eine hohe Summe und nahm sie mit in seine Heimat über dem Meere. Wer sie heute noch sehen will, der muß nach Oxford reisen. Da hängt sie unter allerhand ehrwürdigem Gerümpel im Museum der Universität.

Kein Glück bei der Tuchmacherei

Der harte Winter wollte gar kein Ende nehmen, und als Till Eulenspiegel nach Stendal in der Altmark kam, konnte er nicht mehr weiter. Um nicht vor Hunger und Kälte zu sterben, mußte er wohl oder übel einen Meister um Arbeit bitten. Da er bei keinem Schmied ankommen konnte, versuchte er es bei einem Tuchmacher. Er fand einen schüchternen, fleißigen Mann, bei dem er sich erholte. Kaum aber war der Frost aus seinen Gliedern und der hungrige Magen gestillt, so saß ihm wieder der Schalk im Nacken, und er plante übermütige Streiche. Am nächsten Sonntag sagte der Meister zu ihm:

»Lieber Knecht, ich weiß sehr wohl, daß ihr Gesellen gern den Montag feiert und in der Herberge liegt, aber das ist nicht meine Art. Bei mir wird der Sonntag gefeiert, die ganze Woche aber hintereinander tüchtig geschafft.«

»Gerade so bin ich’s gewohnt«, antwortete Till, »und so werde ich’s halten.« Er machte also nicht »blau«, wie die Arbeiter im vierzehnten Jahrhundert zu tun pflegten, sondern schaffte fleißig auch am Montag.

Nun fiel das Fest der Heiligen Drei Könige auf den nächsten Donnerstag. Da zog der Meister seinen besten Rock an und ging mit seiner Frau in die Frühmesse. Kaum war er in der Kirche, so stürzte der Mesner wütend auf ihn zu und schnaubte ihn an:

»Das ist mir eine schöne Frömmigkeit! Setzt sich da heuchlerisch in die Kirche, und daheim bei ihm geht es zu, als ob der Gottseibeiuns sein Wesen treibe.«

Der Meister wußte nicht, wie ihm geschah. Eiligst verließ er die Kirche, um das Unglück zu Hause anzusehen. Da hörte er schon von weitem einen Heidenspektakel. Eulenspiegel hatte Fenster und Türen geöffnet und schlug Wolle wie besessen, daß die Fäden auf die Straße flogen. Dazu sang er laut, wie ein munterer Geselle tut, der gern bei der Arbeit ist, tat auch so, als ob er den eintretenden Meister nicht bemerke, und ließ sich bei seinem Tun nicht stören.

Der aber griff ihn beim Arme und sagte erschrocken: »Gesell, was tust du?«

»Nicht mehr oder minder, wie Ihr mir geheißen habt«, erwiderte Till. »Ihr befahlt mir, die ganze Woche tüchtig zu arbeiten, den Sonntag aber zu feiern. Nun will ich den Schelm sehen, der mich von dem abhält, was meines Amtes ist.«

Darauf erwiderte der Meister: »So war das nicht gemeint, mein guter Gesell. Heute ist ein heiliger Tag, da mußt du gleichfalls feiern, den Lohn will ich dir wohl auszahlen, als ob du gearbeitet hättest.«

»Wenn Ihr meint, Meister«, sagte Eulenspiegel, »so will ich auch diesen Euern Willen tun und faulenzen. Ich hätte aber lieber gearbeitet, denn nichts macht mir mehr Vergnügen.« Das glaubte ihm der Meister, und darauf ward es ruhig im Hause.

Am Abend saßen Meister und Gesell beieinander und erzählten sich etwas. Da sagte der Tuchmacher: »Lieber Knecht, ich sehe, daß du fleißig bist und gerne arbeitest, doch meine ich, du könntest die Wolle ein wenig höher schlagen, um so besser wird sie.«

Das merkte sich Eulenspiegel. Als er am andern Tage aufstand, nahm er sein Gerät aus der Werkstatt und stieg damit auf den Boden, stellte sich auf eine Leiter und schlug Wolle aus Leibeskräften.

Davon wachte der Meister auf, ging ihm nach und rief: »Was zum Teufel machst du da? Ist in der Werkstatt etwa kein Raum zum Arbeiten?«

»Ich tue nach Euern Worten«, antwortete Eulenspiegel, »ich sollte die Wolle doch höher schlagen. Ist es hoch genug, Meister?«

»Warum nicht gar«, sagte der, »auf dem Dache ist es noch höher!« Damit ging er ärgerlich nach unten, glaubte aber, daß der Narr nun in der Werkstatt arbeiten werde. Der aber stieg durch die Ziegel auf das Dach, holte seine Arbeit nach und karbatschte seine Wolle auf diesem luftigen Sitz. Der Meister mußte auf die Gasse gehen, um das Schauspiel genießen zu können.

»Was sind das für Narrheiten«, rief er hinauf, »hat man je gehört, daß ein Tuchmacher auf dem Dache Wolle geschlagen hätte?«

»Unten schlägt sich’s freilich besser«, sagte der Schalk, »aber was kann ich dafür, daß Ihr mir solche seltsamen Aufträge gebt? Ein armer Knecht muß eben seinem Meister zu Willen sein, wenn er leben will.«

»Du willst eben alles anders verstehen, du Erzschalk!« rief der Meister.

»Du bist imstande, mir die Wolle auf dem Kopfe zu schlagen.«

Kaum hatte er das gesagt, da warf Eulenspiegel alle Wolle dem Meister auf den Kopf, daß es stäubte und die Straße voll Wolle lag. »Gleich komme ich hinunter und schlage sie Euch nach Gefallen!« rief er dem Meister zu.

»Nein, mein guter Gesell, räume mir lieber die Werkstatt und lasse dich nicht wieder blicken.«

Sogleich sprang Eulenspiegel in die Werkstatt, warf Bütten und Zuber, Farbfässer, Stühle und Bänke, dazu alles Gerät aus der Werkstatt, um richtig und wörtlich zu räumen, aber der Meister kam mit einem großen Knüppel und wollte ihm zu Leibe.

Da entwich Till behende und sagte: »Es tut mir nur leid, daß ich es Euch nicht recht machen konnte, aber es ist wirklich nicht einfach, Euern Dank zu verdienen.«

Der Faulpelz in den Pelzen

Eulenspiegel wanderte nun nach Aschersleben und suchte auch hier eine Unterkunft. Die fand er bei einem Kürschner, der wegen des strengen Winters viel Arbeit hatte und einen Knecht gut brauchen konnte. Bald saß Eulenspiegel mit dem Meister in der Werkstatt und nähte Pelze, jedoch war ihm der Geruch der Ware sehr zuwider.

Der Kürschner merkte das und lachte ihn aus. »Das ist mir ein rechter Kürschner«, sagte er, »der den Geruch der Schafpelze nicht vertragen kann. Du scheinst noch nicht lange beim Handwerk zu sein, sonst würde dich der Geruch nicht anfechten.«

»Ihr habt recht, Meister«, antwortete er, »ich bin wirklich noch nicht lange dabei.«

»Nun«, meinte der Kürschner, »wenn du erst, sagen wir, vier Nächte bei dem Werk geschlafen hast, dann wirst du dich wohl daran gewöhnt haben.«

»Ich höre, daß ihr mir gestattet, vier Nächte bei dem Werk zu schlafen«, antwortete Eulenspiegel. Da lachte der Meister und ging zur Ruhe, ohne Schlimmes zu vermuten. Till aber nahm nun die zubereiteten, fertigen Felle, die an den Gestellen hingen, nahm auch die nassen, die im Kalk lagen, schleppte alle auf den Boden, warf sie durcheinander und kroch hinein. So schlief er nun bis in den hellen Morgen.

Der Kürschner stand als erster auf und sah nach seinen Vorräten. O Himmel! Die nassen Felle waren aus der Beize verschwunden, und an den Gestellen fehlten die fertigen Pelze. Da schrie der Mann so laut, daß man es auf der Straße hören konnte. »Frau, Frau, wir sind bestohlen! Oh, ich geschlagener Mann, mein ganzes Vermögen ist dahin!«

Nun kamen Frau und Magd auch herbeigelaufen und halfen ihm jammern und wehklagen. Da fiel es dem Meister ein, nach dem neuen Knecht zu suchen. Er rief nach ihm im ganzen Hause und suchte ihn auch auf dem Boden. Dort fand er sein ganzes Vermögen bunt durcheinandergeworfen, so daß ein Stück das andere verderben mußte. Da fing er an, von neuem zu jammern. Endlich hörte er Eulenspiegels Stimme: »Was hat man Euch denn getan, Meister, daß Ihr so herzbewegend klagt? Sagt mir’s, ich bitte Euch!«

Der Mann hörte die Stimme, wußte aber nicht, woher sie kam. Er rief darum: »Knecht, wo bist du?«

Da stand Eulenspiegel mit der unschuldigsten Miene von der Welt auf, und der Meister sah nun, daß der Schlingel zwischen den Fellen gelegen hatte, und konnte sich auch denken, wer das Unheil angerichtet hatte.

»Also du bist es gewesen«, rief er, »der mir die teure Ware von den Gestellen und die nassen Stücke aus der Beize genommen hat, so daß eins mit dem andern verderben muß! Du hast mir großen Schaden getan. Möge dir nimmer Gutes geschehen!«

Auf diese Scheltreden antwortete der unschuldige Till ganz ruhig: »Ihr habt mir doch aufgetragen, vier Nächte bei dem Werk zu schlafen, damit ich mich an den Geruch der Felle gewöhnen kann. Nun seid Ihr ungehalten, weil ich Euch gehorcht habe. Wenn Ihr solche Reden schon nach der ersten Nacht führt, was soll das werden, wenn ich nach Eurem Geheiß vier Nächte bei dem Werk geschlafen habe! Ich will ein Schalk sein, wenn ich das verstehe.«

»Du bist ein Schalk und hast mir die Worte im Munde umgedreht; ich habe dich nicht geheißen, mir die Vorräte zu verderben. Du sollst mir aber deine Schalkheit büßen, denn ich will nicht umsonst genarrt worden sein.«

Mit diesen Worten ergriff der erzürnte Mann einen Knüttel und wollte auf ihn losschlagen. Allein der gewandte Schelm wich ihm aus und gewann die Treppe. Doch war der Meister hart hinter ihm her. Es hätte ihm übel ergehen können, denn vor der Treppe stand die Meisterin samt der Magd, die ihn aufhalten wollten.

Da sprang der Seiltänzer gewandt über das Geländer in den Flur und von da ins Freie. Der Kürschner aber, der ihm in blinder Wut nachsetzte, fiel über Frau und Magd, worauf alle drei übereinanderkugelten. Man weiß in Aschersleben nicht, ob der zornige Kürschner dem Schalk Zeit ließ, sein Wappen an die Tür zu malen.

Nirgends ist Dank zu verdienen

Nach mannigfachen Kreuz- und Querzügen tauchte Eulenspiegel wieder in Berlin auf. Du hast dich an den Geruch der Pelze gewöhnt, dachte er, und kannst es noch einmal bei einem Kürschner versuchen. Da traf er einen sehr kunstfertigen Meister, der sehr vornehme Kundschaft hatte und wohl noch einen Knecht brauchen konnte. Der Kürschner war indes sehr wählerisch, stellte hohe Anforderungen und prüfte den Neuling erst auf seine Fähigkeiten. Ob er das Handwerk auch wohl recht verstehe, fragte er.

»Das will ich meinen«, antwortete Till, »ich habe überall nach den Wünschen meiner Meister gearbeitet.«

Ob er wohl Wölfe machen könne, fragte jener weiter.

»Gerade Wölfe mache ich am liebsten«, erwiderte er. »Dafür bin ich in ganz Sachsen bekannt.«

»Nun, so mach Wölfe«, antwortete der Kürschner, »hier sind die Pelze, Handwerkszeug ist auch vorhanden. Über den Lohn wollen wir schon einig werden.«

»Ja«, antwortete Till scheinheilig, »ich habe Euch als einen rechtschaffenen Meister rühmen hören, der jedem wackeren Knechte seinen gerechten Lohn nicht vorenthält.«

Er wußte es aber besser, denn es war in ganz Berlin bekannt, daß der Kürschner ein Betrüger war, der seinen Arbeitern nicht gab, was ihnen zukam. Doch wollte dieser das nie zugestehen. Die Rede des Knechtes schmeichelte ihm indessen, und er wies ihm seinen Platz in der Werkstatt an.

Eulenspiegel aber sagte: »Wie Ihr ein guter Meister seid, so bin ich auch ein feiner Arbeiter. Ich pflege nicht mit den andern zusammenzusitzen, sondern muß mein Stüblein für mich allein haben, wenn ich etwas Rechtes nach Eurem Willen schaffen soll.«

»Recht so«, sagte der Meister, »ich habe noch eine Stube, die magst du für dich allein behalten.«

Der Meister trug ihm also die Pelze selbst mit in jenes Zimmer, gab ihm Maße mit und hieß ihn fleißig Wölfe machen. Da dachte Eulenspiegel: Es ist doch ein ander Ding, wenn man zur Arbeit richtige Pelze vor sich hat, nicht Leder oder Tuch. Hieraus läßt sich allemal etwas Rechtschaffenes wirken.

Nun fing er an zu arbeiten, zerschnitt die Pelze, gab ihnen die Formen von Wölfen und balgte sie mit Heu aus. Dann machte er ihnen Beine und steckte Hölzer als Stützen darein, so daß es aussah, als ob sie lebten. Danach rief er den Meister: »Herr, die Wölfe sind fertig zugeschnitten! Soll ich sie auch noch nähen?«

»Ja, mein Sohn«, erwiderte der, »näh nur, soviel du kannst.«

Dabei plagte ihn doch die Neugierde zu sehen, was der kunstreiche Geselle wohl fertiggebracht habe. Er ging in das Zimmer und sperrte Mund und Augen auf, denn vor sich erblickte er ein Rudel nachgemachter Wölfe.

»Du Schalk«, rief er endlich, »das nennst du Wolfspelze? Was hast du getan! Mir meine schönen Felle verbunzt zu solchen Gaukeieien! Ich will dich fangen und strafen lassen.«

Eulenspiegel antwortete: »Ist das mein Lohn und Dank, so haben die gelogen, die Euch einen rechtschaffenen Meister nannten, der jedem wackeren Knechte den verdienten Lohn zahlt. Hättet Ihr mir gleich gesagt, daß ich Euch Wolfspelze machen soll, so hätte ich mir mit dieser Arbeit nicht soviel Mühe zu machen brauchen und wäre zeitiger fertig geworden.«

»Such dir als Meister einen Schelm, der zu dir paßt, du Schadenstifter«, rief der erzürnte Mann, »und geh mir schnell aus dem Hause!«

»Ich gehe schon«, sagte Eulenspiegei.

»Schneller!« rief der Kürschner und griff nach einem Knüttel, um ihm Beine zu machen. Aber es war vergebliche Mühe, einem Eulenspiegel eines auszuwischen. Der Kürschner hatte das Nachsehen und fand zu seinem Verdrusse auch noch des Narren Wappen an seiner Tür. Hätte ich früher gewußt, was ich jetzt weiß, dachte der Meister, so wäre ich von dem landbekannten Schalk nicht genarrt worden.

Die Wahrheit wird nicht überall gern gehört

Auch in Sangerhausen in der Goldenen Aue trieb Eulenspiegel sein Wesen und verübte lose Streiche. Er kam in die Herberge »Zur Sonne«, wo er sich auszuruhen gedachte. Es war milde Frühlingszeit, da hatte er es nicht nötig, sich bei einem Meister ein Unterkommen zu verschaffen. In der Herberge war nur die Sonnenwirtin anwesend; sie schielte und hatte rote Haare, dazu war sie sehr neugierig.

»Wie heißt Ihr denn, wetter Gast?« fragte sie.

»Till Eulenspiegel«, antwortete er.

»Und woher seid Ihr gebürtig?«

»Aus Kneitlingen, liebe Frau.«

»Und was seid Ihr für einer?«

»Ich bin ein Handwerker.«

»Da bin ich so klug wie vorher — ich meine, was für einer?«

»Einer, der allen Leuten die Wahrheit sagt.«

»Das höre ich gerne«, sprach sie, »daß einer die Wahrheit sagt. Laufen doch so viele Schälke in die ›Sonne‹, die mit Lügen vollgestopft sind. Versteht Ihr sonst keine Kunst?«

»Nun«, sagte er, »ich kann alte Weiber von ihren roten Haaren erlösen.«

»Und wie tut Ihr das?« fragte sie.

»Das geht ganz leicht mit einem Rasiermesser.«

»Ihr seid ein Schalk, wie ich merke«, sagte sie, »mit Eurer Kunst scheint es nicht weit her zu sein.«

»Schiele, schiele Frau«, sagte er, »könnte ich bei Euch wohl ein Weißmus essen? Ich bin nämlich sehr hungrig.«

»Eine solche Unverschämtheit hat mir aber noch keiner geboten«, antwortete sie zornig. »Erst macht Ihr Euch — das habe ich wohl gemerkt — über meine Haare lustig, und nun werft Ihr mir vor, daß ich schiele, das hat sich doch noch keiner herausgenommen, wenn auch hier manchmal recht rüdes Volk verkehrt.«

»Ei, liebe Frau, wie Ihr doch lügen könnt! « sagte der Schalk. »Ihr sagtet doch, daß Ihr gerne die Wahrheit hört, nun habe ich doch nichts weiter gesagt als die Wahrheit, und Ihr seid so zornig geworden. Nun verstehe ich wohl, daß seit Weitbeginn um der Wahrheit willen so viele brave Männer Pein leiden mußten. Ein jeder ist begierig, die Wahrheit zu erfahren, und hat doch keine Ohren dafür.«

Über solche Schalkheit lachte die Wirtin und bereitete ihm sein Weißmus.

Seltsame Wäsche

Eulenspiegel hatte sich mit der Sonnenwirtin also wieder versöhnt, teilte ihr auch mit, daß er ein Kürschner sei.

»Ich habe in Aschersleben lange bei dem Werk geschlafen«, sagte er, »da gewöhnt sich einer an das Geschäft. In Berlin galt ich als feiner Arbeiter, hatte eine eigene Werkstatt und machte die schönsten Wölfe. Sie reden dort jetzt noch davon.«

Als die Sonnenwirtin solche Reden hörte, konnte sie es nicht lassen, dem fahrenden Gesellen ihren Pelz zu zeigen, denn sie war bei aller Einfalt eitel und hatte im vorigen Winter gegen den Willen ihres Mannes das teure Stück gekauft, um es den vornehmen und adeligen Frauen gleichzutun. Eulenspiegel sollte sein Urteil abgeben. Er sagte listig: »Der Pelz ist ganz schön und preiswert, will ich meinen, aber er müßte einmal gewaschen werden, dann wird er wieder wie neu.«

Das glaubte die törichte Frau und fragte ihn, ob er den Pelz wohl waschen könne.

»Ei freilich«, sagte er, »ich habe schon manchem den Pelz gewaschen.«

Nun lief die Sonnenwirtin zu ihren Freundinnen in der Nachbarschaft und erzählte ihnen, bei ihr sei ein unglaublich geschickter, weitgereister Kürschner eingekehrt, der Pelze waschen und sie dadurch so gut wie neu zu machen verstehe. Die Gevatterinnen, die ebenso eitel und womöglich noch dümmer waren als die schielende Sonnenwirtin, hatten nun nichts Eiligeres zu tun, als aus Laden und Spinden ihre Herrlichkeiten zu holen. Iltis-, Nerz-, Biber- und Fuchspelze, die sie dem Wundermanne in die »Sonne« brachten, damit er sie waschen und wie neu machen sollte.

Das war eine Arbeit nach Eulenspiegels Geschmack. Er begehrte zu dem Werk die drei größten Kessel, die aufzutreiben waren. Darunter entzündete er ein mächtiges Feuer, als ob ein Ochse gebraten werden sollte. Die Frauen standen dabei und betrachteten alles, um das Geschäft für künftige Fälle gründlich zu lernen. Das war ihm unbequem, und er gebot ihnen darum, Milch zu holen, die er für seine Arbeit benötige. Soviel wie möglich!

Da liefen die guten Weiber heim und holten soviel Milch, wie zum Füllen der drei riesigen Kessel nötig war. In die kochende Milch steckte er nun die Pelze, einen nach dem andern, gleichmäßig auf die Kessel verteilt. Als nun die Ahnungslosen mit offenem Munde wieder in der Küche standen, schickte er sie abermals weg, indem er ihnen befahl, aus dem Walde recht zarte Birkenrinde zu holen, und zwar nicht wenig. Dann würde er die Pelze herausnehmen und in klarem, schönem Wasser auswaschen. Dazu brauche er die Birkenrinde.

Die Frauen, die durchaus durch Schaden klug werden wollten, beeilten sich, diesem Wunsch nachzukommen, und jede war nur darauf bedacht, daß keine die andere an Eifer übertreffen sollte. Auch die Kinder gingen mit in den Wald und jubelten: »Ho, ho, wir kriegen schöne, neue Pelze! Wir kriegen neue Pelze!«

Eulenspiegel sah ihnen lachend nach und rief ihnen zu: »Freut euch lieber erst, wenn sie fertig sind!«

Als nun die Frauen fort waren, legte er noch einige Scheite Holz in das Feuer, tauchte die Pelze ordentlich unter und ging davon. Die Frauen beeilten sich sehr, aber als sie mit ihren großen Körben voll schöner Birkenrinde zurückkamen, war der Vogel ausgeflogen. Nun wollte jede ihren Pelz aus der Brühe herausnehmen und sehen, ob er sauber und schön geworden sei. Sie fanden aber zu ihrem Schrecken, daß alles durchweicht und völlig verdorben war. Nun klagten sie ihren Kummer den Ehemännern, diese aber sagten: »Ihr seid für eure Eitelkeit gebührend bestraft worden. Seht euch das Tor der Schenke an, da ist das Wappen desjenigen angemalt, der euch diese verdiente Lehre gegeben hat.«

Falscher Hase

Auch in unseren Tagen können die Köchinnen mit verschiedenen Fleischsorten, Brühen und Zutaten ein Gericht bereiten, das wenigstens in der Form dem Hasenbraten gleichkommt. Till Eulenspiegel hat als erster ein solches Kochrezept erfunden, und das war in Leipzig. Er. war in der Herberge »Zum schwarzen Brett« und ärgerte sich über die Kürschnermeister, von denen ihn keiner aufnehmen wollte, wenn er auch versicherte, daß er lange bei dem Werk geschlafen habe, im Wölfemachen unerreicht sei und in Sangerhausen ein neues Verfahren entdeckt habe, wonach man die Pelze waschen, dadurch neu herstellen und die Frauen damit höchlichst beglücken könne.

Er hätte den ehrbaren Zunftmeistern herzlich gern einen Streich gespielt, wußte aber nicht, wie er sie fassen sollte. Da hörte er, daß die Kürschnergilde ein Fest zu feiern gedachte. Es sollte in Braten und Gose — dem Leipziger Bier — geschlemmt werden. Auch einen Hasenbraten wollten sie sich leisten, wenn es möglich wäre. Darauf baute Eulenspiegel seinen Plan. Er ließ sich vom Koch im »Schwarzen Brett« ein recht großes Hasenfell schenken, fing eine Katze und nähte sie in das Fell hinein, lieh einen Sack und einen Bauernkittel, steckte die Katze in den Sack, sich selbst in den Kittel und stellte sich dreist auf den Markt, um seine kuriose Ware zu verkaufen. Da kam wohl mancher und forschte neugierig nach dem Inhalt des Sackes, doch wartete Till, bis einer von denen kam, die er foppen wollte.

Richtig erschien da ein Kürschner, der zum Festschmaus Einkäufe machen wollte; dem bot Eulenspiegel seinen Hasen an und ließ den Mann in den Sack sehen. Als der Mann diesen unverfälschten Braten erblickte, war er ganz begeistert. Diese herrliche Gelegenheit, sich um das Gemeinwohl verdient zu machen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Er wurde mit dem vermeintlichen Bauern handelseinig und bezahlte ihm für das Tier einen Silbergroschen, für den Sack aber sechs Pfennige, woraus man sehen kann, daß die Hasen zu Eulenspiegels Zeit etwas billiger waren als in unseren Tagen.

Der Kürschner aber zog im Triumph mit seiner Beute davon, erntete auch großes Lob von seinen Freunden, denn jeder konnte ja schon durch den Sack hindurch fühlen, wie fett das Tier war. Die Freude war wirklich allgemein und stieg auf den Gipfel, als ein heller Kopf vorschlug, eine fröhliche Hasenjagd im Hofe des obersten Zunftmeisters zu veranstalten. Und wer liebt nicht das edle Waidwerk! Außerdem war gar nicht zu fürchten, daß Meister Lampe etwa entwischen könnte, denn der Baumhof war durch Mauern nach allen vier Windrichtungen hinlänglich gesichert. Beinahe zum Überfluß hatten die glücklichen Jäger auch einen Jagdhund, so daß nun alle Vorbedingungen erfüllt waren.

Erst wurde der Hase aus seiner Haft befreit und dann mit Hussa der Hund losgelassen. Aber wie groß wurden ihre Augen, als der Hase wie der Wind vor dem Köter auf den Baum entwich und von da ein klägliches »Miau« ertönen ließ!

»Wir sind genasführt«, schrie die ganze ehrbare Zunft, denn das Verbrechen lag nun klar zutage, »und der Schalk, der uns den Streich gespielt hat, der soll uns büßen!«

Sie rannten auf den Markt, um den Bösewicht zu fassen, aber der hatte inzwischen andere Kleider angelegt, und sie konnten ihn nirgends entdecken.

Seit der Zeit werden die Leipziger Kürschner ungehalten, wenn man ihnen nachsagt, daß sie in der Herberge »Zum Schwarzen Brett« oder sonstwo Katzenbraten statt Hasenbraten gegessen hätten. Sie halten das für böse Fopperei.

In Leipzig fühlte sich Eulenspiegel indes auf die Dauer doch nicht sicher, denn die Kürschner, die von allen Seiten wegen der verunglückten Hasenjagd gehänselt wurden, hatten seine Spur gefunden und wollten ihm zu Leibe.

Da wandte er den undankbaren Leuten den Rücken und wählte sich die schöne Stadt Dresden zu neuer segensreicher Wirksamkeit.

Großes Mißverständnis in Dresden

Hier fand er einen Tischlermeister, dem er sich als Geselle verdingte. Einige Tage verdiente er leidlich seinen Tagelohn, dachte auch an keine Schalkheit. Lange hielt er es aber so nicht aus. Es war eine Hochzeit in der Stadt, dazu war der Meister mit seiner Frau eingeladen. Da sagte er zu Till: »Mein lieber Knecht, ich muß zur Hochzeit gehen und werde bei Tag nicht wiederkommen. Arbeite du währenddessen fleißig und bring die vier Bretter dort auf dem Tische auf das genaueste in den Leim.«

Da fragte Eulenspiegel: »Welche Bretter gehören denn zusammen, Meister?«

»Diese vier«, antwortete der Tischler, nahm die Bretter und legte sie aufeinander. Dann ging er zur Hochzeit. Nun wäre Till auch gern einmal auf einer Hochzeit gewesen; da das aber nicht sein konnte, so beschloß er, sich auf seine Weise zu vergnügen.

Stets war er doch der gute Knecht,

tat lieber alles falsch statt recht.

Also kochte er im größten Kessel Leim, nahm dann die schön gemaserten vier Bretter, die für einen Tisch bestimmt waren, legte sie aufeinander, nagelte sie zusammen und steckte sie dann in den Leim, erst am einen Ende, dann am andern, und, froh seines Werkes, nahm er sie und hängte sie zum Dachfenster hinaus, damit sie an der Sonne trocknen sollten. Mit dem Gefühl treuer Pflichterfüllung machte er dann Feierabend.

Am Abend kam der Meister fröhlich nach Hause und sagte zu Eulenspiegel: »Gesell, hast du nach meinen Worten gearbeitet?«

»Gewiß, Meister«, antwortete Eulenspiegel, »ich habe die vier Bretter auf das genaueste in den Leim gebracht und zum Trocknen aufgehängt.«

Der Meister freute sich über diesen Gehorsam und sagte heimlich zu seiner Frau: »Einen solch guten Knecht kriegt man nicht alle Tage, den müssen wir uns warmhalten.«

Da meinte die Frau: »Ich will ihm morgen eine schöne Milchsuppe kochen und zu Mittag einen gewürzten Mehlbrei, dazu ein Stück Braten. Wir haben ja heute auch schön gegessen und getrunken.«

»Tu das«, sagte der Meister und ging zu Bett.

Am andern Tage, als der Mann ausgeschlafen hatte, ging er zu dem Gesellen und begehrte seine Arbeit zu sehen.

Da lief Till Eulenspiegel pflichteifrig auf den Hausboden, um die vernagelten und verleimten Bretter herbeizuschleppen.

»Was ist das?« rief da der Meister erstaunt und sehr unliebsam überrascht. »Knecht, du willst ein Tischler sein und bringst solche Narretei zuwege? Ich denke, du bringst die fertige Tischplatte!«

»Was Ihr denkt, das weiß ich nicht«, antwortete der Schalk, »wie kann einer des andern Gedanken erraten! Aber was Ihr mir gesagt habt, das weiß ich.«

»Wo hast du denn das Handwerk erlernt?« fragte zornig der Meister.

»Ich weiß nicht, was Ihr wollt«, erwiderte Till. »Warum fragt Ihr danach?«

»Warum ich danach frage? Nun, weil du mir meine schönen Bretter ruiniert hast, deshalb frage ich. Und jetzt geh mir aus den Augen und meid mit Werkstelle und Haus, denn einen solchen Schalksnarren, wie du bist, mag ich nicht mehr unter meinem Dach haben.«

Also schied der fromme Eulenspiegel von Dresden und verdiente sich auch keinen Dank, obschon er nichts anderes getan, als was man ihm aufgetragen hatte.

Er zeigt seine Fertigkeit im Lederbereiten

Das Heimweh zog den braven Till Eulenspiegel aus dem Meißner Land doch wieder nach seinem lieben Braunschweig. Da ging er zu einem Gerber und half tüchtig mit, das Leder für die Schuhmacher zu bereiten. Es war ein kalter Winter, eine Zeit, in der vielen die Lust zu Narrenstreichen, vergeht, darum hielt sich auch Till eine Woche lang kreuzbrav, und das wollte bei ihm viel heißen. Überdies saß ihm der Meister den ganzen Tag auf den Hacken, so daß der lose Vogel keine Büberei ausführen konnte, wenn er auch gewollt hätte. Alles ging also schön und gut.

Nun hielt der Meister jede Woche ein Gelage mit seinen Berufsgenossen ab und fehlte dabei nie. So sagte er eines Tages zu Eulenspiegel: »Knecht, ich geh’ ein paar Stündchen in die Stadt, mach du den Zuber voll Leder gar.«

Da antwortete Eulenspiegel: »Woher soll ich denn das Holz dazu nehmen?«

»Welche Frage!« erwiderte der Meister stolz. »Wenn ich nicht Holz genug auf dem Boden hätte, so würde ich Stühle und Bänke nehmen, damit ich das Leder gar bekäme.«

Der Meister ging, Eulenspiegel aber dachte:

Wenn die Katz aus dem Haus, dann freut sich die Maus;

ist der Herr zum Gelag, hat der Narr seinen Tag.

Geschwind legte er eine Haut nach der andern in den Kessel und sott das Leder, daß es so mürbe wurde, daß man es zwischen den Fingern hätte verreiben können. Hierauf schlug er Tische, Stühle und Bänke im ganzen Hause kurz und klein und kochte die Häute damit vollends gar. Darauf nahm er sie aus dem Kessel, legte sie auf einen Haufen und verließ Haus und Stadt.

Armer Meister! Er ahnte nichts Böses, als er spät vom Gelage heimkam. Aber sein Rausch verging gar schnell, als er die Verwüstung sah. Mit kläglicher Stimme rief er seine Frau, die längst zu Bett gegangen war, und sagte ihr: »O weh, Frau! Hätte ich doch keinen Fuß aus dem Hause gesetzt! Das Leder ist völlig verdorben, Stühle, Tische und Bänke sind im ganzen Haus zerschlagen.«

»Wer hat das getan«, rief die Frau erschrocken, »doch nicht der neue Knecht?«

»Wer sonst?« jammerte er. »Und nun weiß ich auch, wer er gewesen ist. Das war Till Eulenspiegel, der hier zu Ostern Eulen und Meerkatzen gebacken hat; der nimmt alles wörtlich, was man ihm sagt.«

»Du mußt ihm nachlaufen«, sagte die Frau, »er muß den Schaden ersetzen.«

»Nein«, sagte der Gerber, »den lasse ich lieber laufen, der ist zu boshaft und bringt kein Glück ins Haus.«

So ließ auch hier Eulenspiegel keinen guten Ruf zurück und hatte doch nur getan, was ihm befohlen worden war.

Lustige Streiche in Hamburg

Nach so vielen losen Streichen, die T111 Eulenspiegel lm Sachsenlande verübt hatte, hielt er es fur das beste, sich aus der Gegend zu entfernen. So kam er nach der ehrwürdigen Hansestadt Hamburg. Da gefiel es ihm sehr gut, und er nahm sich vor, seiner Schalkheit wieder die Zügel schießen zu lassen. Wie er nun so auf dem Hopfenmarkt umherschlenderte, traf er einen, dem man schon von weitem sein Geschäft ansah und anroch, es war nämlich ein Barbier.

»Woher kommst du?« redete ihn der Barbier an.

»Aus dem Lande Braunschweig«, erwiderte Till.

»Und was hast du dort angefangen?«

»Ich habe es allen Leuten recht gemacht.«

»Was für ein Gewerbe hast du?«

»Ich bin ein Bartscherer«, sagte Eulenspiegel ohne viel Besinnen.

Der Barbier dachte: Ich brauche gerade einen Gehilfen, ich will den Burschen mieten.

Er machte ihm also seinen Vorschlag, Eulenspiegel nahm an, und sie einigten sich über den Lohn. Dann sagte der Barbier: »Dort drüben ist mein Haus, wo die hohen Fenster sind, da mußt du hineingehen, ich werde gleich nachkommen.«

Eulenspiegel fand das Haus mit den hohen Fenstern, die zu ebener Erde lagen, sogleich und ging ohne Zaudern durch ein solches Fenster, daß die zerbrochenen Scheiben nur so in die Stube flogen. Da saß die Meisterin und spann. Vor Schrecken ließ sie die Spindel fallen, als Eulenspiegel so durch das Fenster einbrach.

»Gott grüße das ehrbare Handwerk!« sagte Till freundlich.

Die Meisterin aber rief erzürnt: »Plagt dich denn der Teufel, durch das Fenster hereinzukommen? Ist das eine Art? Als ob das Tor nicht breit genug wäre!«

Eulenspiegel antwortete sanft: »Seid nicht unwirsch, gute Frau Meisterin, Euer Hauswirt, der mich soeben als Knecht gedingt hat, befahl mir, so in sein Haus zu kommen.«

»Das ist mir ein schöner Knecht, der seinem Herrn die Fenster verdirbt«, antwortete sie.

Unter solchen Reden kam auch der Meister an, sah den Unfug und sprach: »Was soll das heißen? Konntest du nicht zur Tür hereinkommen? Wie kommst du dazu, mir mein Fenster zu zerbrechen?«

Da antwortete Till Eulenspiegel: »Lieber Meister, Ihr hießt mich doch da hineingehen, wo die hohen Fenster sind, Ihr wolltet bald nachkommen. Nun habe ich treulich nach Euren Worten gehandelt, Ihr aber hab Euer Versprechen nicht gehalten.«

Der Meister wußte hierauf nichts zu erwidern. Im Grunde freute ihn der Witz, denn er war, wie alle Hamburger, kein Feind fröhlicher Laune. Dann aber dachte er: Das Fenster will ich wohl wieder machen lassen, aber ich ziehe es ihm am Lohn nach und nach ab. Ich müßte doch kein Hamburger Barbier sein, wenn ich mich von einem Braunschweiger Schalk überlisten lassen wollte. Also sagte er weiter nichts dazu, verbot auch seiner Frau das Schelten. Der Geselle mußte arbeiten, und das zerbrochene Fenster wurde ausgebessert.

An einem Tage sagte der Meister nun zu seinem Knecht: »Schleif mir diese Barbiermesser!«

»Wie soll ich sie schleifen?« fragte der gehorsame Knecht.

»Schleif sie glatt auf dem Rücken, gleich der Schneide.«

O armer Meister! Du weißt nicht, wem du diesen zweideutigen Auftrag gegeben hast, sonst würdest du ihm nicht vertrauensselig den Rücken gewandt haben. Eulenspiegel schleift, daß die Funken stieben, schleift und schleift, daß die Schneide mit jeder Umdrehung des Rades dem Rücken ähnlicher wird. Bald ist er fertig und hat in kurzer Zeit ein halbes Dutzend schöne Solinger Klingen völlig verdorben. O Meister, Meister!

Den Meister führt sein guter Engel noch rechtzeitig her, um die Zerstörung des andern halben Dutzends Messer zu verhindern. »Caramba!« schimpfte der Barbier auf spanisch, da ihm augenblicklich keine deutschen Verwünschungen zur Hand waren. »Caramba! — Was treibst du Schelm da?«

»Ich —?« erwiderte Till im Gefühle gekränkter Unschuld, »ich tue nach Euern Befehlen. Ihr hießt mich doch …«

»Ich hieß, ich hieß! « antwortete der wütende Meister. »Ich heiße dich jetzt etwas anderes! Du bist ein unverbesserlicher Schalk, geh dahin, wo du hergekommen bist!«

Sogleich stand Eulenspiegel auf, ging in die Stube des Meisters und brach wieder durch dasselbe Fenster, durch das er gekommen war. Diesmal flogen die Scherben auf den Hopfenmarkt.

Der Meister aber, der sich weniger darüber ärgerte, daß der Schalk ihm an den Fenstern und Messern Schaden zugefügt, als darüber, daß er ihn in der Schalkheit übertroffen hatte, rief laut nach dem Büttel und schrie Till nach, er solle ihm seine Fenster und die Messer bezahlen. Vergebliche Mühe! Eulenspiegel war flinker als Bartscherer und Büttel, gewann ein Schiff und schied auf Nimmerwiedersehen.

An ihm ist Hopfen und Malz verloren

Jedermann weiß, daß in Einbeck ein gutes Bier gebraut wird, Eulenspiegel wußte das auch. Er ergriff also seinen Wanderstab und machte sich auf den Weg nach Einbeck. Dort gab er sich für einen Brauerknecht aus und ging in eine Brauerei, um hier Arbeit zu suchen. Auf dem Hof kam ihm ein zottiger Köter mit wütendem Gebell entgegen. Eulenspiegel wollte ihn mit seinem Stock abwehren, aber das wütende Tier biß ihn derb ins Bein und zerriß ihm die Hose. Da nun die Bestie nicht von ihm abließ, rief er den Hausherrn zu Hilfe. Der wollte sich ausschütten vor Lachen, lobte den Rüden und sagte zu dem fahrenden Gesellen: »Der kennt seine Leute! Kommen ordentliche Herren in meinen Hof, so wedelt er mit dem Schweif, aber das Pack fährt schlecht bei ihm, dem zerreißt er die Hosen. Hopf, komm hierher!«

Der Hund, der Hopf hieß, kam nun endlich und ließ den Gesellen los. Der kühlte sein Bein am Brunnen, sagte aber weiter nichts dazu. Die beiden Männer kamen bald in ein Gespräch, das damit endete, daß der Brauer Eulenspiegel als Knecht dingte. Nun war Eulenspiegel ein Brauergeselle.

Nach einigen Tagen war der Brauer mit seiner Frau zu einer Hochzeit eingeladen und befahl vor seinem Weggehen dem Knecht, Bier zu brauen. Die Magd würde ihm dabei behilflich sein, die verstünde die Sache.

»Vor allem«, sagte er, »mußt du großen Fleiß darauf verwenden, den Hopfen ordentlich zu sieden, sonst schmeckt der Sud nicht kräftig, und keiner will ihn kaufen und trinken.«

Da versprach Eulenspiegel, sein Bestes zu tun, auch den Hopfen ordentlich zu sieden. Nun ging die Arbeit an, wobei die Magd die nötigen Anweisungen gab. Endlich aber sagte sie: »Lieber Knecht, ich möchte doch ein Stündchen gehen und mir ganz heimlich den Tanz auf der Hochzeit ansehen; ich meine, den Hopfen könntest du auch selber sieden.«

»Ei freilich, liebe Jungfer«, antwortete er, »geh nur hin und sieh dich satt, ich will es schon recht machen.«

Nun hatte Eulenspiegel das Reich allein. »jetzt will ich schön sieden«, sagte er, ergriff den Hund, schlug ihn tot und warf ihn in den Braukessel. Dann machte er ein so mächtiges Feuer, daß Haar, Haut und Fleisch von dem Tier abfielen und das Gerippe sichtbar wurde.

Bald kam die Magd wieder und sagte: »Lieber Bruder, dem Hopfen ist nun genug geschehen, schlag ab!« Da wurde der Seihkorb vorgehängt und von dem Sud ein Hafen voll nach dem andern in den Braukessel geschüttet. Der Magd kam aber die Sache sehr merkwürdig vor, denn der Abguß war sehr dünn und roch verdächtig. Sie fragte daher: »Lieber Bruder, hast du auch wirklich den Hopfen in den Kessel getan? Ich merke nichts davon.«

Da antwortete der Schalk: »Sieh nur hinein in den Kessel, liebe Jungfer, so wirst du den Hopfen schon sehen.«

Diese Mühe machte sich die Magd, sah hinein und erblickte zu ihrem Schrecken das Gerippe.

»Lieber Knecht, was hast du da getan?« fragte sie.

»Je nun, ich habe den Hopfen gesotten, wie mir geheißen ward«, antwortete er einfältig. Indessen kam der Meister heim. Er hatte viel getrunken und war guter Dinge.

»Tralala, Kinder, seid ihr auch lustig?« rief er in die Braustube hinein.

»Ach, da ist ein Unglück geschehen, Meister«, sagte die Magd. »Der neue Knecht sollte Hopfen sieden, derweil ich ein wenig ging, um den Tanz zu sehen, und da hat er den Hopf, unsern Hund, in den Kessel geworfen und gesotten. Solches Bier kann doch kein Mensch trinken!«

Wenn der Meister nüchtern gewesen wäre, so hätte es nun wohl etwas gesetzt, denn der Sud war doch offenbar verdorben, so aber in seinem Rausch sagte er bloß: »Heidi, das ist ein guter Spaß, darüber müssen wir morgen abrechnen; aber jetzt, Kinder, muß ich zu Bett gehen.«

Till Eulenspiegel aber wartete den Morgen und das Donnerwetter nicht ab, sondern machte sich aus dem Staube. Er hatte wieder einmal den Leuten den Willen getan und doch nichts recht gemacht.

Er kann nicht nur für einen Bauern, sondern auch für einen Junker kochen

In Hildesheim wohnte ein reicher, wohlbegüterter Kaufmann, der aß gut, trank gut, machte gute Geschäfte, zahlte gut und war auch sonst ein guter Mensch.

Vor der Stadt hatte er einen schönen Kohlgarten. Darin zog er allerhand feines Gemüse, Salat und Kräuter, die zu seinen Mahlzeiten Verwendung fanden. Häufig genug hatte er Gäste, und die kamen zu dem Junker eben darum, weil er eine gute Küche führte. Gutes Essen und Trinken war seine Hauptsorge, und manchmal dachte er an nichts anderes.

Eines Tages ging der Junker also wieder aus der Stadt, um im Garten nach seinem Kohl zu sehen. Da sah er einen Menschen an der Landstraße liegen, den er teilnehmend fragte, wer er sei. Eulenspiegel kannte den guten Mann bereits und antwortete, er sei ein Küchenbursche und habe gegenwärtig keinen Dienst.

»Ei, ei«, sagte der Junker, »das ist ja mein Fall, ich brauche nämlich dringend einen Küchenburschen. Die Stuben müßte er auch mitheizen. Meinetwegen nicht, aber wegen meiner Frau, der schmeckt nämlich das Essen nie, man kann es ihr gar nicht recht machen. Sie ist aber sonst eine gute Frau und hält auch das Gesinde nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, sie haben es gut bei ihr, sehr gut. Also, wenn du — aber wie heißt du denn eigentlich, Bruder Küchenbursch?«

»Bartholomäus!« antwortete Eulenspiegel.

»Ei, ei, das ist ein langer Name, den will ich lieber abkürzen und dich bloß Toll nennen. Also mein lieber Toll, wenn du recht brav bist — und du siehst ja danach aus —, dann will ich dich bei mir anstellen als Küchenbursche und Stubenheizer, will dir ein neues Wams geben und auch einen guten Sold, und überhaupt sollst du es gut bei mir haben.«

Da antwortete Toll: »Werter Junker, ich bin wohl zufrieden damit.«

»Das dachte ich mir«, sagte der gütige Kaufmann und fuhr fort: »Nun komm mit mir in meinen Garten, wir wollen gleich ernstlich ans Werk gehen. Nächsten Sonntag bekomm’ ich Besuch, werte Freunde, auch der Pfarrer Heinrich Hamenstede ist darunter. Denen muß ich etwas Gutes zu essen vorsetzen. Was meinst du wohl, mein lieber Toll, was wir da auftischen könnten?«

»Nun, ich meine, gebackene Hühner«, sagte Till aufs Geratewohl.

»Richtig, richtig, mein lieber Toll«, erwiderte der Feinschmecker eifrig, »du sprichst, wie ein gelernter Koch reden muß, Hühner müssen auf welsche Manier zubereitet werden, ich meine, schön mit Rosmarin oder mit Zwiebeln, Lauch und Kresse gefüllt. Eier gehören aber auch dazu.«

»Das will ich meinen«, antwortete Toll, »auch Endivien, Gurken und Sauerampfer.«

»Ei, ei«, unterbrach ihn der Meister, »ich merke, du verstehst das Geschäft. Hier sind wir an meinem Garten, nimm dir, soviel du brauchst, aber die besten Blätter.«

Das tat Eulenspiegel, und der Junker half tüchtig mit, denn die Sache war ihm wichtig. Beide gingen dann zur Stadt zurück in des Junkers Haus.

Die Frau des Kaufmanns machte große Augen, als ihr Mann mit dem Landfahrer ankam. »Was soll der im Haus?« fragte sie, denn sie traute dem Fremden nicht. Es waren ja auch schon viele Geschichten von einem gewissen Till Eulenspiegel im Umlauf, die davor warnten, den ersten besten von der Straße weg in das Haus aufzunehmen, denn in ganz Sachsen waren dadurch die ehrbarsten Leute schändlich geprellt worden. Die Frau des Junkers hatte von solchen Bübereien genug vernommen und sah nun in jedem unbekannten Reisenden einen Till Eulenspiegel.

Also war sie auch gegen den redlichen Bartholomäus eingenommen und sagte weiter zu ihrem Eheherrn: »Bist du vielleicht besorgt, daß unser Brot schimmelig werden könnte, weil du solch einen Mitesser in das Haus führst? Ich dachte, wir hätten Besucher und Kostgänger genug.«

»Ei, ei, Frau«, erwiderte der gute Mann, »du kennst den Mann noch nicht, der soll dir etwas Gutes kochen, denn er hat das Geschäft gründlich gelernt.«

»Der sieht mir gerade danach aus«, sagte die ungläubige Frau.

»Nun, du wirst sehen«, meinte er und rief darauf: »Toll!«

»Junker!« antwortete Eulenspiegel.

»Nimm den Sack und geh mit nach der Fleischbank, wir wollen Einkäufe machen.«

Eulenspiegel nahm den Sack und folgte seinem Herrn an die Fleischbank. Da war der Junker gern gesehen, denn er kaufte viel, mäkelte wohl ein wenig an der Ware, aber nie am Preis. Diesmal erstand er acht Pfund Rindfleisch, dazu einen zehnpfündigen Braten, der sollte der Mittelpunkt der Tafelrunde für den kommenden Sonntag werden. Die Hühner waren nun schon zurechtgemacht und konnten, wenn sie aufgewärmt wurden, serviert werden; über die Fleischspeisen aber gab der vorsichtige Junker dem Koch genauere Anweisung.

»Mein lieber Toll, du mußt zeitig aufstehen, damit das Rindfleisch wohl gesotten wird, aber den Braten mußt du recht sorgsam behandeln. Leg ihn zeitig ein und laßihn kühl und langsam braten, damit er nicht verbrennt.«

Nach solch eindringlicher Belehrung glaubte der wackere Junker genug für das Wohl seiner werten Gäste gesorgt zu haben, überließ darum dem treuen Toll leichten Herzens die Ausführung und ging mit seiner Frau in die Kirche.

Eulenspiegel kochte nun nach Herzenslust Kraut, Fleisch und Hühner, aber den Braten steckte er an den Spieß und trug ihn in den Keller; dort legte er ihn recht kühl zwischen zwei Fässer Einbecker Bier, damit er nicht verbrennen könne.

Zur festgesetzten Stunde kamen die Gäste in des Junkers Haus, der gelehrte Stadtschreiber, der lustige Pfarrer Heinrich Hamenstede und einige Kaufleute aus Hildesheim, alles ehrbare Leute und Freunde eines guten Mahls. Die Magd trug auf, und sie ließen es sich wohl schmecken, lobten die Speisen und den guten Gastgeber. Da rief dieser in die Küche hinein: »Ei, ei, mein lieber Toll, wo ist denn aber die Hauptsache, der Braten?«

»Der liegt im Keller.«

»Ist er denn bereit? Meine Gäste haben Hunger.«

»Bereit ist er nicht, ich wußte ja auch nicht, wann Ihr ihn essen wolltet. Ihr sagtet mir, ich sollte ihn kühl halten, darum habe ich ihn im Keller zwischen zwei Fässer Bier gelegt, ich denke, da liegt er kühl genug.«

Dem Junker war diese Kochweise ganz neu, und er machte große Augen.

Aber der lustige Pfarrer Heinrich Hamenstede war dem Wirt nachgeschlichen, hörte die Unterhaltung und brach in ein ungeheures Gelächter aus, in das die übrigen Gäste miteinstimmten, sobald sie die Sache erfahren hatten. Heinrich Hamenstede wurde durch den Schwank und durch das Einbecker Bier so erregt, daß er Verse machte:

Wer weiß, was unsre gute Stadt

dem Fremden gibt zu raten?

Da macht man in dem Kellcrloch

zum Gastnmhl einen Braten.

Man brät ihn kühl

auf dem Gestühl,

zwei Fässer Bier sind auch dabei, O Hildesheimer Kocherei!

Der Junker nahm dem neuen Koch den Witz also nicht sehr übel. Als die Gäste endlich gegangen waren, kam Eulenspiegel diensteifrig heran und sagte: »Junker, der Braten ist fertig, soll ich ihn anrichten?«

Da wurde der Kaufmann zornig und sagte: »Die Mahlzeit ist zu Ende, was nützt mir nun dein Braten? Es ist mir gleich, ob er geraten ist oder nicht. Du magst ihn meinetwegen selber essen.«

»Ganz wie Ihr befehlt, Junker«, erwiderte vergnügt Eulenspiegel und machte sich sogleich an die Arbeit.

Aber die Frau des Junkers sagte zu ihrem Eheberrn: »Du willst immer alles besser wissen. Nun hast du dir den Toll aufgeladen und siehst selbst, daß er ein Schalk ist. Ich habe nicht eher Ruhe, als bis der Schelm aus dem Hause ist.«

»Habe Geduld«, antwortete er, »ich brauche ihn noch; wenn es Zeit ist, will ich ihm schon das Haus verbieten.«

Die erzürnte Frau ließ sich aber durch solche Worte kaum beruhigen.

Eine tolle Fahrt

Einige Tage nach dieser Geschichte sagte der Junker zu seinem Knecht: »Toll, du mußt mich nach Goslar fahren. Der Pfarrer Heinrich Hamenstede will auch mit. Darum setz den Wagen instand und schmier ihn tüchtig.«

»Womit soll ich ihn schmieren?« fragte der Schalk.

»Mit Wagenschmiere, Toll«, antwortete er. »Hier hast du einen Schilling, kauf davon, soviel du erhalten kannst, laß dir auch nicht zu wenig altes Fett daruntermischen.«

»Ich will es genau tun, wie Ihr gesagt habt«, sagte Eulenspiegel, und sein Herr verließ sich darauf. Till ging an die Arbeit. Schmiere hatte er genug, damit schmierte er den ganzen Wagen, innen und außen, besonders an den Sitzen. In der Frühe des nächsten Tages stiegen die beiden Herren auf. Eulenspiegel nahm Zügel und Peitsche, und fort ging es nach Goslar. Die Herren vertrieben sich die Zeit mit guten Gesprächen, bis auf einmal der lustige Pfarrer sagte: »Zum Kuckuck, wie fettig ist das hier! Halt, Kutscher!« Nun hielt Eulenspiegel, und die beiden sahen jetzt am hellen Tage, daß der ganze Wagen wie Speck glänzte und dick mit übelriechender Wagenschmiere bedeckt war. Da wurde der sonst so friedfertige Junker ernstlich böse und rief: »Toll, du Schelm, was hast du mit dem Wagen angefangen?«

»Ich habe ihn geschmiert, wie Ihr mich geheißen habt«, antwortete er.

»Du bist ein Schalksnarr!« rief der Kaufmann. »Fahr an den lichten Galgen!«

Sogleich nahm Eulenspiegel wieder kräftig die Zügel in die Hand und fuhr darauflos. Unterwegs ließen sie ihn indes wieder halten, denn ein Bauer kam ihnen mit einer Fuhre Stroh entgegen. Dem kaufte der Junker einige Bund ab, und die beiden Herren reinigten damit ihre Sitze von der Wagenschmiere. Nun ging die Fahrt weiter, bis sie an einen Galgen kamen. Da hielt Eulenspiegel an und spannte die Pferde aus. Die Herren, die vorher ein wenig eingenickt waren, sahen sich nun auf einmal unter dem Rabenstein.

»Ei, du gottvergessener Schalk«, rief der Junker, »was sollten wir hier! Ist das eine Art, deinen Herrn an den Galgen zu bringen? Fahr zu und sieh nicht hinter dich!«

Diesem Auftrag kam Eulenspiegel gewissenhaft nach. Er spannte die Pferde wieder ein, löste aber heimlich den Pflock, durch den der Vorderwagen mit dem Hintergestell verbunden war. Nicht lange fuhren sie, da ging das Fuhrwerk auseinander, das Hinterteil mit den beiden Reisenden blieb stehen, Eulenspiegel aber jagte mit dem Vorderstück und den Pferden fröhlich davon, ohne sich umzusehen. Es blieb den beiden nichts weiter übrig, als dem Schalk den Weg abzuschneiden und ihn zur Umkehr zu veranlassen.

Sie wollten ihn prügeln, doch brauchten sie seine Dienste bis Goslar und zurück. So ließen sie ihm seine Schalkheit noch einmal durchgehen.

Eulenspiegel ist in einer unglücklichen Stunde geboren

Der Junker kam von Goslar wohl gesund, aber in übler Stimmung zurück.

»Toll«, sagte er zu seinem Knecht, »wir sind Freunde gewesen. Iß und trink dich satt, geh dann auch noch einmal zur Ruhe, aber morgen mußt du das Haus räumen.«

Diese Rede hörte die Frau und sagte: »Du scheinst nicht bequem gefahren zu sein. Hat dir der Knecht etwa einen Streich gespielt?«

»Nicht einen, sondern mehrere«, erwiderte er, »den Wagen hat er boshafterweise von unten bis oben geschmiert, zum Rabenstein hat er uns gefahren, mit den Pferden ist er durchgegqngen, umgeworfen hat er den Wagen dreimal, bald wären wir in die Innerste gefallen, sonst ist nichts weiter vorgekommen.«

»Ich habe doch immer recht«, sagte die Frau.

Am andern Morgen sah der Junker den Gesellen zornig an und sagte zu ihm: »Trink und iß, soviel du magst, Kumpan, aber wenn ich wieder aus der Kirche komme, mußt du das Haus geräumt haben, denn einen solchen Schelm, wie du bist, mag ich nicht mehr im Hause dulden. Der Herr Pfarrer hat’s auch gesagt.«

Nach dieser Strafrede ging der gute Mann in das Gotteshaus. Eulenspiegel hatte sein Urteil zerknirscht angehört, dann aber ging er daran, den letzten Willen des gütigen Herrn auszuführen. Zunächst wollte er sich recht satt essen, fand aber nur Brot vor, denn die sparsame Wirtin hatte die Speisekammer zugeschlossen und den Schlüssel eingesteckt. Ohne Besinnen brach er das Schloß auf und tat sich gütlich an Gebratenem, Gesottenem und Gebackenem, bis er nicht mehr konnte. Dann fing er an, alles, was er im Haus fand, Betten, Truhen, Bänke, Schreine, dazu alle Vorräte aus Keller und Speicher auf die Straße zu tragen, obwohl es regnete, was vom Himmel herunter wollte.

Die Nachbarn aber wunderten sich sehr darüber, was wohl der Junker vorhaben möge, daß er seinen Hausrat vor die Tür setzen ließe. Einem kam das nicht geheuer vor, er lief in die Kirche und zeigte es dem Besitzer an. Der eilte heim und sah das Unheil.

»Du meine Güte«, rief er, »habe ich dich das geheißen? Solltest du nicht längst über alle Berge sein, nachdem du dich sattgegessen hattest?«

»Aber Junker«, rief Eulenspiegel, »wie könnt Ihr mir nur so zürnen! Ich habe doch nur nach Euren Worten gearbeitet. Seid so gut und helft mir, den schweren Schrank auf die Gasse zu tragen, denn ich vermag es nicht allein.«

»Du sollst mir mein Gut nicht auf die Gasse tragen, Erzschelm, der du bist!« rief der Junker. »Du sollst sogleich machen, daß du fortkommst, dich auch nicht wieder sehen lassen, oder ich will dem Büttel Bescheid sagen.«

Da sagte der Schalk: »Ich bin wohl in einer unglücklichen Stunde geboren. Ich tue alles, was mich die Leute heißen, und mache es keinem nach Wunsch. Lebt wohl, Junker, ich bin Till Eulenspiegel.«

Da erschrak der Kaufmann und trug sein Gerät stillschweigend wieder in das Haus, während die Nachbarn herzlich lachten.

Gefährliche Bauspekulation

In Hersfeld sollte einmal eine Brücke über einen Weg gebaut werden, eine wahre Teufelsbrücke, die von einem Berg zum andern reichen sollte. An diesem Werk hatten sich schon viele Maurermeister versucht, waren auch damit fertig geworden, aber kaum war das Gerüst abgenommen, als das Bauwerk mit Krachen in die Tiefe stürzte. Die ungeschickten Meister wurden bestraft, prophezeiten aber, daß es keinem andern gelingen werde, den Bau zu einem guten Ende zu führen, wenn nicht nach alter Väter Sitte ein Kind eingemauert würde. Da beschloß der Rat, auf den Bau der Brücke zu verzichten.

Wohlgemut meldete sich Till Eulenspiegel eines Tages in Hersfeld, gab sich als italienischer Baumeister aus und erbot sich, die Brücke herzustellen, wenn ihm hundert Gulden sogleich, hundert andere nach Abnahme des Werkes gegeben würden. Darauf antwortete ihm der Bürgermeister: »Lieber Meister, es sind wohl so manche gekommen, die den Bogen recht zu ziehen meinten, wenn wir aber das Gerüst abnahmen, dann stürzte das Gebäude zusammen. Nun wollen es einige mit der schwarzen Kunst versuchen, doch mögen wir diese Schande nicht auf uns laden.«

»Habt keine Sorge, werte Herren«, antwortete der Schalk, »ich gedenke die Brücke so dauerhaft zu machen, daß sie bis in alle Ewigkeit halten soll, und will keineswegs die schwarze Kunst dazu verwenden, die eine rechte Sünde und Schande für einen guten Christenmenschen ist. Wenn das Gerüst abgenommen wird, will ich mich getrost unter den Bogen stellen, und stürzt er zusammen, so soll er mich erschlagen und begraben.«

Bei solchen kühnen und zuversichtlichen Worten horchte der gesamte Rat hoch auf. Eine Beratung ward abgehalten, und dem kenntnisreichen Meister wurde das Werk übertragen.

Er bekam auch seine hundert Gulden, aber insgeheim erhielten Stadtknechte und Scharwächter den Auftrag, den Fremden auf Schritt und Tritt zu bewachen, ihn auch abends nicht aus den Toren zu lassen, denn der Rat wollte doch sein Geld nicht wieder nutzlos verschwendet haben.

Das merkte Eulenspiegel sehr bald, doch ließ er sich dadurch nicht beirren, stellte Maurer und Handlanger an die Arbeit und brachte das Werk zu Ende. Es hatte aber allerwärts Sprünge und Risse, so daß jeder Verständige sah, daß es zusammenstürzen müsse, sobald das Gerüst fiele. Das wußte Eulenspiegel auch, und er hätte sich gern verabschiedet, wenn ihn die Stadtknechte nicht so scharf behütet hätten. Über die Brücke durfte er gar nicht hinaus.

Am Abend, bevor die Balken und Streben abgenommen werden sollten, schlich er sich an das Holzwerk und legte Feuer an. Es dauerte nicht lange, so stand das trockene Gerüst in hellen Flammen. Nun lief ganz Hersfeld hinzu und wollte löschen. Das gelang aber nicht. Das Gerüst stürzte krachend zusammen, und das verpfuschte Mauerwerk, das nur auf diese Erlösung gewartet hatte, fiel ebenfalls in sich zusammen. Jedermann sah mit Staunen und Vergnügen dem Wunder zu, indes Eulenspiegel die Gelegenheit benutzte, um zu entwischen.

Die Beamten in der alten, guten Zeit

In der alten, guten Zeit, in der Till Eulenspiegel lebte, war das Sprichwort: Wer im Rohre sitzt, der schneidet sich Pfeifen, ganz unbekannt. Dagegen kannte man damals ein anderes, das lautete:

Es ist kein Ämtchen so klein,

es bringt doch etwas ein:

und noch eins:

Es ist kein Ämtchen auf dieser Erd,

oder es ist des Henkens wert.

Nach solchen guten Regeln wurde allerwärts verfahren. Das merkte auch Till Eulenspiegel, als er wieder einmal in seine Heimat Braunschweig kam. Er sah da, wie die Amtsleute des Herzogs alle feist, behäbig und wohlhabend waren, und wäre auch gern reich geworden, denn in Braunschweig ist der Reichtum keine Schande. Also bemühte er sich um ein Amt und wollte ein Zeugnis darüber bringen, daß er in Berlin lange Zeit das ehrwürdige Amt eines Stadtknechtes zur Zufriedenheit der Gestrengen verwaltet habe.

Allein die Ämter waren alle wohlbesetzt durch behäbige Ratsherren und Amtsleute. Nun fragte Till Eulenspiegel an, ob er, als ein Kind des Landes, nicht die Verwaltung der herzoglichen Viehherde übernehmen dürfe; das sei nach seinem Geschmack, auch habe er genügend Erfahrung für das Amt.

Der Amtmann, der diese wichtige Stelle zu vergeben hatte, fing nun an, mit Till zu unterhandeln. Er sagte dabei: »Die Sache ist nicht so einfach, wie du denkst, denn ein so wichtiges Amt darf nicht so ohne weiteres angetreten werden. Du hast für den Stempel zehn Gulden zu bezahlen, für das Papier der Urkunde fünf Gulden, die Ausfertigung kostet sechs Gulden, die Kopie vier Gulden, für die Aushändigung werden wieder zehn Gulden gerechnet, das sind zusammen fünfunddreißig Gulden. Kannst du das bezahlen?«

Da merkte Eulenspiegel, daß ihm der Amtmann den Posten verkaufen wollte, und erwiderte: »Ein so großes Vermögen besitze ich wahrlich nicht, doch wäre ich gerne bereit, das Amt statt dessen ein Jahr lang umsonst zu verwalten.«

Der spitzbübische Amtmann rechnete sich aus, ob er dabei wohl auf seine Kosten käme. Als er herausfand, daß sich sein Gewinn dadurch noch vergrößern würde, war er sehr zufrieden und schloß den Handel ab.

Eulenspiegel war nun unbesoldeter Herr der herzoglichen Herden und war sich seiner Würde wohl bewußt. Allein dies Amt brachte nichts ein, denn was nützte es ihm, daß ihn der ihm unterstellte Sauhirt »Euer Gestrengen« anredete? »Du mußt reich werden, Eulenspiegel«, war die ewige Mahnung in seinem Innern. »Du mußt gefüllt werden!« knurrte sein Magen.

Da kam der braunschweigische Odysseus auf folgenden Ausweg: Er schrieb einen Brief an die Gemeinde zu Wolfenbüttel und teilte ihr mit, daß er, der oberste Viehverwalter des gnädigen Herzogs, nächstens mit der ganzen Herde in die dortige Flur einrücken werde; sie möchte sich darauf einrichten. Einen gleichen Brief sandte er nach der guten Stadt Helmstedt, einen nach Hasselfelde und einen nach Blankenburg. Mit gleichen Schreiben bedachte er Minden an der Weser (Holzminden), Seesen, Gandersheim, Duttenstedt, Salder, Elbe und andere Städte und Orte. Die Ratsherren, die diese Schreiben empfingen, machten lange Gesichter.

Wenn uns der Herzog seine große Herde in das Land schickt, dann bleibt für unser Vieh nicht mehr viel übrig, dachten sie. Am besten ist, wir kaufen uns los!

In Wolfenbüttel beschlossen die Ratsherren also, dem herzoglichen Viehverwalter zwanzig Gulden zu geben, in Helmstedt ebensoviel, und ähnlich hielten sie es in den anderen Orten. So kam Eulenspiegel zu viel Geld, so daß sich sein Amt durch solche Schalkheit reichlich bezahlt machte.

Eulenspiegel gibt sich als Brillenmacher aus

Zu Frankfurt am Main war eine Königswahl. Da dachte Till Eulenspiegel: Dort gibt es sicher für einen landfahrenden armen Schlucker Geld zu verdienen, und wenn es glückt, nimmt dich ein vornehmer Herr in seinen Dienst. Das war sein höchster Wunsch, denn es war ihm leid geworden, dummen, faulen und tückischen Meistern wie bisher zu dienen, auch hielt er es in Braunschweig nicht mehr aus, weil die Ratsherren nicht mehr auf seine Schalkheit eingingen.

Er kam also nach Friedberg in der Wetterau und wartete auf den Bischof von Trier, der mit großem Gefolge nach Frankfurt fuhr. Da stellte er sich in wunderlicher Tracht an den Weg und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Als erster kam der Vorreiter auf schmuckem Rosse, dann folgten die Falkeniere, die Bratenwender, Tafeldecker, Meier, der Truchseß, die Vögte, und plötzlich kam der Bischof selbst mit zahlreichen Klerikern, Waffenknechte und Bogenschützen beschlossen den Zug.

Der Bischof, der sich in einer Sänfte tragen ließ, gewahrte den wunderlich gekleideten Mann und ließ sich herab, ihn zu fragen, was für ein Handwerk er treibe.

»Hochwürdiger Herr«, antwortete Till Eulenspiegel, »ich bin ein Brillenmacher und komme aus Brabant. Viele Länder habe ich gesehen, aber überall suche ich vergebens nach Arbeit.«

»Das nimmt mich wunder«, sagte der Bischof. »Alle Welt wird in unseren schlechten Zeiten doch kränker und klagt darüber, daß das Licht der Augen abnimmt, also sollte man meinen, daß das Geschäft des Brillenmachers eher zu- als abnehmen müsse.«

»Hochwürdiger Herr«, antwortete Eulenspiegel, der mit gehörigem Respekt neben der Sänfte herging, »Ihr würdet es mir sehr übelnehmen, wenn ich Euch die Gründe für den Rückgang meines Geschäfts darlegen wollte.«

Darauf sagte der Bischof lachend: »Keine Sorge, dir und deinesgleichen nimmt man nichts übel, selbst wenn du die Wahrheit sagtest.«

Er hielt Eulenspiegel nämlich für einen Narren und irrte darin nicht allzusehr.

Eulenspiegel sagte also: »Früher war es anders, in der alten, guten Zeit, da bedurften die Leute noch der Brillen, aber nun leben wir in einer bösen Zeit. Jetzt sieht keiner den Oberen mehr durch künstliche Gläser, sondern sie helfen sich auf andere Weise. Jeder sieht seinen Untergebenen durch die Finger, keiner sieht mehr durch die Brille. Ja, diese Gewohnheit ist sogar von den Bürgern, den Meistern und selbst den Bauern angenommem worden. Wie soll da unser Geschäft gedeihen? So geht es ferner mit den Geistlichen und Richtern. In alten, guten Zeiten saßen die Herren gar über den Büchern, die Kleriker lasen in den Kirchenvätern, die Rechtskundigen studierten das römische Recht, die Carolina und den Hexenhammer. Da brauchten sie scharfe Brillen. Jetzt aber vergehen vier Wochen und mehr, ehe sie ein Buch auftun. Da frage ich wieder: Wie kann in solch ungünstigen Zeiten ein armer Brillenmacher noch sein Leben fristen?«

Der Bischof hatte schweigend und lächelnd diese Rede angehört und mußte sich sagen, daß der Narr wohl in vielen Fällen recht habe. Er verübelte ihm darum die freie Rede nicht und sagte gütig: »Du sollst zu meinem Hofgesinde gehören, ich will dir ein Kleid mit meinem Wappen machen lassen.«

Froh über seine List zog Eulenspiegel mit dem Gefolge des Bischofs nach Frankfurt.

Schlechte Aussichten

Als der Bischof mit seinem Gefolge in Frankfurt war, gingen viele Tage nutzlos hin, denn die weltlichen Herren fanden mehr Freude an Kurzweil als an ernsten Beratungen. Tierhetzen, Mysterienspiele und glänzende Bankette lösten einander ab, so daß der Bischof, der daran keinen Gefallen fand, öfters seiner Brille bedurfte, um sich durch Lesen die Zeit zu vertreiben. Dazwischen belustigten ihn die Schwänke Till Eulenspiegels, der die Hofleute der Reihe nach aufs Korn nahm und neckte. Darüber ärgerten sich diese sehr und beschlossen, dem argen Spötter auch einmal einen Streich zu spielen.

Es war kühle Witterung eingetreten, namentlich nachts war es recht kalt. Da erzählte ein Höfling von ungefähr, wie einer in Frankfurt eine ganze Nacht ohne jede Kleidung auf dem platten Dach des Hauses zugebracht und doch an Leib und Seele keinen Schaden erlitten habe. Das dünkte dem Bischof unglaublich. Eulenspiegel aber meinte, das sei keine schwierige Aufgabe. Er würde sie wohl lösen, wenn damit ein gutes Stück Geld zu verdienen wäre. So weit wollten ihn die schlauen Hofleute nur haben. Sie überredeten den Bischof leicht, eine Summe für die Lösung dieser Aufgabe auszusetzen.

Der sagte: »Mein lieber Eulenspiegel, getraust du dir wohl, eine ganze Nacht nackt auf dem Söller unserer Herberge zuzubringen? Wir würden dir dafür tausend Gulden geben.«

Eulenspiegel antwortete: »Das will ich wohl versuchen, wenn mir Euer Gnaden die tausend Gulden dafür geben würden.« Und er dachte: Leichter könntest du einen solchen Haufen Geld nimmer verdienen.

Der Bischof, der sich zuvor hatte raten lassen, sagte lachend: »Eulenspiegel, du bist ein Schalk und dafür bekannt in allen Landen. Sollen wir zusammen einen Vertrag schließen, so muß er Hand und Fuß haben, damit du die Sache nicht wieder falsch verstehst, wie das deine Gewohnheit ist. Also, du mußt nackt auf unserem Söller bleiben, die ganze Nacht, und darfst dir kein Feuer anzünden, um dich oben zu wärmen, darfst kein von anderen angezündetes Feuer mit hinaufnehmen, überhaupt dich an keinem Feuer irgendwie wärmen. Nach solcher Mühsal winkt dir der Preis, den ich ausgesetzt habe.«

Eulenspiegel dachte nun wohl: Das wird keine angenehme Nacht werden, aber der Preis von tausend Gulden ist auch nicht zu verachten. Er entschloß sich also, noch diese Nacht auf dem Söller zu verbringen, um das schöne Geld zu verdienen.

Die Nacht wurde ihm sehr lang, es war bitter kalt, und er fror gewaltig, doch tröstete ihn ständig die Aussicht auf den Reichtum, der ihn am anderen Tage erwartete. Er dachte: Wie jetzt meine Zähne, so werden bald die tausend Gulden in meiner Tasche klappern. Geduld, lieber Till, morgen bist du ein wohlhabender Mann!

Endlich war die Qual zu Ende, und Eulenspiegel wurde unter dem Gelächter der Hofleute von seinem Söller befreit und durfte sich wärmen. Danach fragte ihn der Bischof: »Mein lieber Narr, wie war es denn diese Nacht auf dem Söller?«

»Gnädiger Herr«, antwortete er, »ich habe sehr gefroren und wundere mich, mit dem Leben davongekommen zu sein.«

»Keine Sorge«, beruhigte ihn der Kirchenfürst, »deinesgleichen verdirbt nicht. Und du hast dich auch gewiß nirgends erwärmt?«

»Nein, Euer Gnaden.«

»Hast du nichts gesehen auf der Höhe, ganz Frankfurt lag wohl in tiefem Schlafe?«

»Nicht alle Leute, wie es schien«, sagte Eulenspiegel, »denn in der Ferne erblickte ich mehrere Lichter.«

»Wie, Lichter hast du gesehen?« fragte der Bischof. »Das kommt mir bedenklich vor. Wie denken meine Räte darüber?«

»Wir denken«, antworteten die Räte, »daß ein Licht ein Feuer ist, wenn auch ein kleines. Ein Feuer aber strahlt Wärme aus. Es steht also fest, daß Eulenspiegel den Vertrag nicht eingehalten hat. Er hat sich an mehreren Feuern gewärmt.«

Dieser Meinung schloß sich auch der Bischof an, so daß Eulenspiegel, der wohl merkte, daß das abgekartete Sache war, mit langer Nase abziehen mußte. Das Gelächter der übermütigen Hofleute bekam er als kostenlose Zugabe.

Der Höhepunkt der Kochkunst

Ungestraft ließ sich Eulenspiegel aber nicht necken. Also dachte er darüber nach, wie er seinem Patron für jenen Schabernack auf dem Söller wieder einen Streich spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Der Koch des Bischofs erkrankte, und dieser Umstand setzte den ganzen Haushalt in große Verwirrung. Die bischöflichen Räte, die den lieben langen Tag nichts weiter zu tun hatten, als gut zu essen und gut zu trinken, wurden um ihr leibliches Wohl ernstlich besorgt, und ihr Herr teilte ihren Kummer. Da erwies sich Till Eulenspiegel als Retter in der Not. Er erzählte dem Bischof, daß er im Kochen wohlbewandert sei und nicht nur die Hausmannsküche, sondern auch die feinere Kochkunst wohl verstehe und geübt habe. Schließlich erbot er sich, das wichtige Amt eines Kochs vertretungsweise zu übernehmen. Man ging auf sein Anerbieten ein, und alle Welt atmete auf. Darauf gab Eulenspiegel den Knechteri Anweisung, wie sie kochen sollten.

Die Stunde kam, in der der Bischof zu tafeln pflegte, aber Eulenspiegel hatte noch nicht angerichtet. Der Kirchenfürst ließ ihn kommen und sprach zu ihm: »Wie nun, Herr Koch, ist das Mahl noch nicht bereitet? Uns hungert ganz gewaltig.«

»Es ist noch nicht ganz gar«, antwortete Till, »aber wenn sich Euer Gnaden gedulden wollen, so wird es nachher um so besser munden.« Hierauf erzählte er dem Bischof und seinen Räten fast eine Stunde lang von allerlei Speisen und deren Zubereitungsweisen, sprach von den verschiedensten Braten, von Geflügel aller Art, von Fischen, Brühen und Backwaren, wie sie zubereitet werden und schmecken müssen. Den Herren aber lief das Wasser im Munde zusammen. Endlich sagte der Bischof: »Deine Rede wäre wohl einem gesättigten Menschen lieber als solchen, die Hunger haben. Wie weit ist es denn wohl mit deinem Essen? Ich denke, es könnte gar sein.«

Da ging der Schalk vor die Tür, blieb lange Zeit draußen und kehrte mit lächelndem Gesicht zurück. »Geduld, hochwürdiger Herr«, sagte er, »es ist noch nicht ganz bereit.« Wieder fing er an, von schön Gesottenem, Gebackenem und Gepökeltem zu reden, so daß es allen vor Hunger übel wurde.

Der Bischof sah sich das noch eine weitere Stunde mit an, dann aber sagte er: »Sieh nach, ob dein Essen gar ist, und laß uns nicht über Gebühr schmachten.«

Wieder ging Till hinaus, blieb eine Weile draußen und kehrte mit der Meldung zurück, daß das Essen noch nicht gar sei, worauf er wieder Geduld empfahl.

Der Bischof aber hatte jetzt keine Geduld mehr; er wurde ärgerlich und sagte: »Es hilft uns nichts, wir müssen in Person nach dem Rechten sehen. Zeig uns deine Töpfe!«

Da führte der Schalk den gestrengen Hungerleider nicht in die Küche, sondern in den Garten der Herberge. Unter den Bäumen brannte ein kleines Feuer, und diensteifrig warf Till Eulenspiegel ein Scheit hinein, blies und schürte die Flamme.

Da sagte der Bischof: »Das ist mir eine seltsame Art zu kochen, lieber Eulenspiegel, auch sehe ich wohl das Feuer, aber keinen Topf, in dem etwas zu sieden oder zu braten wäre.«

»Dort hängen die Töpfe, Euer Gnaden«, entgegnete Eulenspiegel und wies auf die Wipfel der Bäume, an denen in luftiger Höhe eine Anzahl Töpfe aufgehängt war. Eine lange Leiter stand dabei, so daß es der Koch nicht, allzu leicht hatte, wenn er Mus und Brei da oben umrühren wollte.

»Steigt hinauf, hochwürdiger Herr«, sagte treuherzig Till Eulenspiegel. »Ihr werdet Euch dann leicht überzeugen können, daß das Essen wirklich noch nicht gar ist.«

»Das glaube ich ohne diese Probe«, sagte der Bischöf. »Wie kann es denn von deinem winzigen Feuer da oben kochen? Das ist doch die größte Narretei, die mir vorgekommen ist. In solcher Entfernung können doch die Töpfe nicht einmal warm werden!«

Da erwiderte der Schälk: »Das glaubte ich auch, als ich die Nacht auf dem Söller zubrachte, aber Ihr belehrtet mich tags darauf eines Besseren. Ein kleines Feuer strahlt Wärme aus, also müssen die Töpfe oben warm werden, wie ich durch die fernen Lichter von Frankfurt mich erwärmt habe. Steigt hinauf, hochwürdiger Herr, und wenn das nicht so ist, so hat sich einer von uns geirrt.«

Über diese Rechtfertigung lachte der Bischof hellauf, wenn auch sein Magen knurrte. Aber der kluge Eulenspiegel, der wohl wußte, daß man mit hohen Herren den Spaß nicht zu weit treiben darf, führte seinen Gebieter in den Speisesaal, wo inzwischen eine gute Mahlzeit angerichtet worden war.

Till Eulenspiegel aber bekam noch am gleichen Tag seine tausend Gulden.

Ein Narr findet mehr Glauben als ein Weiser

Lange hielt es Till Eulenspiegel im Herrendienst nicht aus, und da der Bischof von Trier ohnehin nach erledigten Geschäften heimreisen wollte, nahm Till Urlaub und tauchte bald danach im lieben Sachsenlande auf, und zwar wieder in der Stadt Magdeburg. Da sahen ihn viele gern, denn in allen Herbergen, Werkstätten, Märkten und Straßen wurden seine losen Streiche erzählt, und jeder ergötzte sich daran, nur nicht die Gefoppten selbst, die außer dem erlittenen Schaden auch noch den Spott zu tragen hatten. Jeder wollte gern einen Witz hören, wenn es nur auf Kosten anderer ging. Der rußige Schmied forderte Eulenspiegel auf, er möge doch seinem Nachbarn, dem Bäcker, mit dem er in ewigem Bader lebte, einen Streich spielen; der Schneider drängte ihn, er möge dem Stadtschreiber eins auswischen, der zu hohe Steuern angesetzt habe; der Barbier hätte gern gesehen, daß der Frau des Schusters nebenan ein Possen gespielt würde, weil sie eine richtige Hexe sei und sich in einen Werwolf verwandle, wenn die Walpurgisnacht im Anzug sei. Natürlich hatte die andere Partei auch ihre geheimen boshaften Wünsche. Eulenspiegel hätte ganz Magdeburg ins Unglück stürzen müssen, wenn er allen Bitten gefolgt wäre.

Als ihn aber alle drängten, er möge ihnen eine Schalkheit zeigen und wieder einmal auf dem Seil tanzen, da verkündete er, daß er von einer Laube am Markt, die zu seiner Herberge gehörte, herabfliegen wolle.

Die »Laube« war ein Erkerbau im zweiten Stockwerk; sie hatte Fenster nach drei Seiten, und man konnte von dort den ganzen Markt übersehen. Diese Ankündigung brachte ganz Magdeburg auf die Beine, und als die Stunde kam, da stand der Markt voller Menschen, denn alle wollten doch gern sehen, wie der Narr von der Laube herabfliegen würde.

Eulenspiegel erschien auch pünktlich an dem angegebenen Ort, stellte sich frei und ernsthaft hin und machte mit den Armen einige Bewegungen, als wolle er losfliegen. Als aber alles atemlos in größter Spannung das Schauspiel erwartete, brach er in ein ungeheures Gelächter aus und rief: »Da glaubte ich bisher, daß nur ich ein Narr wäre und als solcher der einzige sei in meiner Zunft, aber nun sehe ich, daß ganz Magdeburg voller Narren steckt. Erznarren, die ihr alle seid! Bin ich denn ein Vogel und habe ich Flügel, daß ich mich von hier herablassen könnte? Hätte einer unter euch nur ein Fünkchen Verstand, so wäre er daheim geblieben und hätte seine Arbeit nicht im Stich gelassen!«

Mit diesen Worten zog er sich lachend zurück. Die Schaulustigen aber gingen beschämt heim. Die Vernünftigen lachten, die Unvernünftigen beschwerten sich über die betrogene Hoffnung. Viele sagten, daß sie von vornherein dem Schalk nicht getraut hätten, sie wären nur gekommen, um zu sehen, wie viele Leute sich in Magdeburg am Narrenseil führen ließen. Der Weiseste sagte: »Ein Narr macht viele Weise zum Narren, und eine unvernünftige Rede findet allemal mehr Glauben als ein gutes Wort, das noch lange nicht immer auf guten Boden fällt. Schließlich hat er es doch allen recht gemacht, er hat sie gefoppt, wie sie es haben wollten.«

Till Eulenspiegel auf dem Hungerturm

Auf dem Bernburger Schloß im Herzogtum Anhalt befindet sich ein Turm im Schloßhof, der den Namen Eulenspiegel führt. Sie zeigen dort auch verschiedene Dinge, die von dem Schalk herrühren sollen, eine zerbrochene Glastrompete, darauf er geblasen haben soll, einen Krug, aus dem er trank, einen Mantel, den er trug, und ein Plüschbarett, das er aufgesetzt haben soll. Mit diesen Dingen hat es folgende Bewandtnis:

Eulenspiegel hatte sein Geld ausgegeben und zog von Magdeburg ins Anhaltische, um neues zu erwerben. Er kam aber dabei nicht auf seine Rechnung. Der Graf war ein kriegerischer Herr, der mit seinen Nachbarn in beständigen Fehden lag und darum viele Ritter und Knechte auf der Bernburg halten mußte. Ohne es zu wollen, kam Eulenspiegel zwischen die kämpfenden Parteien, fiel den Anhaltischen in die Hände und wurde von dem Grafen als Gefangener behalten.

Der schickte ihn auf den Turm und sagte zu ihm: »Kumpan, du hast hier faule Tage und brauchst nichts weiter zu tun als aufzupassen, ob Feinde kommen, die uns das Vieh rauhen wollen. Sind sie im Anmarsch, dann mußt du sie anblasen und ›Feindio‹ rufen. Wenn du aber Sold verlangst, dann werde ich dich auspeitschen lassen.«

So sprach der grimmige Kriegsmann und überließ es Eulenspiegel, sich mit dieser Lage abzufinden. Der sah nun vom Turm aus wohl in die Ferne, blickte aber auch in die Burg hinab, in der es von Rittern und Knechten wimmelte. Kam die Essenszeit heran, dann wurden für den Grafen und die Ritter in der offenen Halle des mittleren Hofes, für die Knechte aber im Hof Tische aufgestellt, und darauf stellte man Riesenschüsseln mit Braten und Zutaten, große volle Brotkörbe, Gemüse in mächtigen Töpfen, Backobst und gewürzten Brei. Dann fing ein Schmausen an, als ob sie eine Wette gemacht hätten, wer das am besten verstünde. Dazu tranken die Herren welschen Wein, die Knechte aber leerten ein Faß Bier nach dem anderen.

Eulenspiegel sah das von seinem hohen Sitz mit an und wartete darauf, daß man ihm von dem Überfluß da unten auch etwas bringen werde, denn er hatte gewaltigen Hunger. Aber da unten dachte jeder nur daran, seinen eigenen Magen zu füllen, und nachher vergaßen sie ihn erst recht, denn der Satte weiß nicht, wie dem Hungrigen zumute ist. Seinen Posten durfte er nicht verlassen, das hätte ihm der Graf übel vermerkt. Es blieb ihm also nichts übrig, als weiterzuhungern.

Das verdroß Eulenspiegel sehr, und er sah mit geheimer Schadenfreude, wie magdeburgische Reiter herankamen und ganz still das anhaltische Vieh von der Weide wegtrieben. Er saß am Turmfenster, den Kopf auf die Arme gestützt, und ließ sie gewähren. Ein Hirt war aber von der Herde weggelaufen, um denen in der Burg den Überfall zu melden.

Sogleich schrie der streitlustige Graf nach Pferd und Waffen, im Augenblick saß er gewappnet im Sattel, ebenso wie seine Diener, und eisenrasselnd stürmte die mutige Schar aus dem Tor, um über die Magdeburger herzufallen.

Dabei warf der Graf einen Blick nach dem Turm. Dort lag der neue Wächter im Fenster und lachte vergnügt. »Du Mordskerl, weshalb liegst du im Fenster und bist so still?« rief da der Graf wütend hinauf.

Eulenspiegel antwortete: »Vor dem Essen singe und tanze ich nicht gern, das ist so Brauch bei mir.«

Der Graf achtete dieser Rede nicht, oder er verstand sie nicht, und fuhr fort: »Schelm, der du bist, du sollst die Feinde anblasen, hab’ ich dir befohlen. Dazu habe ich dir ja auch das Horn gegeben.«

»Ihr habt mir nicht gesagt, daß ich durch das Horn die Feinde anblasen soll«, sagte der, »aber ich blase schon die ganze Zeit durch meinen Mund so kräftig, daß Euer Vieh von selbst nach Magdeburg fliegt.«

Der kriegerische Graf hatte keine Lust und Zeit, sich mit dem Schalksnarren weiter in ein Gespräch einzulassen, er rannte den Feinden nach und schlug sich mit ihnen tapfer herum. Als er heimkehrte, hatte er den pflichtvergessenen Turmwärter aus dem Auge und Gedächtnis verloren; auch die andern vergaßen ihn, so daß ihm wieder kein Essen gebracht wurde.

Am nächsten Tag ging es geradeso wie vorher. Unten wurde geschlachtet, gekocht, gebraten, gebacken, geröstet und schließlich getafelt, im Hungerturm aber wurde gefastet, gedarbt, gelechzt, aber auch eine Schalkheit ausgesonnen. Auf einmal griff nämlich Eulenspiegel zu seinem Horn, blies aus Leibeskräften hinein und schrie: »Feindio!« als ob es ihm aus Leben ginge. Da sprang alles unten von den Tischen auf, rannte zum Marstall, warf Eisenkappen und Halsberge über, griff zu Schild und Speer, und mit Hurra und Hussa ging es zum Tor hinaus, dem vermeintlichen Feind tapfer entgegen. Eulenspiegel aber war wie der Wind unten, lief an des Grafen Tisch, nahm da von den guten Speisen, soviel er tragen konnte, und sprang damit wieder in seine Turmzelle. Dort hielt er eine gute Mahlzeit. Draußen aber suchte der mutige Graf mit seinen Mannen nach dem Gegner, fand jedoch keinen.

Da sagten die Leute: »Der Türmer hat uns aus Schalkheit hinausgelockt.«

Dieser Meinung war schließlich auch der Graf, der zornig sagte: »Ich will selber auf den Turm steigen und den Schalk mit dem Schwert unter der Nase kitzeln.« Als er oben ankam, fand er Till Eulenspiegel gemächlich schmausend und zufrieden mit sich und aller Welt.

»Du Schalksnarr«, schrie ihn der Graf an, »weshalb hast du ›Feindio‹ geblasen, wo doch weit und breit keine magdeburgische Eisenkappe zu sehen ist? Ich will dir deine Tücke mit meiner Klinge austreiben!«

Darauf antwortete Eulenspiegel:

»Hunger und Not

kennen kein Gebot.

Seid gnädig, es war nicht bös gemeint.«

Der Graf, der selbst Hunger hatte, verstand den Schalk jetzt besser, ließ darum auch Gnade vor Recht ergehen, sagte aber: »Ich kann dich künftig als Türmer nicht mehr brauchen, deine Stelle bekommt ein anderer, dich mache ich zu einem meiner Fußknechte.«

Es war Eulenspiegel gar nicht recht, daß er mit Waffenrock und Pike nun seine Haut zu Markte tragen sollte, doch freute er sich, aus dem Hungerturm erlöst zu sein, denn jetzt fand er täglich seine Atzung an der Knechtstafel. Da gefiel es ihm immer am besten. Ging es in den Kampf, dann war er der letzte, wurde dagegen zum Rückzug geblasen, war er der erste, der wieder an die volle Krippe eilte. So trieb er es einige Zeit.

Da sagte der Graf einmal zu ihm: »Das ist mir ein schöner Waffenknecht, der dem Herrn nachhinkt, wenn es zum Treffen geht, aber die Zeit nicht erwarten kann, um in die Feste zurückzukehren.«

»Gnädiger Herr«, antwortete Eulenspiegel, »als ich auf Eurem Turm saß, war ich der letzte, der zur Mahlzeit gerufen wurde, nun möchte ich gern dafür der erste bei Tisch sein.«

»Ich aber bin deiner Dienste überdrüssig«, antwortete der Herr von Anhalt, »gib dein Kleid samt deinen Waffen ab und geh mir aus dem Land! Magst dir anderswo einen Galgen suchen.«

Solche Rede war Eulenspiegel sehr willkommen. Er verließ gern den Hof des streitbaren Herrn, dem er es in keiner Weise recht machen konnte.

In seinen vier Pfählen bleibt jeder unangefochten

Der Herzog von Lüneburg hatte in Celle ein großes Ringelstechen und Turnier ausgeschrieben und dazu auch den König von Dänemark geladen.

Als Till Eulenspiegel das erfuhr, wanderte er mit anderem fahrendem Volk in diese Stadt, um dort seiner Schalkheit freien Lauf zu lassen.

Der Herzog hatte einen großen freien Raum vor der Burg abstecken lassen; da sollten die Spiele stattfinden. An drei Seiten waren Gerüste gebaut für die Frauen und Vornehmen, namentlich auch für die auswärtigen hohen Gäste. Alles war mit Maien, Blumenketten, bunten Laken und Panieren aufs prächtigste ausgestattet, auch war die Stadt sauber gekehrt und geschmückt. Der Rat hatte strengstens verboten, unsaubere Sachen, Küchenabfälle oder dergleichen, auf die Straße zu schütten. Jeder, der diesem Gebot zuwiderhandelte, sollte einen Schilling Strafe zahlen. Da wurde Celle so blank und sauber wie nie vorher und nachher, damit der große Dänenkönig seine rechte Freude daran haben.sollte.

Als Eulenspiegel diese prächtigen Veranstaltungen sah, bestieg er sein Pferd, einen Falben, und ritt auf alle Dörfer in der Umgebung von Celle.

Er kehrte bei den Bauern ein, gab sich das Ansehen eines herzoglichen Dieners und sagte: »Im Namen des Herzogs befehle ich, daß jeder morgen um Mitternacht mit einer Karre voll Stroh vor der Burg steht. Dort werden euch dann weitere Befehle gegeben werden.«

Solch gewichtigen Worten wagten die Bauern nicht zu widersprechen. Sie luden also Stroh auf ihre Wagen, spannten die Gäule davor und zogen gehorsam nach der Burg in Celle. Die Stadtwächter wunderten sich nicht wenig, als von allen Seiten die Bauern mit den vielen Strohwagen anrückten; da diese aber sagten, sie kämen auf Befehl des Herzogs, mußten sie ihnen wohl die Tore öffnen und dulden, daß sich das Stroh — nicht immer das sauberste — auf allen Straßen verzettelte. Auf dem Turnierplatz stand Eulenspiegel und befahl den Bauern abzuladen. Das taten die ohne Besinnen, denn sie waren froh, wieder mit den Pferden heimkehren zu dürfen.

Bald war der schöne, große Platz mit Stroh bedeckt, daß er wie ein riesiger Misthaufen aussah. Als der Morgen anbrach, wollte der Herzog seinem königlichen Freund den schönen, reinlichen Turnierplatz zeigen, statt dessen aber erblickte er einen Wüsten Strohhaufen, in dem Pferde und Wagen ihre Spuren zurückgelassen hatten.

Da wurde er sehr zornig und rief: »Wer mir das getan hat, der soll dafür büßen!«

Er ließ in der ganzen Burg das Gesinde zusammenrufen und nach dem Übeltäter forschen. Nach vielem Hin und Her stellte sich endlich heraus, daß Eulenspiegel dem Herzog diesen Streich gespielt hatte. Da befahl der Herzog, den Schalk zu hängen, allein der Scharfrichter wartete vergeblich darauf, daß ihm der Büttel den Schelm brächte, denn der hatte sich inzwischen aus dem Staube gemacht und trottete auf seinem falben Pferd vergnügt im Land umher.

Der Herzog wollte diesen Frevel aber nicht ungeahndet lassen und ließ im ganzen Land verkünden, daß Eulenspiegel im Lüneburgischen vogelfrei sei.

Eulenspiegel wußte wohl, was ihm nun bevorstand, wenn er sich von den Schergen des Herzogs erwischen ließe, dennoch ging er nicht aus dem Land, denn er hoffte, mit dem König von Dänemark zusammenzukommen, der als leutseliger und freigebiger Herr bekannt war.

Eines Tages hörte Till Eulenspiegel hinter sich eine Menge Reiter kommen und sah zu seinem Schrecken, daß ihm der gefürchtete Herzog mit bewaffnetem Gefolge auf den Fersen war. Ohne Zweifel hatte man ihn auch schon bemerkt. Da sagte sich der Schalk: Wenn du mit deinem lendenlahmen Tier zu fliehen versuchst, dann holen sie dich rasch ein und stechen dich vom Gaul herunter; bleibst du stehen, dann läßt dich der erzürnte Herzog am nächsten Baum aufknüpfen.

Ein anderer hätte nun wohl versucht, die Gnade des strengen Richters anzurufen, aber der deutsche Odysseus ersann rasch eine List, um sich aus der Schlinge zu ziehen. Schnell stach er sein lahmes Pferd tot, wälzte dein Kadaver auf den Rücken, schnitt ihm den Bauch auf, entfernte rasch die Eingeweide, richtete die vier Beine so, daß sie kerzengerade standen, und stellte sich in das Tier hinein. Dieser wunderliche Einfall des seltsamen , Mannes mußte erst recht die Aufmerksamkeit des ungnädigen Herzogs auf sich ziehen. Aber das beabsichtigte Eulenspiegel ja auch.

Indes brauste der Herr von Lüneburg mit seinem stolzen Gefolge heran.

Einer der Herren sagte zum Herzog: »Gnädiger Herr, da steht der geächtete Eulenspiegel in der Haut eines Pferdes.«

Da hielt der Herzog vor dem Listreichen und sagte zornig: »Finde ich dich hier, du Erzschelm? Ich will dich hängen lassen. Weshalb stehst du hier so närrisch in einer Pferdehaut? Tritt heraus!«

»Herr Herzog«, antwortete Eulenspiegel, »ich bitte um Gnade, da ich doch nichts getan habe, was des Hängens wert wäre. Ich bin ein armer Mann, habe weder Land noch Haus noch Hof. Mein ganzes Vermögen war dieses Pferd, und ich habe mich hineingestellt, weil doch nach altem Recht ein jeder sicher sein soll in seinem Eigentum und in seinen vier Pfählen.« Damit deutete er auf die vier Beine des Gauls.

Der Herzog kannte wohl dieses alte Recht aus dem »Sachsenspiegel«, jener alten Gesetzsammlung, aber er verstand auch so die List des Schalks, lachte und sagte: »So mag es dir noch einmal durchgehen, aber laß dich in meinem Land nicht wieder blicken.«

»Wie Ihr befehlt, gnädiger Herr«, antwortete Eulenspiegel, »so werde ich es tun.«

Der Herzog ritt davon, und Eulenspiegel trat nun aus seinen vier Pfählen, die ihm Sicherheit geboten hatten, heraus und dachte: »Es ist besser, die Raben sättigen sich an meinem Pferd, als daß sie mich fressen. Hab Dank, mein lieber Gaul, daß du meinen Hals gerettet hast, denn es hätte wirklich nicht viel gefehlt, und ich hätte mit des Seilers Tochter Hochzeit gemacht!«

Das Geschenk des Königs

Nach diesem Erlebnis ging es Eulenspiegel sehr schlecht im Lüneburger Land, und er fing an zu begreifen, daß die Schalkheit ihren Mann nicht nährt, dafür aber oft in Not und Gefahr bringt. Gar zu gern wäre er wieder bei einem vornehmen Herrn in Dienst getreten. Das wollte ihm aber nicht glücken, und er überlegte hin und her, ob es nicht das beste wäre, wieder bei einem Meister als Geselle zu arbeiten. Da hätte er ein Dach über dem Kopf und könnte sich sein tägliches Brot verdienen.

Als er eines Tages auf der Straße ziellos dahinschlenderte, gewahrte er eine vornehme Reisegeseilschaft. Auf Pferden und Mauleseln saßen viele Herren und Damen, die sich laut in einer fremden Sprache unterhielten. Der Vornehmste der Reisenden saß auf einem herrlichen Pferd, dessen Zügel Edelknaben hielten. Neben ihm ritt ein Vorleser. Kein Zweifel, das war der König von Dänemark, der wieder heimreisen wollte. Da stellte sich Eulenspiegel breitspurig an den Weg und grüßte recht auffällig und seltsam.

»Wer mag dieser wunderlich gekleidete Mann sein? Aus seinem Gesicht spricht ein rechter Schalk«, wunderte sich der König.

»Das ist Eulenspiegel, ein unsteter Gesell, der alle Männer narrt und alles tut, was man ihm sagt, wobei aber immer etwas Verkehrtes herauskommt. Der Herzog hat ihm das Lüneburgische verboten, weil er ihn nicht hängen konnte. Die Strohfuhren in Celle waren sein letzter lustiger Streich«, antwortete einer aus dem Gefolge.

Der König hatte schon viele Schwänke Eulenspiegels vernommen, so daß er dem Schalk bereits wohlgeneigt war, ohne ihn zu kennen. »Halt dich zu meinem Hofgesinde!« rief er Till zu. »Man soll dir ein Pferd geben.«

Darauf hatte Eulenspiegel ja nur gewartet. Er wählte wieder einen Falben, den keiner sonst reiten mochte, und hielt sich in der Nähe des Königs auf.

Dem mußte er seine Späße erzählen. Als der König aber einmal seinem edlen Pferd die Sporen gab, um schneller vom Fleck zu kommen, blieb Eulenspiegel zurück.

»Warum bleibst du nicht an meiner Seite?« fragte der König.

»Ach Herr«, antwortete er, »mein Gaul ist schlecht beschlagen, daher muß ich wohl hinter Euch zurückbleiben.«

Da sagte der König: »Wir kommen bald nach Lüneburg, dort wollen wir ein paar Tage tasten. Da kannst du deinem Pferd den besten Hufschlag geben lassen, mein Schreiber wird zahlen.«

»Herr König, darf ich Euern Worten nach meinem Pferd die besten Hufeisen aufschlagen lassen?« fragte Till.

»Ja, das darfst du«, bestätigte der Herr von Dänemark.

Als der König nun sein Hoflager in Lüneburg hielt, ging Till Eulenspiegel mit seinem Pferd nicht etwa zu einem Grobschmied, sondern zu einem Goldschmied. Der mußte seinem Gaul goldene Hufeisen anmessen, gießen und anschlagen. Dafür forderte er hundert dänische Mark.

Als Eulenspiegel dem Schreiber des Königs diese Rechnung verlegte, machte der große Augen und sagte: »Ich habe meiner Lebtag nicht gehört, daß ein Hufbeschlag ein Vermögen kostet. Das darf ich nicht ungefragt zahlen.« Nun wurde die Angelegenheit dem Herrn vorgetragen.

Dieser sagte: »Mein lieber Eulenspiegel, du scheinst einem teuern Schmied in die Hände gefallen zu sein, oder ist es in Lüneburg Brauch, daß man so hohe Preise fordert, wenn es auf die Rechnung des Königs geht?«

»Gnädigster Herr«, antwortete Eulenspiegel, »der Hufbeschlag ist preiswert, wie Ihr sehen werdet.« Mit diesen Worten zeigte er ihm den Falben, und der König sah nun, daß der Hufbeschlag aus Gold bestand. »Ihr hießt mich doch den besten Hufbeschlag nehmen, den ich bekommen könnte, daher habe ich Gold nehmen lassen, das doch ohne Frage besser ist als schlechtes Eisen.«

Da lachte der König herzlich und antwortete: »Du bist mir ein teures Hofgesinde. Wollte ich alle meine Pferde so kostbar beschlagen lassen, so könnte ich Land und Leute verkaufen.«

Der Schreiber mußte den kostbaren Beschlag bezahlen, und der freigebige König nahm dem Schelm den Streich nicht übel. Der aber riß lachend dem Pferd die goldenen Beschläge ab und ließ ihm eiserne unterschlagen.

Stiefel muss sterben

Die Freigebigkeit des Dänenkönigs war landbekannt geworden, und manche Freibeuter gedachten sie zu ihren Zwecken auszunutzen.

So kam auch eines Tages ein gar gelehrter Herr, der Doktor Stiefel, in das Hoflager des Königs, um einen guten Fischzug zu tun. Er kam von der Erfurter Universität und war seiner Sache sehr sicher. Nicht durch die schwarze Kunst, sondern durch eifriges Studium, den Rat weiser Männer und eigene Erfahrung war es ihm gelungen, jenen Göttertrank zu bereiten, von dem die alten Römer und Griechen so viel erzählten, den sie Nektar nannten und der die herrliche Eigenschaft besitzen soll, den, der ihn genießt, unsterblich zu machen.

So prahlte er vor dem leichtgläubigen König und behauptete, daß er diesen Trank genossen und füglich nimmer sterben könne, daß er aber den Rest des edlen Getränks für tausend Gulden dem König überlassen wolle. Viele berühmte Herren und Gewalthaber hätten ihm mehr geboten, aber er habe sich nun einmal vorgenommen, den huldreichen Herrn der Dänen damit zu beglücken, und biete ihm die Gabe, die ihn selbst weit mehr gekostet, zu diesem lächerlichen Preis. Da der Gelehrte so sicher auftrat und die Leute zu Eulenspiegels Zeit nicht so mißtrauisch waren wie in späterer Zeit, glaubten der König und sein Hofgesinde dem Doktor, und der Schatzmeister klapperte schon mit den Gulden. Dabei hegten alle etwas Neid, daß ihnen nicht ein so großes Glück geboten würde, sondern nur dem König, der freilich ein gerechter und gütiger Herrscher war, so daß das Dänenreich einer goldenen Zukunft entgegengehen mußte. Als nun der Doktor die Phiole hervorzog, da staunte und bebte alles vor Erwartung.

Auch Eulenspiegel war neugierig geworden und wollte die Sache genauer betrachten.

»Komm, nur Eulenspiegel«, ermunterte ihn freundlich der König, »und sieh dir die wenigen Tropfen an, die bald verschwunden sein werden.«

Da ging der Schalk dreist hinzu, nahm das enghalsige Fläschchen in die Hand, entkorkte es, roch daran und — schluckte den Inhalt hinunter.

Vor Entsetzen über solche Kühnheit schrien die Hofleute laut auf. Am lautesten aber schrie Doktor Stiefel. Er forderte die tausend Gulden für den geraubten Trank und verlangte, daß der dreiste Schelm bestraft werde.

Allein der König sprach nach einigem Besinnen: »Von mir kannst du nichts verlangen, denn ich habe nichts erhalten. Mach die Sache mit Eulenspiegel aus, der nun unsterblich ist wie du. Du hast ja mit deinem Anspruch Zeit bis ans Ende der Welt. Stirbst du aber, oder stirbt er, so war dein Nektar keinen Pfifferling wert.«

So wurde der Doktor beschieden und hatte den Spott zum Schaden, denn seitdem sangen übermütige Gesellen:

»Stiefel, mußt sterben!

Bist hoch so jung, so jung!«

Also ist Stiefel doch wohl unsterblich, so gut wie Eulenspiegel. Ob das aber sein Trank bewirkt hat, wird keiner sagen können.

Eulenspiegel als Landbesitzer

Von allen Schalksnarrenstreichen, die der wunderliche Landfahrer verübte, ist der folgende nicht der übelste. Die goldenen Hufeisen des dänischen Königs hatte er längst versilbert, denn es hieß bei ihm auch: Wie gewonnen, so zerronnen. Doch hatte das erlöste Geld noch zum Kauf eines Sturzkarrens gereicht. Damit zog Eulenspiegel seine Straße.

Noch war der Zorn des Herzogs von Lüneburg gegen ihn nicht verraucht, aber dem leichten Sinn des Schalks machte das nicht viel, auch dachte er ganz richtig: Der Herzog kann nicht überall sein.

So kam er eines Tages wieder in die Nähe von Celle an der Aller. Unterwegs hatte er gehört, daß der Herzog mit großem Jagdgefolge ausgerückt sei und ihn bald einholen müsse. Da wurde er sehr besorgt, daß er den vielen Jägern nicht werde entrinnen können, und dachte: »Nun, lieber Till, denk dir einen guten Streich aus, oder es ist um dich geschehen.«

Er fing mit einem Bauern, der seinen Acker pflügte, aus diesem Grund ein Gespräch an. »Wem gehört der Acker, guter Freund?«

»Was sagst du?«

»Wem der Acker gehört, frage ich.«

»Der Acker?«

»Ja, der Acker.«

»Das ist mein Acker, den habe ich geerbt.«

»Möchtest du mir von deinem Acker eine Karte voll Erde verkaufen?«

»Was sagst du?«

»Ob du mir von deinem Acker eine Karte voll Erde verkaufen möchtest.«

»Eine Karte voll Erde?«

»Ja, eine Karte voll Erde.«

»Ja, aber das kostet einen Schilling.«

Schnell gab Eulenspiegel dem Mann einen Schilling, belud seine Karte mit Erde und setzte sich bis an den Hals hinein. So fuhr er dreist dem Jagdzug entgegen.

»Was für ein wunderlicher Kauz mag das sein, der da in der Karte sitzt?« fragte der Herzog, als er Eulenspiegel bemerkte. »Man sollte meinen, er könnte die Zeit nicht erwarten, bis er unter die Erde kommt.«

»Das kann niemand anders sein als Till Eulenspiegel, der Schalksnarr, den Ihr aus dem Land gewiesen habt«, antworteten seine Begleiter.

Da brauste der Herzog auf: »Wie, du Erzbösewicht, du wagst es, mir noch einmal unter die Augen zu kommen? Habe ich dir nicht mein Land verboten?«

»Gnädiger Herr«, antwortete Eulenspiegel, »ich sitze nicht in Eurem, sondern in meinem Land, das ich von einem Bauern ehrlich erworben habe.«

»Du redest dich heraus wie ein rechter Schalk«, antwortete der Herzog. »Aber nun richte dich nach meinem Befehl, geh mit deinem Land aus meinem Land, oder ich lasse dich hängen samt deinem Land.«

Eulenspiegel dankte für die erwiesene Gnade, sprang aus seinem Land, setzte sich auf sein Pferd, ritt davon und ließ sein Land im Stich.

Jahrelang stand die Karte voll Erde noch vor der Brücke zu Celle als Wahrzeichen seiner Schalkheit.

Die größte Zunft

Zu den Besitzungen des Erzbischofs von Magdeburg gehört auch der Giebichenstein bei Halle. Hier hielt Burchard III. in der Zeit von 1307 bis 1325 gern Hof.

Als er wieder einmal, von Magdeburg kommend, dort einzog, kamen ihm die Zünfte von Halle mit festlichem Pomp, mit Bannern und Wahrzeichen entgegen, voran die Halloren, die Salzsieder, dann die anderen Zünfte. Darüber war der Erzbischof sehr erfreut. Am Abend hielt er große Tafel auf der Burg. Daran durfte auch Eulenspiegel teilnehmen, denn der Fürst hatte viel von seinen Streichen gehört und wollte den unbeständigen Schalk gern um sich haben, wenn auch nur kurze Zeit, denn nirgends hielt es Till lange aus.

Als nun die Ereignisse des Tages besprochen wurden, kam jemand auf den Gedanken zu fragen, welche Zunft wohl nach den Halloren die größte in der Stadt sei. Einer meinte, das könnten wohl die Schreiner sein, denn es gebe in der Stadt so viele Möbel-, Sarg- und Bautischler, daß man wohl die Saale damit eindämmen könne. Ein anderer übertrumpfte ihn aber, indem er die Schneider als die volkreichste Zunft hinstellte.

»In Halle«, sagte er, »gibt es so viele Herren-, Frauen-, Flick-, Stein- und Schweineschneider, dazu Auf-, Zu-, Vor- und Ehrabschneider, daß man die Saale der Länge nach damit besetzen könnte.« Diese Meinung fand den Beifall der Anwesenden.

Da meldete sich auch Eulenspiegel, der Schalk, zum Wort und behauptete, daß in Halle eine Weit größere Zunft vorhanden sei, und die sei die verbreitetste im ganzen Erzbistum. Nun drangen glle in ihn, Herr Burchard allen voran, er möge diese große Zunft nennen, sie seien sehr begierig, das zu erfahren.

Da antwortete er: »Heute über drei Tage werde ich es sagen, dann werde ich auch die Liste derjenigen mitbringen, die dazu gehören.«

Nun waren alle sehr neugierig, allein Eulenspiegel verriet nicht, was er vorhatte.

Am andern Tag verließ der Schalk das Schloß, hatte den Kopf verbunden und tat sehr wehleidig. So kam er nach Halle, wo alle den lustigen Vogel kannten und gern hatten. Wie er nun so kläglich in die Stadt einzog, rief alles: »Seht da den Herrn Till Eulenspiegel, der ist krank und hat gewiß Zahnschmerzen.«

Gleich kam eine ehrbare Frau auf ihn zu und sagte: »Habt Ihr denn Zahnschmerzen, armer Mann? Da müßt Ihr eine Nelke in den hohlen Zahn stecken, das hat mir immer gleich geholfen.«

Mit matter Stimme, wie es einem Schwerkranken ziemt, dankte Eulenspiegel für den guten Rat und fragte dann: »Wie heißt Ihr doch, gute Frau?« Die Wohltäterin nannte ihren Namen, und der Schalk schrieb ihn geschwind auf einen langen Zettel, den er bei sich führte. Dann kam der Rektor der Lateinschule, der auch großen Gefallen an dem Schalk fand. Der sah das Elend und sagte väterlich: »Mein guter Eulenspiegel, die congestiones capitis heile ich immer mit welschem Wein. Nehmt doch einen tüchtigen Schluck davon, haltet das Haupt nach der erkrankten Stelle und laßt den Trank da ein wenig wirken.« Eulenspiegel dankte auch für diese Auskunft und notierte den Namen des Lebensretters. Wieder kam eine ehrbare Matrone, die dem Armen mitleidig einen guten Rat gab. »Für solche Fälle«, sagte sie, »gibt es nichts Besseres als ein Kissen voll Kamillen.«

»Ach was«, rief der Dachdecker, der dies hörte, »da nützt unsereinem etwas anderes. Die Füße ein Stündlein in einen Eimer Wasser gesteckt, das hilft! Das treibt das Blut in die Beine, und von da zieht der Schmerz ins Wasser. Versucht’s nur!«

Eulenspiegei dankte beiden verbindlichst und schrieb die Namen auf. Gleich darauf lief ihm der Stadtschreiber in die Quere. »Aha«, rief der, »Zahnpein? Das kenne ich auch. Hilft kein Doktor so gut wie unsere weise Frau an der Mauer« — hier sprach er sehr leise —, »sie steht im Verdacht der Hexerei, und ich glaube es auch, daß es bei ihr nicht ganz stimmt, aber sie bespricht Zahnschmerzen so gut, daß wir ohne sie nicht auskommen können. Unter uns gesagt, der Rat hält die Hand über sie aus guten Gründen. Wenn Ihr erlaubt, so führe ich Euch zu ihr.«

Eulenspiegel ließ sich führen. Die Alte maß die Eintretenden mit furchtsamen Blicken, als sie aber den Stadtschreiber erblickte, verlor sie ihre Scheu und besprach das Übel im Namen aller bösen Geister. Eulenspiegel bedankte sich bei beiden und ging rasch weiter. Da winkte ihm ein Krämer und gab ihm eine Pille gegen das Leiden, der Schäfer aber, der seine Herde zum Tor hinaustrieb, reichte ihm stumm ein Säckchen, in das irgend etwas eingenäht war, und bedeutete ihm durch Zeichen, daß man dabei nicht reden dürfe, sonst würde der Zauber nichts nützen. Der Apotheker legte ihm ein Pflaster hinter die Ohren, ein Schmied bot ihm an, den kranken Zahn auszuziehen, und zwar mit einem Faden. Der Pfarrer bot ihm sein Theriaksbüchschen zur Benutzung an, ein Bürger reichte ihm kühle Kohlblätter und riet ihm, sie an den Kopf zu legen.

»Fleißig Wasser schlürfen!« rief ihm der Bartscherer zu.

»Nein«, rief der Bader, »ein wenig Watte in das Ohr, das der kranken Stelle am nächsten ist, und die kräftig mit Weingeist getränkt.«

»Trinkt vier Maß Bier!« rief der Wirt vom »Roten Roß«. »Das hilft besser als alle Quacksalberei.«

»Ich vertreib’s Euch«, rief dagegen ein Scholar, der in der Herberge zechte, »eine tüchtige Maulschelle auf die kranke Backe, und vorbei ist alles Ungemach.«

Eulenspiegel konnte nicht genug für alle freundlichen Ratschläge danken und wurde mit dem Schreiben der Namen gar nicht fertig. Das ging so den ganzen Tag, ebenso den folgenden.

Am dritten Tag kam er müde und matt auf dem Giebichenstein an. Der Erzbischof saß wieder mit seinem Hofgesinde zusammen, als der Narr mit seinem Maulkorb jammernd hereintrat.

Da lachte der Kirchenfürst hellauf und sagte: »Nun sehe einer den armen Schelm! Er hat Zahnschmerzen. Reicht ihm doch von meinem Elixier, das wird ihm frommen.«

Da riß Eulenspiegel das Tuch ab, notierte auch den Erzbischof auf seinem Zettel und rief lachend: »Nummer 374! Soviel Ärzte gibt es in Halle. Die Zunft der Doktoren ist und bleibt die größte!«

Der Doktor der Büberei

Einmal kam auch der Doktor Eisenbart auf dem Giebichenstein an, ein fahrender Geselle, der auf allen Burgen und Jahrmärkten sein Wesen trieb. Da ihm sein Geschäft viel eintrug, konnte er mit Pferd und Wagen umherreisen. Für seinen Wagen, in dem er all seine Arzneien und allerlei seltsames Zeug mit sich führte, suchte er sich stets den besten Platz und schlug dort seinen Verkaufsstand auf, den er mit Schlangenhäuten, einem Totenschädel und einigen medizinischen Bestecken ausschmückte. In Scharen strömten die Leute herbei, um Doktor Eisenbarts gewaltige Rede zu vernehmen, die darauf hinauslief, alle Ärzte, die am Orte wohnten, recht verächtlich zu machen. Laut pries er seine Latwergen und Elixiere an, die alle Gebrechen heilen sollten. Seine Kundschaft bestand meist aus Landleuten, denen er seine Heilmittel für schweres Geld verkaufte. So trieb er es auf den Märkten der Städte. Kam er aber an einen Hof, dann kehrte er den gelehrten Doktor aus Bologna heraus, und seine Reden trieften von Weisheit und Welterfahrung.

So kam er also auch nach dem Giebichenstein, um sich an den Erzbischof zu hängen. Das Hofgesinde mochte ihn aber gar nicht ausstehen wegen seines hochfahrenden Wesens, und jeder hörte lieber den Schwänken Till Eulenspiegels zu.

Den sah der gelehrte Doktor gar nicht an. »Es ist eine Schande«, sagte er, »daß man dem Narren Zutritt bei Hofe gestattet. Der Fürst sollte sich nur mit weisen Männern umgeben, denn, durch den Weisen angeregt, übt er Weisheit, der Narr hingegen regt ihn nur zu Narrenstreichen an.«

Über solche Rede ärgerten sich die Hofleute noch mehr. »Herr Doktor«, sagten sie, »wer ist denn weise? Manche, die sich weise dünken, sind Narren und werden durch einen klugen Schalk genasführt. Mancher aber, der als Narr gilt, hat mehr Verstand als einer, der sich seiner Weisheit rühmt.«

Darauf antwortete der Doktor: »Nun, ich bin weise, mich hat noch kein Narr betrogen.«

Der Doktor blieb lange am Hofe, weil er dort gute Tage hatte. Eulenspiegel aber mied ihn, wo er konnte. Die Hofleute baten Till immer wieder, daß er dem aufgeblasenen Marktschreier einen Streich spielen möchte, und bereitwillig suchte Eulenspiegel dazu eine Gelegenheit zu finden.

Nun traf’s sich, daß sich der Doktor eines Tages bei Tisch furchtbar übernahm und gar nicht wie ein Weiser, sondern wie ein Narr so viel vom fetten Wildschweinbraten aß, daß es ihm bald darauf übel und weh wurde. Nach Art vieler Hagestolze war er um sein Leben sehr besorgt, jammerte daher im ganzen Haus herum, klagte bitterlich über die heftigsten Beschwerden und behauptete, daß er nach einem so langen, segensreichen Leben wohl auf Giebichenstein werde sterben müssen. Da sagten ihm die Hofleute: »Ei, Herr Doktor, Ihr habt doch im Schuppen einen ganzen Wagen voll Medikamente stehen, womit Ihr so viele kuriert habt. Bei Euch heißt es doch wohl: Arzt, hilf dir selber!« Aber der Angstmeier hatte ebensowenig Vertrauen zu seiner Heilkunst wie zu seinen Heilmitteln und hütete sich wohl, bei seinen Latwergen und Mixturen Zuflucht zu nehmen.

»Ach«, wimmerte er, »der Unweise versteht nicht die Lage des Gelehrten. Er begreift nicht, daß der Geist leidet, wenn der Körper angegriffen ist. Mir könnte wohl ein Arzt helfen, es dürfte aber keiner aus Halle sein, denn die sind alle elende Pfuscher.«

Diese Rede ward Eulenspiegel hinterbracht, und sogleich nahm er sich vor, dem Doktor einen Streich zu spielen. Er machte also mit den Hofleuten gemeinsame Sache, verkleidete sich als Doktor Tillius aus Bologna und ließ dem Kranken melden, daß er soeben von dort komme und von dem Unfall seines Kollegen Doktor Eisenbart gehört habe. Nun wurde der fremde Doktor vor den Kranken geführt und erklärte den Fall für sehr bedenklich, doch wolle er die Kur übernehmen. Doktor Eisenbart, der so viele mit seiner Pfuscherei betrogen hatte, ging leichtgläubig auf den Leim und ließ sich von Eulenspiegel behandeln.

Der schickte ihn zunächst ins Bett, warf so viele Kissen auf ihn, wie er bekommen konnte, band ihn fest und ließ ihn tüchtig schwitzen. Dann ging er über den Wagen des Doktors her und nahm daraus alle möglichen Heiltränke, Mixturen, Purganzen und Latwergen, mischte alles gehörig zusammen und füllte es dem Doktor ein. Der Mann, der sich nicht rühren konnte, denn er war ja festgebunden, schrie nicht schlecht und bat den »Kollegen«, ihn mit diesen scheußlichen Tränken zu verschonen; der aber ließ nicht locker, ihm nach und nach die ganze Apotheke einzutrichtern.

»Euer Zustand ist noch sehr bedenklich«, sagte er, »aber wenn Ihr alle diese Heilmittel geschluckt haben werdet, seid Ihr für immer kuriert.«

Drei Tage ließ er ihn schwitzen, dann entließ er ihn als geheilt.

Der Bischof hörte den Vorfall und fragte den Doktor, als er wieder auf den Beinen stehen konnte: »Nun, seid Ihr genesen? Hat Euch der Doktor Tillius recht behandelt?«

»Ich glaube«, antwortete der Weise verstimmt, »ich bin einem Doktor der Büberei in die Hände gefallen.«

Da lachte Burchard und antwortete: »Wißt Ihr auch, wer dieser Doktor war? Das war mein guter Narr Till Eulenspiegel. Zieht selbst die Nutzanwendung!«

Doktor Eisenbart aber nahm noch am gleichen Tag Urlaub.

Eulenspiegel findet gefallen an der Heilkunst

Der Erzbischof von Magdeburg unternahm vom Giebichenstein aus eine Romfahrt, und Eulenspiegel schloß sich eine Zeitlang seinem Gefolge an. In Nürnberg wurde gerastet, und da gefiel es dem Schelm so gut, daß er wieder auf lose Streiche verfiel.

Durch die Kreuzzüge waren aus dem Morgenland ansteckende Krankheiten in das Römische Reich eingeschleppt worden. Daher hatten die Nürnberger ein Siechenhaus eingerichtet, um die Fremden darin zu pflegen, wenn möglich auch zu heilen. Man wollte dadurch auch die weitere Verbreitung der bösen Krankheiten verhindern.

Das wußte Till Eulenspiegel. Er kleidete sich also als Doktor, mit Barett und langem Mantel, setzte eine Brille auf und erbot sich, alle Kranken für zweihundert Gulden gesund zu machen. Diesen Lohn versprach ihm der Rat gern, denn die Nürnberger wären die Kranken lieber heute als morgen losgeworden.

Eulenspiegel ließ sich zwanzig Gulden Vorschuß geben und begab sich ins Spital. Dort gab er sich als Weitgereister, wohlerfahrener Arzt aus, trat an das Bett jedes Kranken und fragte, was ihm fehle. Beim Weggehen flüsterte er jedem ins Ohr: »Was ich dir jetzt sage, mußt du für dich behalten. Wenn ich euch alle gesund machen soll, muß ich einen von euch zu Pulver verbrennen und dieses den anderen eingeben. Dazu will ich mir den Schwächsten heraussuchen. Um aber festzustellen, wer unter euch der Schwächste ist, werde ich mit dem Spittelmeister in die Tür treten und rufen: ›Wer nicht krank ist, verlasse Bett und Zimmer!‹ Wenn du das hörst, eile, so schnell du kannst; denn wer als letzter in seinem Bett bleibt, wird für die anderen als Heilmittel verwendet.« Die Kranken nahmen diese Worte des berühmten Arztes für bare Münze und spitzten die Ohren.

Als nun Eulenspiegel den verabredeten Ruf ertönen ließ, begann ein seltsames Treiben, denn keiner wollte der letzte sein. Selbst die Lahmen, die sonst nur auf Krücken herumhumpelten, liefen hurtig davon. Manch einer war unter ihnen, der sein Bett seit zehn Jahren nicht mehr verlassen hatte.

Im Handumdrehen war das Spital leer, kein Kranker ließ sich mehr blicken. Da freute sich der Spittelmeister, und Till bekam seinen Lohn. Fröhlich und guter Dinge ging der Schelm davon.

Am nächsten Tag aber kamen alle Kranken wieder in das Spital zurück, klagten und jammerten. Jeder schlich und kroch in sein altes Bett.

»Wie ist das möglich«, fragte fassungslos der Spittelmeister, »gestern wart ihr doch alle gesund?«

Da erzählten ihm die Kranken, wie Eulenspiegel das zuwege gebracht hatte.

So hatten die guten Nürnberger ihr Geld verloren, und ihr Spital war wieder voll von Kranken wie vorher.

Boshafte Neckerei

Die Nürnberger ließen in jener Zeit nicht mit sich spaßen. Sie hatten bald herausgefunden, wer ihnen den Streich im Spital »Zum heiligen Kreuz« gespielt hatte, und geboten den Viertelsmeistern, nach dem Schalk zu fahnden. Der kluge Eulenspiegel roch aber Lunte und ließ sich bei Tag nicht mehr auf der Straße blicken. Kam aber der Abend, so machte er sich auf, um etwas auszuhecken. Bald kannte er alle Wege in der Reichsstadt, auch den langen Steg, der über die Pegnitz nach dem Saumarkt führt. Da hielt er sich öfters auf. Es verdroß ihn dabei sehr, daß manchmal ehrbare Dirnen, die zum Weinholen ausgeschickt worden waren, von losen Buben geneckt und geplagt wurden, gerade an dieser Stelle. Ei, dachte er, geht das so zu im stolzen Nürnberg? Wo sind denn die Scharwächter, die für Ordnung in der guten Stadt sorgen sollten? Nun ging er aus, um die Scharwächter zu suchen, obwohl er von diesen nichts Gutes zu erwarten hatte.

Endlich bekam er heraus, daß die getreuen Hüter der Stadt in einem Schuppen am Rathaus ihr Schläfchen zu machen pflegten, sobald es in den Straßen ruhiger wurde. Hier lagen die ehrsamen Wächter friedlich beieinander, Wehr und Waffen neben sich.

Da juckte es den Schelm, ihnen einen Streich zu spielen, sie sollten so munter werden wie am hellen, klaren Tage. Er wartete also, bis in Nürnberg alle Feuer gelöscht waren, dann ging er an den Steg am Saumarkt und riß hinterlistig einige Bretter von der Brücke und warf sie in die Pegnitz. Darauf ging er nach dem Rathaus, wo die Schläfer lagen, und fing an, die Scharwächter auszuschelten.

»Liegt ihr da, ihr Schelme! Ganz Nürnberg steht in Flammen, sechshundert Ritter und Knechte stehen vor den Toren! Mordio! Mordio! Wollt ihr gleich Wache halten, ins Horn tuten! Heraus aus dem Haus! Die Viertelsmeister, halben Meister, ganzen Meister sind aus den Federn!

Hu, hu!

Ihr pflegt der Ruh,

heraus aus dem Haus! Mit Nürnberg ist’s aus!

«

»Hol mich der Kuckuck«, sagte da einer der Scharwächter, »wenn dieser Schreihals nicht der Eulenspiegel ist, den wir suchen sollen, so will ich nicht Veit Fenzel heißen. Kein anderer führt so tolle Reden und treibt sich herum, wenn andere guten Christenmenschen auf dem linken Ohr liegen.«

»Das ist auch meine Meinung«, sagte ein anderer, »man hört ja an seiner Sprache den Sachsen. Das wird ein guter Fang werden; der Viertelsmeister hat jedem von uns eine Maß Bier versprochen, wenn wir ihn fangen. Der verdammte Schalk, ins Loch mit ihm! Der Tropf will sich über die Obrigkeit lustig machen!«

Die Scharwächter liefen nun eilig hinter Eulenspiegel her und riefen aus Leibeskräften: »Halt, halt!«, denn es war eine Maß zu verdienen. Weil sie nun jeden Pflasterstein kannten, achteten sie nicht sonderlich auf den Weg, liefen ihm nach an St. Sebald, an St. Veit vorbei, gerade auf den Saumarkt zu. Eulenspiegel war dicht vor ihnen und mußte seine ganze Flinkheit aufbieten, bieten, um ohne Schaden über den Steg zu kommen. Die Scharwächter aber die ihrer Beute gewiß waren, rannten in blinder Wut hinter ihm her und purzelten Mann für Mann nichtsahnend in die Pegnitz.

»Hallo, ihr Schelme«, rief ihnen der Schalk zu, »habt ihr’s so eilig, ein Bad zu nehmen? Freilich tut’s auch not nach dem langen Schlaf. Gehabt euch Wohl! Morgen sehen wir uns wieder!«

Die verdutzten Scharwächter hatten Mühe, aus dem nassen Bad wieder herauszukommen. Sie mußten statt des erhofften Bieres Wasser schlucken, aber munter wurden sie. Sie schworen darauf voll Grimm, den Schalk schon ausfindig zu machen, und wenn er sich in einem Mauseloch versteckt hätte. Sie machten indes die Rechnung ohne den Wirt, denn der kluge Eulenspiegel entwich und zog noch in der gleichen Nacht dem Bischof nach, der mittlerweile schon in Augsburg war. — Da zeigte sich wieder die Wahrheit der alten Lehre: Die Nürnberger henken keinen, sie hätten ihn denn!

Der ungläubige Wirt

Als Eulenspiegel nach Augsburg kam, traf sich’s, daß er in derselben Herberge einkehrte, in der das Gesinde des Erzbischofs noch vor ein paar Tagen genächtigt hatte.

Der Wirt leistete dem neuen Gast Gesellschaft und erzählte ihm, alle Welt hätte viel Wesens gemacht von einem gewissen Till Eulenspiegel, der das ganze Sachsenland mit seinen tollen Streichen errege und alle Männer zum Narren habe, selbst wenn sie sich auch noch so klug und weise dünkten.

»Aber das ist alles gelogen«, sagte der Wirt, »einen solchen Schalk gibt es nirgends, und gäbe es einen, so mag er wohl die dummen Sachsen hinter das Licht führen, bei uns wird er es wohl bleiben lassen. Wir stehen unsern Mann. In unsere gute Stadt kommen die Leute aus aller Welt, Pfaffen und Laien, und es sind manche darunter, die Haare auf den Zähnen haben, manche auch, denen der Schelm im Nacken sitzt, aber sie finden hier alle ihre Meister. Großmäulig kommen sie an, als ob sie die ganze Welt verschlingen wollten, aber demütig und heimlich schleichen sie sich wieder davon.

Ich sage Euch, hier gibt es manchen Weber, der klüger ist als anderswo die Doktoren. Das kommt eben daher, weil Augsburg die Hauptstadt im Römischen Reich ist.«

So redete der Wirt in seiner einfältigen. Weise weiter. Eulenspiegel aber schwieg ganz still dazu. Als es Abend wurde, legte er sich auf die Ofenbank, um zu schlafen, am Morgen aber machte er sich zeitig auf und davon.

Der Wirt hatte zwar einen festen Schlaf, wenn es aber Morgen wurde, wachte er immer zu einer bestimmten Stunde auf, verließ sein Bett und ging in den Stall, um sein Vieh zu füttern.

Diesmal aber wachte er mitten in der Nacht auf, wunderte sich, daß er ausgeschlafen hatte, dachte aber: Wozu sollst du um Mitternacht schon aufstehen und Licht verbrennen? Am besten legst du dich auf die andere Seite. Er schlief also noch einmal ein. Nach langer Zeit wachte er wieder auf und fand, daß er völlig ausgeschlafen hatte, denn er fühlte sich ganz lahm vom langen Liegen. Da wollte er aufstehen, denn es war ihm unerträglich, länger im Bett zu bleiben. Nun tastete er in der Dunkelheit nach seinen Beinkleidern, fand sie endlich und wollte sie anziehen. Das gelang ihm aber nicht, denn er brachte die Füße nicht durch die Hose.

»Ich glaube, ich bin verhext!« rief er, ließ die Hose und suchte nach seinen Lederschuhen. Die fand er endlich, konnte sie aber nicht vom Boden aufheben, so sehr er auch zerrte und riß. Ich bin wirklich verhext! dachte er und ging, um die Tür zu öffnen.

Allein die wollte nicht aufgehen. Da verwünschte er alle Hexen und Zauberer und nahm sich vor, seine Nachbarin, die er nicht ausstehen konnte, als Urheberin dieses Unheils bei den Gerichten anzuzeigen.

Endlich, als er sich mit aller Macht dagegenstemmte, glückte es ihm, die Tür einen Spalt aufzudrücken. Da sah er zu seinem Schrecken, daß der helle Tag in seine Dachkammer hereinschien. Da nahm er den Knüttel, den er immer hinter seinem Bette stehen hatte, benutzte ihn als Brecheisen und arbeitete sich hinaus. Nun wurde er gewahr, daß einer nachts ein schweres Weinfaß vor die Tür gewälzt hatte. Seine Hose war zugenäht, die Schuhe aber am Boden festgenagelt. Das schräge Dachfenster hatte jemand mit einem Brett und lauter Mist verdeckt. Als er zornig hinauslief, merkte er, daß es längst Mittag war. Die Ställe standen offen, und das Vieh schien schon am Abend herausgelassen worden zu sein. Natürlich lag die Magd auch noch im Bett. In der Wirtsstube aber lärmten die Gäste, die keine Bedienung hatten. Sie hatten das Tor offen gefunden, sich aus der Speisekammer selbst versorgt, auch Bier und Wein gezapft, soviel sie wollten.

Als der verschlafene Wirt eintrat, wurde er verlacht, und als er sein Leid erzählte; mußte er zum Schaden auch noch den Spott hinnehmen.

Er grübelte darüber nach, wer ihm wohl diesen Streich gespielt haben könnte, da sagten ihm zwei Kaufleute, von denen der eine Schöller, der andere Möller hieß: »Das wird kein anderer gewesen sein als der, dessen Wappen Ihr an Eurem Haustor finden werdet. Wir trafen ihn unterwegs und sollen Euch von ihm grüßen. Er ist über alle Berge.«

Der gefoppte Wirt ging darauf vor die Tür, sah die Eule mit dem Spiegel und las darunter: Hic fuit.

Also hat mich der Schalk doch hinters Licht geführt, dachte er. Mag er seine Romfahrt so weiter fortsetzen. Mag er bleiben, wie er ist, und Bübereien aushecken, wie er will, wenn er mir nur künftig nicht mehr unter die Augen kommt, denn ich sehe doch, wenn einer auch so klug ist wie ich, so wird er doch von einem Schalk betrogen. Von der Zeit an glaubte er an Eulenspiegel und dünkte sich nicht weiser.

Er macht hohen Herrschaften etwas weis

Nun wollte Eulenspiegel sein Glück als Maler versuchen. Er entschloß sich, in das Herzogtum Berg am Rhein auszuwandern, denn man kannte im Sachsenland seine Schelmereien schon zu gut, auch wußte er genau, daß er mit neuen Streichen keinen Anklang finden würde. Unterwegs traf er seine alten Bekannten Schöller und Möller, die sich nicht wenig freuten, ihn wiederzusehen. Ohne große Mühe überredete er sie, mit ihm zu ziehen und sich als seine Gesellen auszugeben.

Da es ihm an Dreistigkeit nicht fehlte, wandte er sich nach Düsseldorf und stellte sich dem Herzog als Gelehrter vor, der in Rom studiert habe. Der Fürst war sehr erfreut darüber, an seinem Hof einen solchen Stern zu sehen, und da er sich selbst mit der herrlichen Kunst, Gold zu machen, beschäftigte, fragte er Till, ob er die Alchimie verstehe. Daran hatte der Schalk bisher nicht gedacht und erwiderte, daß er eine weit höhere Kunst verstehe, nämlich die Malerei, und darin ein anerkannter Meister sei. Auch das war dem Herzog lieb, denn er hätte längst gern die Wände eines großen Saals in seinem Schlosse mit den Bildern seiner Ahnen schmücken lassen. Bisher waren ihm aber die Kosten zu hoch gewesen, um eigensdafür einen Meister aus Rom kommen zu lassen. Nun kam ihm der Zufall zu Hilfe! Da der Künstler aus Rom kam, zweifelte er keinen Augenblick an dessen Können, zumal ihm Till mehrere Gemälde vorlegte, die er als seine Arbeit ausgab und wohl irgendwo auf ehrliche oder unehrliche Art erworben hatte.

»Werter Meister«, fragte der Herzog Till also, »getraut Ihr Euch wohl, die schwere Arbeit zu übernehmen? Ich will Euch dafür vierhundert Gulden geben, hundert Gulden für jede Wand.«

»Sehr gern, gnädiger Herr«, antwortete Till, »und ich will mich bemühen, die Malerei recht kunstvoll und Euer würdig auszuführen.«

Also wurden sie handelseinig. Eulenspiegel ließ sich zweihundert Gulden Vorschuß geben und begann mit seinen Gesellen im verschlossenen Saal zu wirken. Ihre Arbeit bestand darin, daß sie gut aßen und tranken und sich die Langeweile mit Brettspielen verkürzten.

Das ging so einige Wochen lang. Da ließ der Herzog den Künstler kommen und sagte zu ihm: »Werter Meister, ich würde mich gern überzeugen, wie weit Eure Bildnisse fortgeschritten sind. Zeigt mir Eure Kunst.«

»Recht gern, gnädigster Herr«, antwortete der Schelm, »doch mache ich Euch darauf aufmerksam, daß ich sehr feine Kunst angewandt habe.«

»Sehr wohl«, sagte der Herzog.

»Meine Kunst ist reine Wahrheit«, fuhr Eulenspiegel fort, »ich habe Farben, Öl, Pinsel und Palette und all mein Malgerät erst weihen lassen, dazu habe ich ein Geheimnis angewandt, das in Rom selbst nur den wenigsten bekannt ist. Der große Maler Alighieri wollte es mir abkaufen für zwei Zentner Gold und ein Schloß in Florenz, aber ich habe es für mich behalten.«

»Ich bin sehr gespannt«, sagte der Herzog und machte immer größere Augen.

»Die Kunst besteht nämlich darin«, erklärte Eulenspiegel, »daß niemand die Bilder erblicken kann, der in seinem Leben gelogen hat, denn es ist eine Malerei der reinen Wahrheit.« Nun führte Eulenspiegel den Herzog in den Saal, der im stillen bei sich dachte: Das kann gut werden. Du hast dich ja manchmal in deinem Leben rausgeredet und bist nicht abgeneigt, deiner Gemahlin, deinem Adel und sonstigen Dienern so viel vorzuflunkern, daß sich die Balken biegen. Wie soll das enden?

Eulenspiegel nahm nun sehr feierlich und so, als ob er die allergrößte Vorsicht anwenden müsse, ein großes Tuch von der Wand, das da wie zum Schutz der Fresken gehangen hatte, und der verblüffte Herzog sah nun nichts als die weiße, nackte Wand vor sich. »Hm!« machte er, getraute sich aber sonst nichts zu äußern, um sich nicht als Lügner bloßzustellen.

Eulenspiegel aber, der große Meister, nahm seinen langen Malerstock aus Holunderholz und begann die einzelnen Gemälde, die da sein sollten, zu erklären: »Seht da, gnädigster Herr, das ist Herr Reginar, der Langhals genannt, der Graf von Lothringen, Lovania und Brabant, Euer Ahnherr, und hier seine Gemahlin Isabella, Herzogin von Siebenbürgen. Hier seht Ihr seinen Sohn Albrecht den Greulichen, wie ihn die Sage nennt. Wie Ihr seht, ist sein linker Schuh noch nicht ganz fertig geworden, weil die rote Farbe so schlecht trocknet. Ihr könnt Euch davon überzeugen.« Mit diesen Worten tat er so, als ob er an die Wand tippte, und zeigte dem verdutzten Herzog seinen Finger, den er vorher heimlich in frische rote Farbe gesteckt hatte. »Seht, gnädiger Herr, es ist noch ganz naß.«

»Jawohl«, meinte der Herzog, »es muß noch trocknen.«

»Hier seht Ihr Eberhard Schiefmaul, seinen Nachfolger«, fuhr Eulenspiegel dreist fort, »der um 600 nach der Geburt unseres Heilands lebte, den Herrn von Gudensberg, Thüringen und Hassia. Ist sein himmelblaues Gewand nicht zum Entzücken geraten? Und wie funkelt der Ordensstern!«

»Hm!« machte der Herzog und nickte zum Zeichen des Verständnisses.

»Das ist seine huldreiche Gemahlin Juliana Plaudertasche, von der erzählt wird, daß sie besser predigen konnte als jeder Pfarrer im Land und daß sie sieben Doktoren der Beredsamkeit zu Tode diskutierte. Hier seht Ihr den berühmten Johannes Eisenfresser, den tapfersten Kämpen im Römischen Reich, hochgeehrt in der ganzen Christenheit. Die Bockshörner zu seinen Füßen sind eine Allegorie, gnädigster Herr, und sie bedeuten, daß der tapfere Held in seinen letzten Lebensjahren ein sehr vorteilhaftes Bündnis mit dem Bösen abschloß. Hier seht Ihr seine Eheliebste, Margareta Zimperlich, samt ihrer Elster, mit der sie sich auf angelsächsisch unterhielt, denn sie stammte aus Northumberland. Das da ist ihr beiderseitiges Kind, Jörg mit der roten Nase, der tapfere Zecher, daneben seine huldreiche Gattin, Leontine Zagnurnicht, eine streitbare Dame, die selbst den mutigsten Recken Achtung einflößte. Der Schlüssel, den sie in der Hand trägt, ist gleichfalls eine Allegorie; er bedeutet, daß sie dem Eheherrn gegenüber ihr Hausrecht wohl zu wahren verstand. Auf dem Spruchband, das aus ihrem Mund geht, lest Ihr die Worte:

Komm nur heim, mein Ehgesell,

der Besen liegt bereits zur Stell,

leicht magst du aus dem Hause schleichen,

doch wird die Rache dich erreichen.

Der Sage nach sind das ihre eigenen Worte, wie Ihr wißt. Hier ist nun ihr Sproß, Jodokus der Dicke, der von den erlauchten Eltern nicht nur die reichen Güter und Herrschaften, sondern auch die vortrefflichen Eigenschaften erbte. Wie Ihr seht, gnädigster Herr, ist von seinem Bildnis nur die Untermalung bis jetzt fertig, dafür ist es eben auch das letzte in der Reihe. Meine Gehilfen werden es in diesen Tagen vollenden, und dann wird die nächste Wand in Angriff genommen werden. Nun, wie gefallen Euch meine Bildnisse, gnädigster Herr?«

Der Herzog wußte nicht, was er beginnen sollte. Habe ich wirklich so furchtbar gelogen, dachte er, bin ich blind, oder arbeitet der Schelm mit der Schwarzen Kunst? Der fremde Meister hat mich auf eine kitzlige Probe gestellt. Er antwortete hierauf: »Hm, Eure Bilder gefallen mir gar wohl, doch gehört zu Eurer Kunst ein feines Verständnis, und das ist nicht jedermanns Sache.« Damit ging er weg und wußte noch nicht, was er davon denken sollte.

Bei der Tafel fragte ihn die Herzogin nach dem Werk des fremden Meisters. »Gern möchten meine Jungfern einmal sehen, wie weit er gekommen ist, und ich möchte ihnen den Gefallen schon tun, sie in das Atelier einzuführen, nicht meinetwegen also, denn ich bin ganz und gar nicht neugierig.«

»Wenn es der Meister erlaubt, mögt Ihr wohl mit Euern Jungfern das Werk sehen«, beschied der Herzog.

»Kann er wirklich so kunstreich malen?« fragte sie weiter. »Ich meine, er sieht aus wie ein rechter Schalk.«

»Geht nur, Ihr werdet Euch wundern«, sagte er darauf und lenkte das Gespräch auf eine Reiherbeize und andere Staatsgeschäfte. Die Herzogin konnte die Zeit gar nicht erwarten, bis die Tafel aufgehoben war, und obschon sie nicht neugierig war, sondern bloß ihre Jungfern, eilte sie doch zu dem Meister und bat ihn, das Werk sehen zu dürfen. Das erlaubte Eulenspiegel wohl, sagte ihr aber geradeso wie dem Herzog, daß niemand von der Kunst etwas genießen werde, der in seinem Leben gelogen habe.

Ein bißchen habe ich wohl auch gelogen, dachte sie, habe meinen lieben Gatten, meinen Hof und manche meiner Verwandten wohl einmal hinters Licht geführt, aber vielleicht schadet das nichts. Übrigens kann ich nun wohl erfahren, wer von meinem Gesinde die Wahrheit redet oder nicht.

Mit diesen Worten ging sie in den Saal und bat den Meister, ihr das Werk zuerst zu zeigen, obschon sie gar nicht neugierig war und sich doch nur für ihre Mägde aufopferte. Eulenspiegel löste mit derselben Andacht und Vorsicht das Laken, worauf er die launige Erklärung der Bilder begann, geradeso, wie er es bei dem Herzog getan hatte, nur daß er noch hinzufügte, daß dem Herrn die Darstellungen außerordentlich gefallen hätten. Nun starrte die Herzogin die leere Wand an und dachte: Entweder bin ich ein blinder Hesse geworden, weil ich in meinem Leben so viel gelogen habe, oder mit der Malerei hat es einen Haken.

So ging es auch den ehrbaren Fräulein, die gleichwohl »Ah!« und »Oh!« und »Wundervoll!« riefen, auch mit den Händen klatschten und laut lachten, als von Frau Leontine Zagnurnicht und ihrem Hausschlüssel die Rede war. Ihre Herrin sollte doch von keiner denken, daß sie eine Lügnerin sei und von der Kunst nichts verstünde. Dabei aber dachte jede im stillen: O weh, du bist auch ein blinder Hesse, hoffentlich merkt es keine.

Nun war aber unter den Mädchen eine, die nicht aus dem Bergischen stammte, sondern aus Köln, und die etwas vorlaut war, wie alle Kölnerinnen von damals. Die sah dem Spiel eine Weile zu, dann aber sagte sie keck: »Und wenn ich mein Lebtag als eine Erzlügnerin gelten soll, ich sehe hier nichts weiter als eine weißgetünchte Wand.«

Kaum hatte sie so geredet, als alle Jungfrauen »Pfui!« riefen und sich von der mutigen Kölnerin unmutig und mit Verachtung abwandten. Till Eulenspiegel merkte, daß man das ins Lächerliche ziehen müsse, und drohte ihr mit dem Finger, wie man ein Mägdelein väterlich zurechtweist, das man bei einer Unwahrheit ertappt hat.

Die Herzogin verließ darauf mit ihren Dienerinnen den Saal. Als der Fürst sie nun fragte, wie ihr die Malerei gefallen habe, da sagte sie: »Sie gefällt mir so gut wie Euch, auch meine Jungfern sind sehr eingenommen davon, aber die kleine Kölnerin behauptet, daß sie nichts sehe als eine getünchte Wand.«

Der Herzog dachte sich sein Teil dabei, meinte aber, es sei das beste, wenn er morgen mit dem ganzen Hofgesinde erscheine, damit er sehe, wer aufrichtig und wer ein Lügner sei. Das wurde Eulenspiegel mitgeteilt.

Seinen beiden Gesellen wurde nun doch der Boden zu heiß, und sie sagten: »Wir bleiben keine Stunde mehr in Düsseldorf und machen, daß wir aus dem Bergischen kommen, denn wenn der Herzog hinter die Büberei kommt, läßt er uns einen Kopf kleiner machen.«

Dieser Meinung war auch der berühmte Meister der — Schalkheit; er schnürte also auch sein Bündel und ging davon. Als der Herzog am nächsten Tag mit seinem gesamten Hofstaat kam, da waren die Vöglein schon ausgeflogen. Nun ließ er das Laken von der Wand nehmen, um zu sehen, welche Malerei der Künstler vollendet häbe. Es war indes nichts weiter zu sehen als das Wappen Till Eulenspiegels mit der bekannten Inschrift: Hic fuit.

Da sagte der Herzog: »Wir sind von dem Schelm Eulenspiegel betrogen worden, den ich zur Strafe für seine Büberei aus dem Land weise. Aber da sieht man, wie die Menschen sind. Ich wußte von vornherein, daß wir es mit einem Schalk zu tun hatten, der nichts gemalt hat, weil er die Kunst nicht verstand. Mich hat er nicht irregeführt, dagegen muß ich erleben, daß er meiner Gemahlin und ihren Jungfern blauen Dunst vormachen konnte.«

»Mir nicht«, rief die kecke Kölnerin, aber ihre Stimme wurde nicht beachtet, ja, sie wurde mit unfreundlichen Blicken und Reden gestraft, weil Sie klüger sein wollte als die andern.

Bleibe den Narren aus ihrem Bereiche!

Bist du bei Hofe, so dulde und schweige!

Eulenspiegel aber gab nach diesem Ereinnis die Malerei wieder auf. Er beeilte sich, das Bergische Land zu verlassen. Da er sich aber auch nicht wieder nach Sachsen getraute, beschloß er nach der Heimat jenes klugen Fräuleins zu gehen, das ihm hinter die Karten geguckt hatte. »Ich will nach Köln gehen und ein Trickes werden«, sagte er und zog nach dem Rhein.

Ein hartes Lager

In Köln angelangt, lebte Till Eulenspiegel ganz für sich, nahm auch keinen Dienst bei einem Herrn oder Meister an, denn er dachte:

Niemandes Herr und niemandes Knecht,

das bleibt des fahrenden Mannes Recht.

Also schlenderte er den ganzen Tag in der freien Stadt herum, besah den großen Christoph im Dom, rief »Alaaf Kölle!«, wenn es alle schrien, und wohnte im Gasthof »Zur Zweibahn«.

Da waren viele fahrende Gesellen. Aber der Wirt war ein Schalk, und da sich zwei Schälke nicht in einem Haus vertragen, gedachte Eulenspiegel sich eine andere Herberge auszusuchen. Davon bekam der Wirt Wind und wurde grob und rücksichtslos gegen ihn, wie die Kölner Gastwirte damals gegen die zu sein pflegten, von denen sie nichts mehr einzunehmen hofften.

Als es Abend wurde, schickte der Wirt seine Gäste zur Ruhe. Jeder erhielt sein Bett, nur Eulenspiegel nicht. Da sprach er zu dem Herbergsvater: »Lieber Trickes, wie kommt es, daß Ihr mir kein Lager anweist, wo doch sonst alle Eure Gäste ein Bett erhalten?«

Da nahm der Grobian einen Schlegel, den er beim Bieranzapfen brauchte, warf ihn Eulenspiegel vor die Füße und sagte: »Da hast du ein Kopfkissen!« Dann griff er ein Stuhlbein, warf ihm das vor den Leib und sagte: »Da hast du ein Laken!« Nun nahm er einen Stuhlsitz, stülpte ihn Eulenspiegel auf den Kopf und setzte hinzu: »Da ist ein ganzes Bett! Schlaf wohl, träum süß und leg mir das Bettzeug morgen wieder schön zusammen!«

Sprach’s und ging lachend davon. Eulenspiegel mußte sich also in dieser Nacht auf der Bank ausstrecken. Er fand, daß es dort recht hart und unbequem war, tröstete sich aber und dachte: Die Nacht wird wohl auch vorübergehen.

Am andern Morgen kam der Wirt herein und wollte sehen, wie Till geschlafen habe. Da warf ihm Eulenspiegel den Schlegel an den Kopf und sagte: »Da hast du dein Kopfkissen wieder!« Ebenso landete das Stuhlbein und der Stuhlsitz am Kopf des Wirts, so daß dieser die Flucht ergriff. Als er aber wiederkam, war Eulenspiegel davongegangen, um eine andere Herberge aufzusuchen. Der Wirt gehörte aber zu jenen Leuten, die eine Grobheit nicht übelnehmen, weil sie selbst darin Meister sind. Er sandte also seinen Knecht hinter ihm her und ließ ihn wieder holen. Darauf versöhnten sich die beiden Grobiane, von denen jeder des andern Wert erkannt hatte.

Schall und Rauch

Eulenspiegel blieb lange Zeit in der Herberge »Zur Zweibahn« in Köln, bekam auch seit seinem Streit mit dem groben Trickes immer ein gutes Bett, auch gutes Essen an der Wirtstafel. Aber eines Tages wurde das Essen viel zu spät auf das Feuer gebracht, als daß es zu Mittag hätte rechtzeitig fertig werden können, obwohl Eulenspiegel den Wirt mehrmals gemahnt hatte, weil ihn der Hunger plagte. Es sollte diesmal drei Stunden länger dauern als sonst. Das verdroß ihn sehr.

Der grobe Wirt merkte wohl, daß das seinem schalkhaften Stammgast gar nicht nach Wunsch war, dachte aber: Wozu bin ich Herr im Hause! Meine Gäste haben sich nach mir zu richten, nicht ich mich nach ihnen. Laut sagte er dann: »Wer nicht warten gelernt hat, der mag knabbern, was er hat.« Das ließ sich Till nicht zweimal sagen, er zog eine trockene Semmel hervor und aß sie auf. Da er in der Herberge wie zu Hause war, ging er sodann in die Küche, um nach dem Essen zu sehen. Die Frau des Wirts, die nicht minder grob war als ihr Gatte, fuhr ihn an: »Du brauchst hier nicht Maulaffen feilzuhalten; willst du hier bleiben, so magst du den Braten am Spieß drehen und beträufeln.« Das tat Eulenspiegel und vertrieb sich damit die Langeweile, dabei dachte er an seine Kochkünste in früheren Zeiten, wo er für den Bauern- und Bürgerstand und selbst für einen Bischof gekocht hatte. Darüber vergaß er den Hunger, und von dem Geruch des Bratens wurde er vollends satt.

Endlich wurde angerichtet. Der Wirt setzte sich mit seinen Gästen zu Tisch. Eulenspiegel aber blieb am Herd sitzen.

Da kam der Wirt zu ihm und sagte: »Wie, Eulenspiegel, willst du nicht mit uns essen?«

»Nein, ich habe keinen Hunger mehr«, antwortete Eulenspiegel. »Ich bin vom Geruch des Bratens satt geworden.«

Das ist Trotz, dachte der Wirt, er will es mich entgehen lassen, daß die Mahlzeit so lange auf sich warten ließ. Ich will ihn aber lehren, sich so zu betragen, Wie es in Köln üblich ist.

Er sagte also nichts. Als die Mahlzeit zu Ende war, ging er reihum bei den Gästen und nahm jedem für das Essen zwei Weißpfennige ab. Dann kam er auch mit seinem Zählbrett in die Küche zu Eulenspiegel, der noch immer am Herd saß. Auch von ihm forderte er zwei Weißpfennige für die nicht genossene Mahlzeit.

»Wie, Herr Wirt«, entrüstete sich da Eulenspiegel, »ist das Eure Art, Geld von einem zu fordern, der Eure Mahlzeit nicht gegessen hat?«

»Ich verlange mein Geld!« rief der Wirt zornig. »Hast du nicht mitgegessen, so bist du doch von dem Geruch satt geworden. Du hast hier so lange bei dem Braten gesessen, das gilt soviel wie eine Mahlzeit.«

Da zog Eulenspiegel einen Weißpfennig heraus, ließ ihn auf die Bank fallen und fragte: »Herr Wirt, hört Ihr diesen Klang?«

»Diesen Klang höre ich wohl«, antwortete der.

Nun steckte Eulenspiegel geschwind den Weißpfennig wieder in seine Tasche und sagte: »So viel Euch der Klang dieses Weißpfennigs in Eurem Beutel nützt, so viel nützt mir der Geruch Eures Bratens in meinem Magen.«

Der Wirt wurde nach dieser Abfertigung nur noch erboster und verlangte wenigstens diesen Weißpfennig zur Bezahlung. Allein Eulenspiegel sagte: »Wenn Ihr mit dem Klang des Geldes nicht für den Geruch Eurer Mahlzeit zufrieden seid, so gibt es noch Richter in Köln, die unsern Streit schlichten werden.«

Der Wirt wollte aber nicht mit ihm rechten, denn er wußte wohl, daß dabei nicht viel Gutes für ihn herauskommen würde, deshalb ließ er ihn unangefochten. Eulenspiegel aber wandte Köln für immer den Rücken.

Lebensweisheit und Bücherkram

Eulenspiegel ging von Köln aus auch einmal nach Paris. Da merkte er bald, daß es dort viele gelehrte Leute gab, die sich Scholastiker nannten. Sie übten sich Tag für Tag in den wunderbarsten gelehrten Fragen, wozu sie sich in ihrer Universität, der Sorbonne, versammelten. Da saßen sie dann und beantworteten mit großem Spürsinn alle Fragen, die ihnen vorgelegt wurden, lösten alle Rätsel mit Leichtigkeit und beriefen sich auf ihre Bücher. Kam ein Fremder in ihren Kreis, so fertigten sie ihn gründlich ab und zeigten ihm, wie viele Bibliotheken er durchstudieren müsse, um es an Gelehrsamkeit mit ihnen aufzunehmen.

Sie wußten, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben; was früher gewesen, der Vogel oder das Ei; wie die Menschen auf dem Mond aussehen; in welcher Tonart die Planeten ihr Sphärenlied singen; wie die Drachen beschaffen gewesen; welche Bäume im Paradies gestanden; welche Sterne Glück und welche Unheil bedeuten. Keiner wußte aber, wie man ein Wams flickt, einen Mehlbrei anrührt, einen Degen führt, einen Wall errichtet, wie man seine Gesundheit erhält, ein Pferd kauft oder gar, wie man ein gerechtes Urteil fällt oder einem Fürsten einen Rat gibt, vielmehr sahen sie nur darin ihren Lebenszweck, mit spitzen Zungen unnütze Wortgefechte zu führen.

In diese hochweise Versammlung verirrte sich auch Till Eulenspiegel, der freilich nur über ein wenig Mutterwitz und gesunden Menschenverstand verfügte. Er stellte sich eines Tages mitten in den Saal vor das Katheder, auf dem der Rektor alle Fragen, die gestellt wurden, laut verkündete.

Als er nun des Fremden ansichtig wurde, sagte er: »Junger Mann, gelüstet es Euch vielleicht, eine Frage zu stellen?«

Eulenspiegel sagte ja und fuhr fort: »Was ist besser, daß einer das übt, was er kennt und weiß, oder daß er das erst lernt, was er im Leben tun will, und machen die Doktoren die Bücher oder die Bücher die Doktoren?«

Diese seltsame Frage wurde der gelehrten Gesellschaft vom Rektor zur Untersuchung vorgelegt, und es bildeten sich sogleich zwei Parteien.

Die Mehrzahl der Gelehrten wurde schließlich darüber einig, daß es richtiger sei, wenn einer das tue, was er verstehe, und daß die Doktoren die Bücher machen, nicht umgekehrt.

Darauf antwortete Till: »Dann seid ihr alle Narren, denn ihr tut nicht, was ihr versteht, und bei euch gilt der als der Größte, der die meisten Bücher verfaßt hat, nicht der, welcher sein Wissen auch anzuwenden versteht. Ihr mögt nun über das Thema disputieren, so lange ihr wollt.«

Damit verließ er die Versammlung der gelehrten Griffelspitzer, um sie nie wieder aufzusuchen.

Eulenspiegels Lebensweisheit

Wo der lustige Schalk auch war, stets suchte er Gesellschaft auf, denn er meinte, durch Alleinsein komme keiner in eine heitere Stimmung. Das tat er auch, wenn er Fußwanderungen machte. Da wunderten sich seine Begleiter immer über sein sonderbares Wesen. Ging es einen Berg in die Höhe, dann ächzten wohl die Wanderer über die Mühsal, Eulenspiegel aber war guter Dinge. Ging es talab, dann freuten sich die Reisenden, weil sie sich weniger anzustrengen brauchten, nur Eulenspiegel war verdrießlich. Da fragte ihn jemand nach dem Grund seiner Fröhlichkeit beim Aufstieg und seiner Verstimmung beim Bergabgehen.

Er antwortete darauf: »Wenn ich auf die Höhe klettern muß, denke ich allemal an den bequemen Abstieg, der doch danach immer kommen muß, das stimmt mich heiter. Geht es aber gemächlich nach unten, so graut mir schon vor dem Berg, der kommen wird und überstiegen werden muß, und das stimmt mich trübe. Habe ich Unglück, so denke ich an glückliche Zeiten, im Glück aber an das Mißgeschick, das mich im Leben noch treffen wird.«

Wenn er an einem hohen Gebäude ohne Schaden vorüberkam, dann pries er sein Glück, denn er meinte, es hätte ihm ja von der Höhe ein Stein auf den Kopf fallen können, wenn er eben nicht Glück gehabt hätte.

Bei einem freigebigen Hausherrn blieb er nicht lange, denn er meinte, in diesem Heim müsse eine liederliche Wirtschaft herrschen. Auch freute er sich, wenn er gesunde Speisen zu sich nahm, und hielt es für einen Glücksfall, daß er statt dessen nicht das genießen mußte, was in der Apotheke gebraut, gedreht und zusammengegossen wurde.

Für den stärksten Trank hielt er nicht den Wein oder den Absinth, sondern das Wasser, weil das große Mühlräder treibt und manchen guten Gesellen umbringt, der davon zuviel schluckt, sei es im Strom oder im Meer.

Der Gipfel der Unverschämtheit

Als Till Eulenspiegel aus Paris nach dem Römischen Reich zurückkehrte, war sein Geld so zusammengeschmolzen, daß er den Leibriemen sehr eng schnallen mußte. Doch wollte er lieber ganz Sachsen von einem Ende zum andern durchlaufen, als sich in eines Herren oder Meisters Dienst begeben, denn vom Arbeiten hielt er nicht viel und meinte, das sei nur eine unnütze Unterbrechung der Ruhestunden. So kam er nach Franken und hielt sich auch in Bamberg auf. Da ging er in einen Gasthof, der einer Witwe gehörte. Das war eine muntere und kluge Frau. Till Eulenspiegel blieb da die Nacht, am Morgen aber bekam er Hunger, so daß er gern eine gute Mahlzeit zu Mittag gehabt hätte.

Als nun die Wirtin von der Fleischbank zurückkam, wo sie Einkäufe gemacht hatte, fragte er bescheiden, ob er wohl eine gute Mahlzeit bekommen könne.

»Ei freilich«, sagte die Frau, »soviel Ihr wollt, mögt Ihr essen. Ihr könnt an der Wirtstafel speisen, wenn Ihr aber etwas Besonderes nach Eurem Geschmack zu essen wünscht, dann kann ich es Euch machen.«

»Ach liebe Frau«, sagte er, »ich bin ein armer fahrender Gesell. Mein Geld ist zur Neige gegangen, schenkt mir eine Mahlzeit um Gottes Lohn. Was kommt es Euch darauf an, ob Ihr einen Gast mehr oder weniger habt.«

»Werter Gast«, antwortete sie, »in den Fleischbänken und beim Bäcker gibt mir keiner etwas umsonst, ich muß dafür Geld geben. Deshalb muß ich auch für mein Essen Geld nehmen.«

»Das ist auch mein Fall, um Geld zu essen«, sagte er listig, »um wieviel Geld kann einer bei Euch essen und trinken?«

»An der Herrentafel im Stübchen ißt einer um dreißig Pfennige, an der Wirtstafel um zwanzig und am Gesindetisch in der Küche um zehn Pfennige.«

»Liebe Frau, wo es um das meiste Geld geht, ist es mir am liebsten«, meinte Eulenspiegel und setzte sich dreist in das Stübchen an die Herrentafel zwischen Doktoren und reisende Kaufleute, und hatte doch kaum ein paar Pfennige in der Tasche. Es wurde aufgetragen, und Eulenspiegei aß, als ob er vier Wochen lang im Hungerturm gesessen hätte. Als er endlich fertig war, gut gegessen und getrunken hatte, sagte er zu der Wirtin: »Liebe Frau, fertigt mich jetzt ab, ich muß weiterfahren, denn ich habe wenig Zehrgeld.«

»Lieber Gast«, antwortete sie, »gebt mir meine dreißig Pfennige und zieht dann, wohin Ihr wollt. Gott geleite Euch!«

Eulenspiegel tat sehr erstaunt und meinte: »Nicht so, liebe Frau, sondern ich kriege von Euch dreißig Pfennige. Ihr habt mir doch gesagt, daß ich bei Euch um dreißig Pfennige essen könne; das habe ich getan, um etwas redlich zu verdienen. Ich habe nach Euren Worten gehandelt, habe im Schweiße meines Angesichts gegessen, soviel ich vermochte. Ich denke, Ihr werdet mir daraus keinen Vorwurf machen, daß ich nicht mehr leisten konnte. Kostete es auch mein Leben, ich kann nicht mehr. Gebt mir also meinen sauer verdienten Lohn, denn ich muß jetzt wirklich aufbrechen, wenn ich noch nach Bayreuth will.«

Die Frau hatte erst Lust, ihren Knecht und den Büttel zu rufen, als aber der Fremde so ernsthaft zu ihr sprach, wurde sie verblüfft, so daß sie selber nicht genau wußte, ob sie oder er Geld zu fordern habe. Endlich sagte sie: »Daß Ihr für drei gegessen habt, weiß ich wohl. Das mag damit sein Bewenden haben. Mir kommt es nicht auf eine Mahlzeit mehr oder weniger an. Aber Geld gebe ich Euch nicht dafür. Sollte ich lauter solche Gäste abfüttern, wie Ihr einer seid, so trieben sie mich bald von Haus und Hof. Geht Eurer Wege!«

Da ging Eulenspiegel und tat wie einer, dem schweres Unrecht zugefügt worden ist. Er hatte sich nach Leibeskräften bemüht, etwas zu verdienen, und mußte nun abziehen ohne Dank und Lohn.

Eine andere Zechprellerei

Von Bamberg aus pilgerte Till Eulenspiegel nach Bayreuth. Dort kam er in eine Herberge, deren Wirt die Klugheit nicht gerade mit Löffeln gegessen hatte, wie Till bald merkte. Geld besaß Eulenspiegel wie gewöhnlich nicht, dafür hatte er großen Hunger. Der Wirt fragte ihn, ob er ihm ein Schöpplein Wein bringen solle. Dabei entdeckte Eulenspiegel, daß in der Küche Rostwürstchen gebraten wurden. Die rochen gar lieblich. Als nun der Wirt das Schöpplein Wein brachte und ihm mit einem »Geseg’n es Gott!« vorsetzte, sagte er schalkhaft: »Lieber Herr Wirt, bringt mir dafür ein Rostwürstlein.«

Da nahm der Herbergsvater seinen Wein zurück und brachte ihm ein Rostwürstchen. Das aß Till mit Stumpf und Stiel auf und ging dann seines Weges. An der Tür aber hielt ihn der Wirt zurück und sagte: »Ei, ei, mein wetter Gast, das ist hier nicht Brauch, ohne Bezahlung davonzugehen. Zahlt mir vorerst das Rostwürstchen!«

»Das Rostwürstchen zahle ich Euch nicht«, antwortete Till rasch, »denn dafür habe ich Euch den Schoppen Wein gegeben.«

»Den habt Ihr ja auch nicht bezahlt«, sagte der Wirt.

»Ich habe ihn ja auch nicht getrunken«, antwortete der und ging davon. Der Wirt, dem das nicht recht in den Kopf wollte, hatte das Nachsehen.

Ein Narr kann mehr fragen, als sieben Weise beantworten können

Kein Mensch weiß, wie es Till Eulenspiegel fertigbrachte, von Franken nach Prag zu reisen und dort nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern auch viele Freunde zu erwerben. Es war aber wirklich so, sonst könnte es ja gar nicht erzählt werden. In Prag trug Eulenspiegel statt der Schelmenkappe ein Barett, dazu einen langen Rock wie die Doktoren, und wurde überall als Gelehrter angesehen.

An Schulen und Kirchen schlug er Streitsätze an, wodurch er die ganze Universität in Aufregung brachte, denn seine Freunde behaupteten nun, Till Eulenspiegel habe im kleinen Finger mehr Weisheit als die ganze philosophische Fakultät, auch seien sämtliche Doktoren und Magister samt dem aufgeblasenen Rektor nicht wert, ihm die Schuhriemen zu lösen, weil sie nicht wagten, mit ihm anzubandeln. So wurden bereits garstige Spottverse an die Kollegien angeheftet. Man las da:

Am Tier mit langen Ohren

ging ein Doktor verloren.

In Prag ist das Kollegium

der Herren Magister schrecklich — klug.

Gar mancher Professor studiert Jahr um Jahr

und bleibt doch am Ende so schlau, wie er war.

Der Rektor trägt ein buntes Barett,

bei Tag ist er weise, dumm geht er zu Bett.

Die Herren Doktoren konnten sich wohl denken, aus welcher Fabrik diese schlechten Verse stammten, und nahmen sich daher vor, den Übeltäter gründlich zu bestrafen. Der Rektor schickte also eines Tages den Pedell zu Eulenspiegel und ließ ihn auffordern, zum Kolleg zu kommen, da wolle man ihm Fragen aufgeben. Eulenspiegel ließ antworten, daß er hierzu bereit sei, nur möge man ihn mit Kirchenvätern, längst verstorbenen Heiden und scholastischer Weisheit verschonen und ihm nur Fragen aufgeben, die der gesunde Menschenverstand lösen könne.

Das wurde ihm zugestanden. Am festgesetzten Tag strömten die Gelehrten in hellen Scharen zur Universität. Auch die Studenten kamen, die so gelehrt werden wollten wie ihre Professoren, und hatten nach ihrer Gewohnheit ihre Rapiere mitgebracht. Eulenspiegel aber hatte auch seinen Anhang bei sich, seinen Wirt, mehrere Bürger und lustige Gesellen, die alle derbe Knüttel in den Händen hatten, denn man konnte nicht wissen, was sich ereignen würde. Die Studenten waren nämlich damals sehr rauflustig.

Der Rektor empfing Eulenspiegel sehr feierlich und gemessen, wies ihm ein Rednerpult an und legte ihm dann eine Frage vor, die er beantworten sollte; die Frage hätte niemand beantworten können, selbst wenn man die Gelehrten dieser ganzen Universität dazu aufgeboten hätte. Sie hieß: »Wieviel Eimer Wasser sind im Meer?«

Darauf erwiderte Eulenspiegel:

»Verstopft alle Flüsse aus Seen und Teichen,

die meerwärts strömen aus allen Reichen,

und hemmt den Regen, dann will ich Euch sagen,

wieviel die Eimerzahl mag betragen.«

Diese Antwort hatte niemand erwartet, Eulenspiegels Freunde gaben ihren Beifall zu erkennen, die Doktoren schwiegen, dachten aber: Recht hat er.

Der Rektor wollte sich indes mit dieser Abfertigung nicht zufrieden geben, er hatte schon eine neue Ftage auf der Zunge, und die hieß: »Wieviel Tage sind vergangen seit Adams Erschaffung bis heute?«

Er dachte dabei: Jetzt wird sich der ungelehrte Tropf wohl mit seinen kläglichen Rechenkünsten schändlich blamieren. Eulenspiegel aber antwortete munter:

»Sieben Tage, liebe Leute,

sind verflossen just bis heute.

Wenn von diesen nichts geblieben,

folgen eben andre sieben.

So geht es seit Adams Zeit

bis in alle Ewigkeit.«

Jetzt lachten Eulenspiegels Anhänger schon, die Doktoren aber murrten gegen den Rektor, daß er den Schalk nicht aufs Eis zu führen verstehe. Der schluckte seinen Ärger hinunter, dachte: Aller guten Dinge sind drei, und stellte die nicht minder schwere Frage: »Wo ist die Mitte der Welt?«

Oh, wie schlau und fein! dachten die Doktoren. Jetzt muß er doch Rom nennen, wo der Heilige Vater wohnt, oder Prag, den Sitz der Gelehrsamkeit. Nennt er das erstere, so verdirbt er es mit allen geschulten Leuten, bestimmt er das andere, dann kommeri ihm die Geistlichen ans Leder.

Auch seine Freunde wurden besorgt und wollten schon zur Geltung bringen, daß es mit den beiden gelösten Fragen sein Bewenden haben könne, aber der Schalk antwortete:

»Grade da, wo ich hier stehe,

ist der Mittelpunkt der Welt.

Wollt Ihr das für wahr nicht halten,

meßt es aus, wenn’s Euch gefällt.

Von dem weiten Rand der Erde

bis zu mir in gleicher Weite,

und von mir aus, klug gemessen,

fehlt nicht eines Strohhalms Breite.«

Diese überraschende Antwort machte die Freunde Eulenspiegels jubeln, die Doktoren und Studenten wurden aber darüber wütend. Der Rektor, der ihn nun aus dem Gebiet der Physik, der Mathematik und Geologie gefragt hatte, war mit seinem Latein zu Ende, gab ihm aber, um ihn schließlich doch noch bloßzustellen, eine Aufgabe aus der Astronomie, die hieß: »Wie weit ist es von hier bis in den Himmel?« Eulenspiegel besann sich nur kurze Zeit, um zu erwidern:

»Werte Herren, gar nicht weit

ist der Himmel unsrer Erde,

der gesamten Christenheit,

wie ich Euch beweisen werde.

Wenn Ihr wollt gen Himmel steigen

bis zu sel’ger Engel Chören,

ruft herunter, wertet Rektor,

ich kann Euch von unten hören.«

Der Rektor war zu der Probe nicht entschlossen, wohl aber zu einer letzten Frage aus dem Gebiete der Metaphysik. Sie hieß: »Wie groß ist der Himmel?«

Auch darauf blieb Eulenspiegel die Antwort nicht schuldig. Er sagte:

»Tausend Klafter ist die Weite,

tausend Klafter ist die Breite,

hunderttausend Ellenbogen

ist die Höhe. Wer es besser

kennt, ein weis’rer Messer,

sage mir, daß ich gelogen.«

Nach dieser Auskunft streckte der Rektor die Waffen.

Till Eulenspiegel wurde im Triumph als Sieger über die hochweise Prager Universität nach seiner Herberge geleitet und dort gefeiert, aber er zog es vor, noch in der Nacht abzureisen, weil die ergrimmten Studenten einen Anschlag gegen ihn im Schilde führten.

Ein gelehriger Schüler

Seitdem Eulenspiegel in Paris und Prag gewesen war, fand er Gefallen daran, die Gelehrten zu foppen, wo er sie antraf, denn er hatte die Wahrheit des Sprichworts erfahren: Je gelehrter, desto verkehrter. Deshalb beschloß er, noch einmal die gute Stadt Erfurt aufzusuchen, in der ja auch eine berühmte Universität war. Auch ohnedies trieb es ihn, diese Stadt besser kennenzulernen, in der so viele kluge Leute sein sollten, denn es hieß doch:

Hätt ich der Venediger Gut

und derer von Nürnberg Übermut

und derer von Erfurt Witz,

so gäb ich niemand nichts.

Hätt ich dazu der Ulmer Geld,

so wär ich der Reichste in der Welt.

Also kam er nach Erfurt und wohnte wieder in der »Hohen Lilie«, doch kannte ihn niemand mehr, denn er hatte sich sehr verändert in den letzten Jahren. In der Universität hatten sie aber schon von ihm und seinem Treiben in Prag erfahren und berieten bereits, wie sie es anfangen müßten, daß sie nicht ebenso wie die böhmischen gelehrten Brüder angeführt würden. Eulenspiegel konnte nämlich seine Neckereien nicht lassen, überall schlug er seine Streitsätze an, und die Doktoren lasen da zu ihrem Ärger: Wovon wird ein Magister weiser? Wenn er Puffbohnen oder Brunnenkresse genießt? Wie viele Esel werden in Erfurt gehalten in Stadt und Weichbild, die Akademie inbegriffen? — Haben die Erfurter deshalb die größte Glocke im Dom, weil zur bedeutendsten Narrenkappe eben auch die größte Schelle gehört? — Daneben erbot er sich auch, Lesen und Schreiben zu lehren, gleichviel wem, bemerkte auch, daß er dies in kurzer Zeit bewerkstelligen könne.

Darauf hielt der Rektor mit seinen Freunden eine Beratung ab. Am Ende kamen sie auf einen gescheiten Einfall, und der Rektor sagte vergnügt: »Ich hab’s! Mich soll er nicht fangen, wie er den Herrn Kollega in Prag genasführt hat, dafür stehe ich ein!« Also ließ er Eulenspiegel freundlich bitten und fragte ihn, ob er nach seiner Ankündigung und Verheißung jeder Kreatur Lesen und Schreiben lehren könne. Das bejahte Till. Darauf sagte der Rektor: »Dann möchte ich Euch fragen, wertet Herr Magister und Kollega, ob Ihr Euch getraut, diesem etwas schwierigen Schüler die Künste beizubringen?« Damit führte er ihn in den Stall; dort stand der ungelehrige Schüler, ein Esel, an der Krippe. »In welcher Zeit«, fragte der Rektor höhnisch, »würdet Ihr Eure Aufgabe vollbringen?«

Darauf antwortete der Schalk: »Zwanzig Jahre möchten wohl darüber hingehen, würdiger Herr Rektor. Das ist nicht zu lange, wenn Ihr bedenkt, daß hier eine unvernünftige Kreatur zur ersten Stufe der Weisheit gebracht werden soll.«

Darüber wurde nun ein Vertrag aufgesetzt, auch ein Honorar ausbedungen, und Eulenspiegel machte sich an die Arbeit. Er dachte dabei: Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Bis dahin kann der Rektor sterben, oder mein Schüler, oder ich selbst. Wer will mich mahnen, wenn einer von diesen drei Fällen eintritt? Doch gab er sich mit seinem Schüler nicht geringe Mühe. Er stellte ihn ganz allein in einen Stall, legte ihm ein altes Buch in die Krippe, und zwischen die einzelnen Blätter streute er Hafen Leicht gewöhnte er nun das Tier daran, daß es die Blätter mit dem Maul umwandte, um den Hafer, der dazwischen lag, zu verzehren. Kam aber eine leere Seite, so schrie das Tier, weil es keinen Hafer fand, aus Leibeskräften »J-ah! J-ah!«

Nach einiger Zeit fragte der Rektor Eulenspiegel: »Nun, werter Magister, wie steht’s mit Eurem Schüler? Nimmt er Lehre an?«

»Er macht gute Fortschritte«, antwortete der Schalk, »die Vokale J und A kann er schon, wovon Ihr Euch überzeugen mögt.« Darauf führte er ihn und einige andere Magister in den Stall. Hier legte er dem Grauschimmel sein Buch vor, aber ohne Hafen Das Tier blätterte nach seiner Gewohnheit um, fand natürlich nichts und schrie mit Inbrunst »J-ah! J-ah!«

»Seht, Herr Rektor«, sagte der Schalk, »die beiden Vokale hat er wohl gelernt; er kann es noch weit bringen in der Wissenschaft.«

Nun sahen die Gelehrten, daß sie ebenfalls genasführt worden waren, und ließen den unverbesserlichen Spaßvogel in Ruhe. Der aber zog bald darauf von Erfurt weg, denn er dachte: Du würdest mehr als zwanzig Jahren nötig haben, wenn du alle Esel in Erfurt klug machen solltest.

Billiges Fleisch in Erfurt

In Erfurt auf dem Fischmarkt, dem Rathaus gegenüber, waren die Fleischbänke. Da standen die Metzger und boten ihre Waren an, Bratenstücke, Wurst, Schmalz und was sie sonst noch hatten. Unter ihnen war auch einer, dem die andern nicht grün waren, weil er bessere Geschäfte machte als sie. Er rief nämlich die Vorübergehenden an, lobte seine Ware und veranlaßte manchen, bei ihm zu kaufen, der sonst zu einem andern Metzger gegangen wäre.

Als Eulenspiegel an seiner Bude vorüberging, konnte jener es nicht lassen, auch diesem ein Angebot zu machen.

»Wie, Herr Magister, wollt Ihr nicht auch etwas mitnehmen? Vielleicht einen schönen Braten?«

»Welchen Braten soll ich mitnehmen?« fragte Eulenspiegel, dem diese Rede nicht ungelegen kam.

»Nun diesen«, meinte der Fleischer, »er wiegt seine sechs Pfund unter Brüdern.«

Da nahm Eulenspiegel den Braten und ging davon. Gleich lief ihm der Mann nach und sagte: »Lieber Magister, ich habe noch kein Geld dafür. Ihr müßt erst bezahlen.«

Eulenspiegel, der den Braten unter seinen Rock gesteckt hatte, antwortete entrüstet: »Was wollt Ihr, Meister? Vom Bezahlen habt Ihr bisher kein Wort verlauten lassen. Ihr habt mir gesagt, ich solle den Braten mitnehmen, so tu ich Euch den Gefallen, wenn es mir auch sauer genug wird, ein solch schweres Stück Fleisch Euch zuliebe schleppen zu müssen. Seid Ihr aber anderer Meinung, so laßt uns die Nachbarn fragen und den Streit entscheiden; die wissen um unseren Handel.«

Die anderen Fleischer standen um die beiden herum, mischten sich ein und entschieden aus Bosheit gegen ihren Zunftgenossen zugunsten Eulenspiegels.

Sie alle behaupteten, sie hätten wohl vom Mitnehmen, nicht aber vom Bezahlen etwas gehört, und waren deshalb der Meinung, der Magister sei im Recht.

Eulenspiegel ließ sie streiten und ging mit seiner erlisteten Beute unbehelligt davon.

Nicht jeder wird durch Schaden klug

Einige Tage danach kam Eulenspiegel wieder bei den Fleischbänken vorbei, Da rief ihm der gleiche Metzger zu: »Herr Magister, wollt Ihr nicht wieder einen Braten mitnehmen? Ein schönes Stück von zehn Pfund.«

»Wie Ihr wollt«, sagte Eulenspiegel und griff nach dem Fleisch, das der Metzger ihm gezeigt hatte. Der aber war flinker, hielt die Hände vor und sagte: »Nicht also, erst Geld, dann die Ware.«

Wieder hatten sich die andern Metzger um die beiden gestellt und wünschten dem Konkurrenten abermals einen tüchtigen Verlust. Eulenspiegel blieb ganz ruhig und sagte zum Metzger: »Macht keine Umstände, ich will den Braten bezahlen.« Da zog der Fleischer seine Hände weg und wartete darauf, was ihm der Schalk wohl bieten würde. Eulenspiegel aber fuhr fort: »Wenn ich Euch nun ein Wort sage, das Euch erfreut, das Ihr gern hört, wollt Ihr mir dann den Braten geben?«

»Wenn Ihr mir ein Wort sagt, das mir gefällt, dann sollt Ihr den Braten haben«, erwiderte der Metzger.

»Nun«, sagte Eulenspiegel, »das Wort heißt: Beutel auf! Heraus ihr Pfennige, und bezahlt den Braten! Wie gefällt Euch das Wort?«

»Das Wort gefällt mir gut«, erwiderte der Metzger, »ich möchte wohl immer solche Worte hören.«

Nun erwischte der Schalk das Fleisch, steckte es geschwind unter seinen Mantel und rief: »Also gehört mir der Braten. Ihr habt es alle gehört, daß er ihn mir verkauft hat für ein Wort, das ihm gefällt.«

Der Metzger wollte das so nicht gemeint haben und forderte sein Geld, aber seine Gegner schlugen sich auf Eulenspiegels Seite, so daß er abermals ins Unrecht gesetzt wurde und zum Schaden auch noch den Spott hatte.

Ein böses Pfänderspiel

Eulenspiegel war dreist genug, wieder nach Sachsen zu gehen, doch zog er es diesmal vor, sich zu verkleiden, so daß er wie ein herrschaftlicher Diener aussah. In diesem Aufzug wagte er sich nach Quedlinburg, wo gerade Wochenmarkt gehalten wurde. Sein Geld war alle, sein ewig hungriger Magen leer, und zu einer Zechprellerei im Wirtshaus fehlte ihm die Gelegenheit. Da nahm er sich vor, irgendein Bäuerlein zu betrügen, und er trat auf eine Bauernfrau zu, die einen Korb voll Hühner samt einem Hahn feilbot.

»Was kosten die Hühner?« fragte er sie.

»Zwei Hühner einen Stephansgroschen«, war die Antwort.

»Das ist zu teuer«, sagte er, »könnt Ihr sie mir nicht billiger geben?«

Das lehnte die Frau aber ab. Da nahm Eulenspiegel den Korb mit den Hühnern und ging davon, ohne ein Wort zu verlieren.

Das war der Frau noch nicht vorgekommen. Sie lief hinter dem unverschämten Käufer her und; rief: »Wie, wollt Ihr mich nicht bezahlen? Das ist mir ein schöner Käufer, der mit der Ware davongeht! Ich will doch gleich dem Marktvogt Bescheid sagen.«

»Ich weiß nicht, was Ihr wollt«, antwortete er mit erheucheltem Unwillen, »ich bin der Diener der Äbtissin!«

»Davon habe ich noch kein Geld«, sagte sie. »Mein Vater hat mich gelehrt, mit vornehmen Leuten nichts zu schaffen zu haben. Denen soll unsereiner nichts borgen oder verkaufen, wenn er nicht den kürzeren ziehen will. Also macht keine Umstände und bezahlt mir meine Hühner!«

»Liebe Frau«, antwortete er, »Euer Vater hat Euch damit keine gute Lehre gegeben. Wenn alle Kaufleute so denken wollten, stünde es schlecht um die vornehmen und reichen Herren. Meine Frau hat mir eben kein Geld mitgegeben, weil sie doch nicht wußte, ob Hühner zu kaufen wären. Aber, damit Ihr zufrieden seid, will ich Euch — den Hahn als Pfand dafür zurücklassen, daß ich Euch Geld und Korb wiederbringe.«

Mit diesen Worten reichte er der Frau den Hahn aus dem Korb. So nahm sie ihren eigenen Hahn entgegen, behielt ihn als Pfand und war vorläufig mit dem Handel zufrieden. Eulenspiegel aber ließ sich nicht wieder blicken, und die gute Frau sah weder ihre Hühner noch den Korb wieder.

Der geprellte Weinzäpfer

In Lübeck war Eulenspiegel noch nicht gewesen. Als er aber dorthin ging, nahm er sich heilig vor, keine Büberei zu begehen, weil er bald herausbekam, daß in dieser Stadt ein sehr strenges Recht herrschte. Lange Zeit lebte er dort so brav und redlich, daß ihn keiner wiedererkannt hätte, dem er früher einen Streich gespielt hatte.

Nun war am Rathaus ein Weinzäpfer oder Kellermeister angestellt, dem oblag die Sorge für die Weinvorräte, auch hatte er Wein zu verkaufen. Weil nun Lamprecht, so hieß er, von den Ratsherren für sachverständig gehalten wurde, wenn es sich um Einkäufe von Rheinwein handelte, auch die verschiedenen Jahrgänge wohl kannte, hielt er sich selbst für sehr weise und unentbehrlich in Lübeck. Kamen ehrbare Bürger oder deren Frauen zum Zapf, spielte er sich immer sehr großartig auf und tat, als ob er ihnen eine Gnade erwiese, wenn er ihnen für ihr Geld Wein ausschenkte. Häufig genug klagte er über die Schererei, die ihm dadurch bereitet wurde. Saß er aber im Ratskeller mit anderen zusammen, dann führte er das große Wort und duldete keinen Widerspruch. Dadurch erwarb er sich freilich keine Freunde.

Eulenspiegel kannte den Großsprecher auch, und nach seiner Gewohnheit konnte er es nicht über sich gewinnen, den klugen Weinzäpfer für seine Aufschneidereien ungestraft zu lassen.

Er verschaffte sich also eines Tages zwei völlig gleiche Weinkannen, füllte die eine mit Wasser, die andere ließ er leer. Die leere trug er frei in der Hand, die mit Wasser gefüllte versteckt unter seinem Mantel. Demütig kam er so zu dem Gestrengen und bat um ein Stübchen Wein.

»Das muß immer saufen!« antwortete Lamprecht grimmig, riß ihm die Kanne aus der Hand, füllte eine Maß ab und verlangte dafür acht Pfennige.

»Werter Herr Lamprecht«, sagte Till, »könnt Ihr mir den Wein nicht billiger lassen? Ich habe nur fünf Pfennige, und das ist mein ganzes Geld.«

Hu, da wurde der Kellermeister böse. »Das ist mir ein schöner Gaudieb!« schrie er. »Kommt daher und will mir die Preise festsetzen! Das wäre ja noch schöner! Wer keinen Wein bezahlen kann, der lasse es bleiben!«

»Recht habt Ihr«, antwortete Eulenspiegel sanft, »und da ich eben keine acht Pfennige bezahlen kann, so nehmt Euern Wein wieder. Könnt ihn ja ins Spundloch eingießen.«

Da riß der Wütende dem Schalk die Kanne aus der Hand und füllte unter Schimpfen und Fluchen den Wein wieder in das Faß. Dabei merkte er aber nicht, daß Eulenspiegel die Kannen vertauscht hatte, so daß er Wasser in das Faß schüttete, während der Schalk die Weinkanne unter seinem Mantel verbarg. Der erboste Küfer schalt aber noch eine ganze Weile.

»Was bist du für ein Tor«, sagte er, »daß du Wein kaufen willst, ohne Geld zu haben.«

Da ging Eulenspiegel lachend davon und sagte: »Es fragt sich nur, wer der größere Tor von uns beiden ist. Kein Weinzäpfer in Lübeck ist so klug, daß er nicht doch einmal hinters Licht geführt würde.«

Der Fuchs im Eisen

Diese letzten Worte ließen in dem Küfer den Gedanken aufkommen, daß der Mann in dem Mantel ihn betrogen haben könnte. So etwas sollte aber dem klugen Lamprecht nicht passieren, einem Mann, bei dem doch selbst der Bürgermeister sich Rat holte! Sogleich fiel ihm auch ein, daß der wunderliche Weinkäufer vielleicht der berüchtigte Till Eulenspiegel gewesen sein könnte, von dessen Streichen ja in allen Landen geredet wurde.

Schnell entschlossen rief er den Büttel, teilte ihm seinen Argwohn mit und eilte hinter dem Schalk her. Sie erwischten ihn, fanden bei ihm zwei Kannen, darunter die mit Wein gefüllte, und der Küfer schrie laut: »Schelm, der du bist, du hast den Rat bestohlen! Du hast Wasser in der andern Kanne gehabt, das ich aus Versehen in den Spund gegossen habe. Du mußt an den Galgen, Erzbösewicht! Jetzt aber marsch ins Gefängnis!«

Eulenspiegel wurde also in Gewahrsam genommen, dort hatte er Zeit, seine Lage zu überdenken. Sie sind hier streng, dachte er, wenn dich das Glück verläßt, geht es dir an den Kragen.

Einige Tage danach wurde er vor Gericht gestellt. Der Weinzäpfer klagte ihn an, den Senat betrogen zu haben, zeigte die beiden Kannen, schilderte den Hergang, gab auch seiner Entrüstung darüber Ausdruck, daß der Bösewicht gerade ihn, eine Respektsperson, zur Zielscheibe seines Spottes gemacht habe.

Die Richter machten nicht lange Federlesen. Es handelte sich ja um einen Fremden, keinen Lübecker Bürger, zudem hatte Eulenspiegel keinen guten Leumund. Man munkelte, daß er in Erfurt Fleisch, in Quedlinburg Hühner gestohlen, in Hamburg unschickliche Dinge getrieben habe. Hier war der Diebstahl erwiesen, also blieb nichts weiter übrig, als das Urteil zu sprechen. Es lautete auf Tod am Galgen.

Auf grüner Au, am Rabenstein,

in freier, frischer Luft allein,

umschwärmt von muntrer Krähen Schar,

von aller Not frei und Gefahr,

da ist des Diebes Ruhestatt,

die er so lang erstritten hat.

Der Ordnung halber wurde der Verurteilte gefragt, ob er noch etwas zu sagen habe oder einen billigen Wunsch äußern wolle. Da nahm Eulenspiegel alle seine Schalkheit mutig zusammen und sagte: »Hochweise Herren von Lübeck, ist es hier Brauch, einen armen landfahrenden Mann unschuldig zu hängen?«

»Nein«, wurde ihm zur Antwort, »das ist bei uns nicht üblich. Deine Schuld ist doch klar, du hast Wasser statt Wein gegeben; das ist Diebstahl und Betrug, dafür bist du verurteilt worden. Dein Vergehen wurde dir nachgewiesen.«

»Gnädige, gestrenge Herren«, antwortete er darauf, »mir ist nichts bewiesen worden. Ich habe dem Herrn Weinzäpfer kein Wasser gegeben, sondern Wein, wirklich guten Wein, und glaubt ihr nicht, daß dem so sei, so laßt doch das Faß untersuchen, das Wasser müßte sich ja darin finden.«

Diese Zumutung, aus einem Faß Wein ein Stübchen Wasser herausfinden zu wollen, erschien den Gestrengen so lustig, daß sie das Lachen nicht verbeißen konnten. Eulenspiegel aber fuhr fort: »Ich hätte mich wohl gehütet, dem ehrsamen Meister Lamprecht ein solches Geschenk zu machen, aber er war so eilig und riß mir mein Eigentum aus der Hand, Es blieb mir nichts anderes übrig, als seinen Wein zu behalten, wenn ich nicht zu Schaden kommen und doch als ehrlicher Mann davongehen wollte.«

Da begehrte Lamprecht auf und rief, ohne daß ihn freilich einer zum Reden aufgefordert hatte: »Was wolltest du denn bei mir Wein kaufen, da du doch welchen besaßest?«

Sanft erwiderte er: »Ich wollte nur sehen, wer den besseren hätte, Ihr oder ich, denn es kann einer ja wohl ein weiser Mann sein und doch schlechten Wein verzapfen.«

Als Eulenspiegel nun sah, daß er die Lacher auf seiner Seite hatte, bat er die Gestrengen recht demütig, sie möchten ihm seine Kannen und seinen Wein wieder erstatten. Was wollten sie tun? Sie hoben das harte Urteil auf, ließen ihm die Kannen wieder zustellen und befahlen dem Kellermeister, sie mit Wein zu füllen. Eulenspiegel verlangte vom besten, erhielt ihn auch von dem gefoppten Küfer und zog so für diesmal glücklich den Hals aus der Schlinge. Doch verließ er noch am selben Tag die Stadt.

Der lustige Pfeifenmacher

Der Herzog von Lüneburg, der Eulenspiegel einst das Betreten des Braunschweiger Landes verboten hatte, war gestorben, so daß sich niemand mehr seines Befehls erinnerte. Da konnte es der Schalk wagen, wieder nach der Stadt Lüneburg zu gehen. Nach seiner Gewohnheit suchte er sich Gesellschaft und fand solche gar bald in einer Herberge. Möglich ist aber auch, daß sich die heiteren Brüder erst zusammenfanden, nachdem bekannt geworden war, daß der König aller Landfahrer dort eingekehrt sei.

Unter diesen war ein Pfeifenmacher, ein Spaßvogel, der sich gern auf Kosten der Dummen vergnügte Stunden machte. Der handelte mit Eulenspiegel an, tat mit ihm schön, lachte über seine Streiche und sagte einmal: »Iß morgen bei mir zu Mittag, wenn du kannst.«

Die Einladung nahm Till gern an, und am Mittag des andern Tages ging er denn auch zum Haus des Pfeifenmachers. Da fand er die Tür verschlossen, an den Fenstern waren die Läden zugeschlagen, und auf sein Klopfen und Rufen antwortete niemand im Hause. Eine Stunde lang ging er vor dem Haus auf und ab, lugte, spähte — alles umsonst. Das Haus blieb verschlossen, kein Fenster wurde aufgetan, kein lustiger Pfeifenmacher meldete sich. Auch als er am Nachmittag noch einmal vorbeiging, blieb alles stumm und tot. Da sah Eulenspiegel wohl ein, daß er betrogen worden war, schwieg aber still.

Tags darauf traf er den Pfeifenmacher auf dem Marktplatz. »Ei, ei«, sprach er zu ihm, »Ihr seid mir der Rechte, ladet die Leute ein und seid nicht zu Hause, wenn sie kommen.«

Da lachte der Mann unbändig über seinen guten Witz und sagte: »Eulenspiegel, du hast meine Einladung nicht richtig verstanden. Ich sagte dir, du möchtest bei mir zu Mittag essen, wenn du könntest. Nun konntest du eben nicht, weil das Haus verschlossen war. Siehst du, ich habe mein Wort gehalten.«

»Das ist wahr«, antwortete Till, »man lernt doch immer noch etwas Neues.«

Darauf sagte der lustige Pfeifenmann: »Nun, Eulenspiegel, heute steht meine Tür für dich offen. Geh nur hinüber, sie backen schon, sieden und braten. Ich will gleich nachkommen. Du sollst mein einziger Gast sein, ich will sonst keinen in meinem Haus haben.«

Das ließ sich Eulenspiegel nicht zweimal sagen. Er ging eiligst in des Pfeifenmachers Haus und fand alles, wie der Hausherr gesagt hatte. Frau und Magd waren in der Küche bei der Arbeit, eine wendete den Braten am Spieß, die andere rührte den Brei. Sie kannten Eulenspiegel bereits, wußten aber nicht, daß er voller Schalkheit steckte. Also glaubten sie ihm auch, als er ihnen sagte:

»Gute Frau und Ihr, liebe Jungfer, Euer Hausherr schickt mich in aller Eile her. Er hat zwanzig Pfund Hechte geschenkt bekommen und kann sie nicht allein herschaffen. Lauft ihm doch beide entgegen, er ist schon auf dem Weg. Ich soll den Braten so lange wenden, bis ihr wiederkommt.«

Da sagte die Frau: »Ja, das wollen wir gleich tun, lieber Eulenspiegel, sorgt aber auch dafür, daß der Braten nicht anbrennt.«

Das versprach er ihnen, und sie liefen davon, so schnell sie konnten.

Kaum aber waren sie fort, als Eulenspiegel schnell die Haustür hinter ihnen schloß und verrammelte, dann schlug er die Läden vor die Fenster, so daß niemand von draußen hereinkonnte. Hierauf stellte er sich an den Herd und kochte die Mahlzeit fertig.

Der Pfeifenmacher wunderte sich nicht wenig, als seine Frau und die Magd im Sturmschritt ankamen und Hechte tragen wollten.

»Dahinter steckt eine Schalkheit«, sagte er und eilte heim. Dort fand er Tür und Fenster verschlossen. »Da haben wir’s!« sagte er ärgerlich. Auf sein Klopfen öffnete niemand, aber Eulenspiegel antwortete hinter der Tür:

»Nichts da! Ich darf nicht aufmachen, denn der Hausherr hat mir gesagt, ich solle der einzige Gast sein, keiner soll weiter im Haus sein.«

Dem Hausherrn blieb unter solchen Umständen nichts weiter übrig, als im Haus des Nachbarn so lange zu warten, bis es dem Schalk gefallen würde, die Tür zu öffnen.

Der aber kochte und briet die Mahlzeit vollends gar, deckte sich selbst den Tisch und aß für drei. Als er damit fertig war, öffnete er die Tür und gestattete dem Pfeifenmacher den Eintritt.

»Das ist ein netter Gast, der den Hausherrn aus dem Haus sperrt«, sagte dieser.

»Ich habe getan nach Euren Worten«, sagte Eulenspiegel; »solltet Ihr denn zum Lügner werden?«

»Als ob das meine Meinung gewesen wäre!« rief der lustige Hausherr. »Nun gut, du hast mir einen Streich gespielt, gib acht, daß ich dich nicht übertrumpfe. Ich will dich schon noch einmal fassen, wenn du auch noch so schalkhaft bist.«

»Wer von uns beiden dem andern den besten Streich spielen kann, der soll als Meister gelten«, sagte Eulenspiegel und ging davon.

Später versuchte der Pfeifenmacher wohl, dem Vielgewandten ein Bein zu stellen, hatte aber damit kein Glück. Eulenspiegel bog ihm immer aus und blieb darum Meister.

Wahrheit im Überfluss

Als Eulenspiegel wieder einmal nach Wismar kam, ging er in eine Herberge, die der Schmiede gegenüberlag. Da trieb er in gewohnter Weise sein Wesen. Die Leute nahmen sich aber alle vor ihm in acht und hüteten sich wohlweislich, ihn zu necken, denn sie wußten wohl, daß sie dabei den kürzeren ziehen würden.

Eines Tages fand Eulenspiegel, daß die Hufeisen seines Pferdes abgenutzt waren. Er riß sie ab und ging zum Nachbarn, damit der sein Rößlein aufs neue beschlagen sollte.

Der Schmied freute sich, als er Eulenspiegel sah, denn er hätte längst gern mit ihm gesprochen, um etwas von ihm zu lernen. Er war nämlich ein sehr wißbegieriger Mann und konnte sogar lesen. Während er sich nun anschickte, das Eisen für das Pferd zurechtzumachen, fing er eine Unterhaltung mit dem Reiter an. Er meinte, die Menschen würden heutzutage doch immer schlechter, in früheren Zeiten wäre es besser gewesen. Darin gab ihm Eulenspiegel recht. Der Schmied führte dann in seiner bedächtigen Weise aus, wie das zu erklären sei. Er fand den Hauptgrund darin, daß die Menschen die Wahrheit umgingen, wo sie konnten.

»Das ganze Land voll Lug und Trug. Keiner will sich von einem anderen an Lügenhaftigkeit übertreffen lassen. Hört man wohl auch auf Gassen und Straßen ein wahres Wort?«

»Ich könnte Euch schon eins sagen«, meinte Eulenspiegel.

»Und ich würde Euch dafür ein Eisen schenken«, antwortete der wahrheitsliebende Mann.

Da besann sich Eulenspiegel nicht lange und sagte:

»Wenn im Herde Kohlen sind

und im Ofen guter Wind,

wenn’s an Eisen nicht gebricht,

fehlt’s dem Schmied an Arbeit nicht.«

»Dagegen ist nichts einzuwenden, das ist ein wahres Wort«, meinte der Schmied. »Ich gebe Euch dafür ein Hufeisen.«

Der Geselle hatte das mit angehört, zog Eulenspiegel auf die Seite und wisperte ihm zu: »Wenn Ihr mir auch ein solch wahres Wort nennen könntet, so möchte ich Euch wohl auch ein Eisen verehren.«

Auch darauf ging Eulenspiegel ein und sagte nach einigem Nachdenken:

»Bei der Arbeit froh und schnell,

früh ans Werk muß der Gesell,

sparsam sein vor allen Dingen,

dann kann er’s zum Meister bringen.«

»Da beißt die Maus keinen Faden ab«, sprach der Geselle, »das ist die reine Wahrheit. Ich gebe Euch dafür ein Hufeisen.«

Die Frau des Meisters hatte von den Verhandlungen kein Wort verloren, obgleich sie sich zum Schein nebenan am Küchenherd zu schaffen machte. Da ihr nun die Wahrheiten Eulenspiegels gefielen, wollte auch sie von dem Wundermann etwas lernen. Sie rief ihn herbei und versprach ihm auch ein Hufeisen, wenn er ihr eine Wahrheit sagen wolle, aber eine solche, woran eine rechte und ehrbare Hausfrau ihre Freude haben könne.

Da lächelte Eulenspiegel, besann sich ein wenig und sagte dann:

»Hat die Hausfrau Fleisch genug,

Butter, Schmalz und Öl im Krug,

dennoch gibt es ohne Mühe

keinen Braten, keine Brühe.«

»Das ist wahrlich ein richtiges und wahres Wort«, antwortete erfreut die Frau. »Mein Mann meint freilich, wenn einer nicht mit dem Hammer schlüge, daß die Funken fliegen, dann wäre es keine Mühe. Ich schenke Euch gern ein Hufeisen.«

Während dieser Unterhaltungen verging die Magd bald vor Durst nach Wahrheit. Auch sie versprach ihm ein Hufeisen, wenn er ihr etwas Schönes sagen wolle wie den andern. Da lächelte der Schalk und erwiderte:

»Die rechte Hand ist überall,

fegt Küche, Kammer, Hof und Stall,

doch schöner ist’s zum Tanze gehn,

am Tor beim Allerliebsten stehn.«

»Ei, behüt uns Gott, was für ein wahres Wort ist das!« rief jauchzend die Magd und gab ihm gleichfalls ein Hufeisen.

So hatte denn Eulenspiegel die Prüfung wohl bestanden und ritt mit seinem Pferd davon, beide gut beschlagen.

Seltsamer Milchhandel in Bremen

Am Sonnabend vor Palmarum wollte in Bremen alles backen, um zum Fest süßen Kuchen essen zu können. Da kamen die ehrbaren Frauen mit Häfen, Töpfen und Eimern, um auf dem Markt Milch zu erhandeln. Aus der Umgegend waren auch genug Bauernfrauen mit ihren Hundewagen erschienen, worauf sie ihre Milchkannen geladen hatten.

Auch Eulenspiegel war auf dem Markt, und das war nicht gut, weder für die Bürgersfrauen noch für die guten Bäuerinnen, weil er an dem Tage — und kostete es sein Leben — den Bremern einen Streich spielen wollte. Er verschaffte sich eine riesengroße Bütte und stellte sie auf. Darauf ging er zu den Milchfrauen und kaufte ihnen ihre Vorräte ab. Er versprach, einen Pfenning mehr zu zahlen als die Bürgersfrauen, und schüttete die Milch in seine Bütte. So tat er mit allen. An die Bütte schrieb er mit Kreide, wieviel er von jeder Frau bekommen hatte. Die Milchverkäufefinnen saßen nun im großen Kreise um ihn herum und warteten, wann die Bütte voll sein würde, denn dann wollte Eulenspiegel ja bezahlen. Kam nun eine Bauernfrau mit frischer Milch, so riefen sie schon andere heran, damit sie ihren Vorrat hier verkaufen möge, denn je eher das Faß voll wurde, um so früher mußten sie ja doch zu ihrem Geld kommen. Die Bürgersfrauen aber klagten über die Ungerechtigkeit, daß ihnen durch einen fremden Aufkäufer, der die Preise verderbe, alle Milch vor der Nase weggenommen werde.

Endlich war die Bütte voll, und Eulenspiegel sollte nun den Beutel ziehen. Da sagte er gemütlich: »Nun, liebe Frauen, geht heim. Gott geleite euch! In vierzehn Tagen könnt ihr euer Geld holen. Ich habe jetzt keins.«

Da gab es ein Schreien, Kreischen und Schimpfen. Die Weiber wurden wütend und wollten dem Schalk mit Kannen und Töpfen zu Leibe. Geld oder das Leben! Allein Eulenspiegel blieb ganz ruhig und sagte: »Wer nicht zufrieden ist, wie ich bezahle, der mag seine Milch wieder nehmen.«

Damit ging er und tat wunder wie beleidigt. Nun fielen die Weiber alle über die Bütte her. Jede wollte die erste sein, die ihre Milch wieder ausschöpfte. Darüber gab es heftigen Streit; die erzürnten Weiber schütteten sich die Milch über die Köpfe, schlugen, kratzten und bissen sich, rissen sich an den Haaren und wälzten sich auf dem Boden. Der ganze Platz sah bald darauf aus, als ob es Milch geregnet habe. Die Bürger, die das Schauspiel sahen, hielten sich die Bäuche vor Lachen, auch die ehrbaren Frauen stimmten schließlich mit ein, obwohl sie nun zu Ostern nicht backen konnten.

Die zwölf Blinden

In Hannover war der reiche Ratsherr Wernicke gestorben, und es wurde ihm in der Marktkirche ein feierliches Seelenamt gehalten. Als nun die fromme Wittib mit ihren Muhmen und Vettern aus der Kirche trat, konnte sie kaum vorwärtsschreiten, denn vor der Tür des Gotteshauses lagerten zahllose Lahme, Krüppel und Blinde. Sie baten um Almosen und schwuren hoch und teuer, daß sie für das Seelenheil des Entschlafenen beten würden. Solch schöne Gelegenheit zum Wohltun ließ sich die fromme Frau nicht entgehen, sie gab ihrer Schaffnerin den Auftrag, den Lahmen und Krüppeln einen Zehrpfennig zu reichen. Der armen Blinden aber erbarmte es sie am meisten; die schickte sie in die Herberge »Zum Stachelschwein«, wo sie mit Suppe und Gerstenbrot gelabt werden sollten. Es waren ihrer zwölf. Der Wirt speiste sie alle und ließ die Blinden dann ziehen. Unter denen war einer, der noch ein wenig sehen konnte; er konnte zwar nicht immer einen Mann von einer Frau unterscheiden, doch wußte er genau, ob er vor einem Apfelbaum oder vor einem Kirchturm stand. Der war ihr Führer und König.

Die zwölf Blinden begaben sich also von Hannover nach Hildesheim, wo eine große Hochzeit gefeiert werden sollte. Da hofften sie, daß für sie etwas abfallen werde. Der »König« verkürzte ihnen unterwegs die Langeweile, indem er ihnen seine Beobachtungen mitteilte. Bald sagte er: »Mich dünkt, wir sind hier am Rabenstein, es baumelt so etwas in der Luft herum.«

Da antworteten sie: »Hier ist nicht gut sein, da legen wir besser einen Schritt zu.« Nach einer Weile fing der Führer wieder an: »Wenn ich nicht irre, so liegt da linker Hand eine Herde Schafe.« Dabei fielen sie bald über die Hammel. »Das bedeutet Glück!« meinten die Blinden.

Wieder nach einiger Zeit sagte einer: »Ich höre ein Pferd galoppieren.«

Der König lugte und suchte und meinte schließlich: »Das scheint mir ein Reiter zu sein.«

Dieser Reiter war Eulenspiegel. Der sah das Elend, und es erbarmte ihn, denn er war bei aller Schalkheit doch mitleidig. Also überlegte er, wie er den armen Schelmen helfen und dabei doch eine Büberei begehen könne. Er fragte sie, woher sie kämen.

Da standen die Blinden still, zogen ihre Kappen ab, und der König sagte: »Gnädiger Junker, wir kommen aus der Stadt, wo eine Seelenmesse für den reichen Rat Wernicke gehalten wurde, dem Gott gnädig sein möge. Dort haben wir ein Süpplein und Brot erhalten und gehen nun nach Hildesheim, wo eine große Hochzeit gehalten wird.«

»Bis Hildesheim ist es weit«, sagte Eulenspiegel, »da wird euer Bettelsüpplein nicht lange vorhalten. Ihr guten Leutchen, ihr müßtet Braten haben, Speck, Eier und dergleichen, dann wollte ich wohl glauben, daß ihr den weiten Weg machen könntet, ohne umzufallen.«

»Lieber Junker«, antworteten die Blinden, »wir sind arme Krüppel, wie kämen wir zu solchen Speisen! Die sind nur für glückliche Leute!«

Da sagte der Schalk: »So will ich euch helfen.«

Er legte sich auch gleich einen Plan in seinem erfindungsreichen Kopf zurecht. Er kannte den Wirt »Zum Stachelschwein« — welchen Wirt kannte er wohl nicht! — und wußte, daß er ein rechter Grobian und Betrüger war. Der hatte den armen Blinden nur eine magere Suppe vorgesetzt, und sicher ließ er sich von der reichen Witwe bezahlen, als ob er ihnen wer weiß wieviel Gesottenes und Gebratenes aufgetischt hätte!

Da sagte Eulenspiegel zu den Blinden: »Hier habt ihr Geld, zwölf Gulden, da ihr euer zwölf seid. Geht wieder zurück zur Herberge und laßt euch zu essen und zu trinken geben, solange das Geld reicht.«

Über diese Rede waren die Blinden sehr froh. Sie dankten dem großmütigen Geber tausendmal, wünschten ihm alles Gute und zogen wieder nach Hannover in der festen Meinung, daß der fremde Junker einem von ihnen zwölf Gulden gegeben habe. Dabei hatte in Wirklichkeit keiner etwas erhalten, denn Eulenspiegel hatte wie gewöhnlich nichts in seinem Beutel. Als sie zur Herberge kamen, erzählten sie dem Wirt voller Freude, daß sie unterwegs einen Wohltäter gefunden hätten, der ihnen zwölf Gulden gegeben habe, damit sie davon verköstigt werden könnten.

Der Wirt dachte: Zwölf Gulden sind viel Geld, dafür kannst du die Hungerleider schon aufnehmen. Wenn du ihnen für die Hälfte gibst, hast du ein schönes Sümmchen verdient. Er nahm sie darum auf, ließ in der Küche backen, sieden, rösten und braten für die Blinden, so daß die meinten, noch nie ein so gutes Leben geführt zu haben. Jeden Tag gab es ein Festessen. Das gefiel den armen Schelmen gar sehr.

Eines Tages aber sprach der Wirt zu ihnen: »Eure zwölf Gulden sind aufgebraucht, gebt mir mein Geld und zieht eurer Straße.«

Da sprach der »König« zu ihnen: »Wer die zwölf Gulden hat, der rücke sie heraus, denn der Wirt muß bezahlt werden.« Nun fragte einer den andern, ob er das Geld von dem fremden Junker erhalten habe. Aber vergeblich! Die armen Schlucker mußten schließlich dem Wirt gestehen, daß sie betrogen worden waren.

Da geriet der jähzornige Marin in große Wut, und da er die Krüppel nicht aus dem Haus werfen durfte, denn es war Abend, sperrte er sie in seine Scheune und ließ sie fasten. Sie ertrugen ihr Unglück mit Geduld, weil ihnen ja auch nichts anderes übrigblieb.

Zur gleichen Zeit kam Eulenspiegel wieder in die Herberge. Er hatte sich aber so verkleidet, daß der Wirt ihn nicht erkannte. Wie Eulenspiegel nun sein Pferd in den Stall führte, merkte er, daß die armen Blinden eingesperrt waren. Da sagte er zu dem Herbergsvater: »Erbarmt es Euch nicht, die armen Leute da liegen zu lassen, wo doch keiner liegen mag, der seine Augen noch besitzt?«

Da rief der Wirt: »Daß sie der Gottseibeiuns hole, die gottvergessene Brut! Ich wollte, sie lägen da, wo alle Wasser zusammenfließen. Haben mich geprellt, die Schelme. Vierzehn Tage lang haben sie bei mir geschlemmt, die Gäuche. Jeden Tag verlangten sie Gesottenes und Gebratenes, als ob sie Junker wären. Zwanzig Gulden unter Brüdern habe ich ihnen für Speis und Trank gegeben aus Barmherzigkeit, und nun betrügen sie mich, daß ich ein geschlagener Mann bin.«

Da sagte Eulenspiegel: »Habt Ihr nicht die reiche Wittib des Rats Wernicke ersucht, für Euren Schaden aufzukommen?«

»Die wäre mir die Rechte«, sagte er. »Meiner billigen Forderung wegen habe ich neulich dreimal zu ihr gehen müssen, das drittemal mit meinem Spieß und dem Knecht. Es war ihr sehr leid, die paar Suppen bezahlen zu müssen. Der darf im ganzen Jahr die gesamte Wohltätigkeit nicht mehr kosten als einen Gulden.«

Darauf sagte Eulenspiegel: »Könntet Ihr denn nicht einen Bürgen bekommen im Städtchen?«

»Ja, wenn ich einen Bürgen bekommen könnte«, jammerte der geschlagene Mann, »aber wer wird für diese blinden Schufte gutsagen wollen?«

»So will ich versuchen, ob ich einen Bürgen bekommen kann«, meinte Eulenspiegel edelmütig und ging auf der Stelle in die Duvenstraße. Hier wohnte der Doktor Sapubi, ein Rechtsanwalt, der auf der hohen Schule in Bologna studiert hatte und den die Leute nur den Rechtsverdreher nannten, weil er sich jeder unlauteren Sache annahm, wenn sie ihm nur Geld einbrachte. Er sagte zwar immer, daß er den Armen zu ihrem guten Recht helfen wolle, in Wahrheit aber diente er den Wucherern, und mancher Bauersmann war durch ihn um Hab und Gut gekommen.

Zu diesem Mann ging Eulenspiegel, tat sehr bescheiden und demütig und bat ihn, seinem lieben Freund, dem Wirt »Zum Stachelschwein«, in einer recht schwierigen Sache beistehen zu wollen.

»Ich helfe gern«, sagte der Doktor, »wenn auch jetzt gerade viele Leute kommen, denen ich beistehen muß, damit sie zu ihrem guten Recht gelangen. Sagt mir Euren Fall in Kürze!«

»Ich dachte mir wohl«, erwiderte Eulenspiegel, »daß Ihr, ein so hochgelehrter Herr, gern allen Leuten beisteht, die in Not sind, und wüßte keinen, an den ich mich lieber gewandt hätte.«

Solche Rede schmeichelte dem Wucherer, und er antwortete daher: »Recht habt Ihr, daß ich den Armen diene, doch erzählt mir nun Euren Fall in Kürze.«

»Es tut nicht not«, meinte listig der Schalk, »daß Ihr gleich heute helft, Herr Doktor, wenn Ihr wichtigere Geschäfte zuvor abtun möchtet. Es ist genug, wenn Ihr Eure Hilfe in einigen Tagen leistet.«

»Gut, in einigen Tagen will ich helfen. Aber berichtet mir nun die Sache.«

»Das lohne Euch Gott, daß Ihr mir helfen wollt«, sagte der Schalk und wollte gehen.

Der Rechtsanwalt hielt ihn jedoch fest und sagte: »Eure Rede macht mich nicht klug. Weiß ich denn, um was es sich handelt?«

»Um den Wirt ›Zum Stachelschwein‹«, sagte Till.

»So erzählt mir ohne Umstände.«

»Es ist eine schwierige Sache, Herr Doktor. Denkt Euch, vor einiger Zeit kommen mehrere fremde Männer und begehren Aufnahme in der Herberge. Mein guter Freund, der Wirt, nimmt sie mildtätig auf und speist sie mit dem Besten, was er hat. Bald schicken sie ihn in den Hühnerstall nach auserlesenen Eiern, bald in den Keller, den besten Wein zu zapfen, bald muß er in die Vorratskammer, bald in die Küche, wo sie Gebratenes und Gesottenes begehren. Wie er aber nun für seine viele Mühe und Kosten ihnen eine Rechnung macht, da zahlen sie nicht und höhnen ihn noch dazu aus.«

»Läßt er sich dergleichen gefallen?« fragte Sapubi. »Ein anderer hätte solche Gäste aus dem Hause gewiesen.«

»Das ist es eben, Herr Doktor«, antwortete Eulenspiegel, »sie gehen nicht, und der Wirt kann sie nicht loswerden. Was sollte er wohl machen gegen die vielen? Er darf auch nicht aus dem Haus gehen, damit sie keinen Schaden oder Unfug stiften, und hat mich, seinen guten Freund, darum gebeten, Euch um Hilfe zu bitten.«

»Dann müßte ich mit den Bütteln in die Herberge kommen«, entschied kurz der Rechtsmann.

»Nein, Herr Doktor«, sagte Till dagegen, »das wäre nicht wohlgetan. Es sind gar absonderliche Leute in der Herberge, und einen sehen sie als ihren König an. Ich will aber die Frau meines Freundes überreden, daß sie zu Euch kommt, und beiden guten Leuten wird es schon ein großer Trost sein, wenn Ihr ihnen, wie Ihr versprochen, in einigen Tagen helfen wollt.«

Der Rechtsanwalt dachte: An dem Handel ist nicht viel zu verdienen. Denn, sind die Gäste vornehme Leute, wie es den Anschein hat, so werden sie wohl zahlen. Tun sie es aber nicht, so kann ich ihnen nichts abnehmen, denn mit Vornehmen gebe ich mich nicht ab. Dem Wirt aber kann ich nicht viel berechnen, da er durch den Handel schon genug verloren hat.

Er sagte also kurz: »Wohl, so schickt mir die Frau.« Damit wandte er sich wieder anderen Geschäften zu. Eulenspiegel aber ging in die Herberge und sagte dem Wirt: »Ich habe Euch einen guten Bürgen gefunden. Laßt Eure Frau mit mir zu dem Doktor Sapubi gehen, der wird es ihr selbst sagen.«

Darüber freute sich der Wirt nicht wenig und ließ seine Frau mit Eulenspiegel zu dem gelehrten Herrn gehen.

»Hier ist die Frau vom Wirt ›Zum Stachelschwein‹«, sagte Till zu Doktor Sapubi. »Sagt ihr nun selber, ob Ihr helfen wollt.«

»Ja, ich will Eurem Mann helfen«, antwortete der, »doch erst in einigen Tagen.«

Darüber war die Frau sehr erfreut und lobte den klugen Vermittler. Der Wirt aber ließ die Blinden gehen, und diese, die sich ihrer Erlösung nicht wenig freuten, wandten sich, so schnell sie konnten, nach Braunschweig, wo ein Hoffest gehalten werden sollte. Dort hofften sie die Brosamen sammeln zu können, die von der Reichen Tische fallen mochten. Eulenspiegel aber sattelte sein Roß und ritt davon.

Einige Tage darauf ging der Wirt zu dem Rechtsanwalt und forderte von ihm zwölf Gulden. Als der Advokat aber hinter die Sache kam, wurde er sehr böse und verlangte zehn Gulden von dem Wirt für den Beistand, den er ihm zugesichert habe. Er brachte die Sache sogar vors Gericht. Da sich aber die Richter nicht einigen konnten, schickten sie beide Parteien fort und ließen sie die Prozeßkosten zu gleichen Teilen bezahlen.

Böse Saat bringt keine guten Früchte

Eulenspiegel hat auch die Rattenfängerstadt Hameln einmal besucht. Durch ihre Treulosigkeit verloren die Bürger von Hameln einst ihre Kinder, die im tiefen Zauberberg verschwanden. Die Treulosigkeit aber blieb in Hameln zurück und vermehrte sich unheimlich.

Eulenspiegel hielt sich in allen Herbergen auf und fand so viel Untreue, daß selbst er, der Schalk, vor so viel Bosheit erschrak. Was in einem Haus verlorenging, war in einem andern zu suchen, und war es auch verboten, durch die Bungelose, jene bekannte Straße, mit Musik zu ziehen, so gingen doch bei Tag und bei Nacht Diebe und Einbrecher mit ihrem zu Unrecht erworbenen Gut hindurch.

In Hameln traf Eulenspiegel seine alten Bekannten wieder, die Kaufleute Schöller und Möller. Die Wiedersehensfreude war groß.

Schöller bestellte eine Kanne vom besten Wein, damit sie das Wiedersehen feiern könnten, der Wirt brachte aber den schlechtesten, den er im Hause hatte, denn er dachte: Für die Fremden ist er gut genug. Dafür ließ er sich den höchsten Preis bezahlen, den er zu fordern pflegte, weil er meinte: »Das hergelaufene Volk mußt du prellen, dafür sollst du mit den Einheimischen klüger handeln, sonst zwicken sie dich wieder, drei- und vierfach.« In der Wirtsstube waren nun verschiedene Leute, darunter einer, der wie ein rechter Bösewicht aussah. Der war dem Wirt spinnefeind; das konnten die drei Fremden wohl merken. Der Wirt hätte ihm gern das Haus verboten, konnte es aber der andern wegen nicht. So konnte er ihm nur einen bösen Blick zuwerfen. Jener kehrte sich aber nicht im geringsten daran. Da er ein Schneider war, kam er mit Schöller ins Gespräch.

Er wollte Tuch von ihm kaufen und hatte bald ein Stück für einen Mantel in den Fingern, das ihm sehr gefiel. Nur wollte er kein Geld dafür zahlen. Also bestellte er einen neuen Krug Wein und trank Schöller fleißig zu, denn er hoffte ihn betrunken zu machen, um ihm dann das schöne Tuch abzulisten. Doch bei Schöller kam er an den Unrechten, denn der war klug und vorsichtig. Für den schlimmsten Fäll hatte er ein gutes Schwert bei sich, das er wohl zu führen wußte. Da es inzwischen Abend geworden war und der Wirt längst brennende Kienspäne angesteckt hatte, wollte Schöller überhaupt nicht mehr verkaufen und sagte: »Wir wollen morgen davon reden, wenn es Tag ist und Ihr die Farben besser sehen könnt.«

Da antwortete der Bösewicht: »Du bist ein Narr!« Erwischte das Tuch und lief davon. Das war aber Schöller zu arg, er nahm sein Schwert, das er griffbereit bei sich führte, und lief dem Schneider nach. Draußen war es stocknacht, so daß man die Hand vor den Augen nicht sehen konnte.

Das Wirtshaus hatte aber noch einen andern Ausgang, der nach der Bungelose führte. Durch diesen nun lief der Wirt schnell hinaus, als wollte er sehen, was draußen los sei. Möller und Eulenspiegel blieben aber sitzen, denn sie hätten in der Dunkelheit ja doch nichts wahrnehmen können. Sie hörten später, daß draußen geschlagen wurde; in dem Augenblick aber trat Schöller wieder ein und sagte verdrießlich: »Mein Tuch bin ich los! Seht, so wird einer gefoppt in Hameln.«

Nach einiger Zeit trat auch der Wirt wieder ein und schickte die Gäste zu Bett.

Am frühen Morgen wurde aber auf der Straße laut geschrien: »Jesus, Maria! Hier liegt einer tot!«

Da sammelten sich viele Menschen an. Bald darauf trat der Wirt in die Kammer, in der Eulenspiegel samt den beiden Kaufleuten schlief, brachte Ratsdiener mit, zeigte auf Schöller und sagte: »Das ist er, den laßt nicht entrinnen.«

Die Büttel zogen den Kaufmann aus dem Bett, banden ihm die Hände zusammen, nahmen sein Gut und brachten ihn ins Stadtgefängnis. Dort teilten die Stadtknechte sein Geld und seine Ware unter sich und schlossen ihn ein. In der Bungelose lag der Schneider erschlagen, das Tuch war aber nirgends zu finden.

Eulenspiegel tat es sehr leid um den guten Freund Schöller, und er zürnte dem Wirt, daß der den Kaufmann als Mörder beim Rat angezeigt hatte. Er glaubte nicht, daß Schöller den Bösewicht erschlagen haben sollte. So dachte auch Möller. Da aber die beiden wußten, daß in Hameln die Fremden nicht gut angeschrieben waren, so fürchteten sie, daß der Richter ihn zum Tode verurteilen werde. Der Wirt aber verbot ihnen sein Haus, da er die Gesellen eines Straßenmörders nicht beherbergen wollte, ging auch zu den anderen Wirten und verlästerte die beiden, daß sie keine Unterkunft mehr in Hameln fanden. So hielten sie sich in der nächsten Zeit in der Umgebung von Hameln auf, erkundigten sich aber immer eifrig, wann über Schöller Gericht gehalten werden sollte. Darüber vergingen vier Monate, denn die Richter nahmen sich Zeit, hatten auch vielerlei andere Händel abzutun.

Endlich kam der Tag des Gerichts für Schöller. Da hatte sich viel Volk im Rathaus eingefunden, aber Eulenspiegel und Möller fehlten auch nicht. Der Wirt, bei dem sie gehaust hatten, stand da und beschwor mit einem heiligen Eid, daß Schöller den Schneider erschlagen habe.

»Das kam so«, sagte er, »Schöller hatte ein Stück schlechtes Tuch, das die Motten zerfressen hatten, und wollte es dem Schneider aufhängen. Der mochte es aber nicht haben, denn er wollte nicht betrogen werden, auch hätte er es sich bei Tag lieber erst einmal genau angesehen. Da kann man merken, wie listig die Fremden sind: Schöller ließ sich von dem Schneider einen Gulden bezahlen, dazu sechs Kannen Wein, und sagte ihm, er möge das Tuch ruhig mit nach Hause nehmen. Sollte ihn der Kauf gereuen, so könnte er es morgen zurückgeben oder umtauschen. Damit ging der Schneider um des lieben Friedens willen aus dem Haus, und wie er kaum gegangen war, setzte ihm Schöller mit seinem Schwert nach, erwischte ihn in der Buhgelose und schlug ihn tot. Das Tuch hat er seinen Helfershelfern gegeben. Das alles habe ich gesehen.«

Schöller wurde nicht gefragt, ob sich das so verhalte, sondern der freundliche Richter zeigte ihm nur die Folterkammer mit ihren niedlichen Daumenschrauben, prächtigen Streckbetten, anmutigen Reißzangen, wärmenden Kohlenbecken und anderen begehrenswerten Dingen, die die schöne, herrliche Aufgabe hatten, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Schöller, der in dem engen, finsteren Loch müde und matt geworden war, wollte es darauf nicht ankommen lassen und war schon bereit, sich als Mörder zu bekennen, da drängte sich Till Eulenspiegel vor. Er hatte sich verkleidet, trug Barett und Mantel, so daß er wie ein Doktor der Rechte aussah. Einem so gelehrten Herrn konnten die Richter den Zutritt zum Tisch, an dem sie saßen, nicht versagen.

Edenspiegel tat sehr wichtig, öffnete feierlich ein gewaltiges Buch, das er zur Hand hatte und ein corpus juris des erlauchten Kaisers Justinian vorstellen sollte. Er nannte sich Doktor Tillius, Lehrer der Rechte an der hohen Schule zu Montpellier. Da neigte sich jedermann vor so viel Gelehrsamkeit und Würde. Die Richter aber sagten, wenn sich der Herr Doktor in diesem Rechtsfall bemühen und sie mit seinem Rat bei der Urteilssprechung unterstützen wolle, so möge er mit seiner Weisheit nicht kargen, sie würden ihm dafür ihre Gunst erweisen.

Eulenspiegel blätterte geheimnisvoll ein wenig in seinem Buch und blickte dann den Kläger an. »Herr Wirt«, sagte er zu ihm, »gebt der Wahrheit die Ehre. Woher wißt Ihr, daß Schöller den Schneider erschlagen hat?«

»Nun, er hatte doch ein Schwert und lief ihm nach«, erwiderte der Wirt.

»Das ist mir kein Beweis«, fuhr Eulenspiegel fort. »Es läuft so mancher einem mit den Waffen nach und tut ihm doch kein Leid. Das müßt Ihr besser erhärten.«

»Nun, ich habe es doch mit meinen Augen gesehen, wie er ihm den Schädel spaltete«, behauptete der Wirt, doch konnten ihm alle anmerken, daß er große Angst hatte.

»Ihr habt es gesehen?« meinte Eulenspiegel. »Wie war das möglich? Es war doch finstere Nacht, als der Totschlag geschehen ist.«

»Was wollt Ihr, Herr Doktor«, antwortete der Wirt, »der Vollmond schien doch hell und klar.«

»Eure Worte in Ehren«, sagte darauf Eulenspiegel, »aber ich bitte um einen Almanach.«

Die Richter staunten über die Wechselreden, zitterten vor Erregung und holten den Almanach herbei. Da lasen sie, daß an dem Tag des Verbrechens nicht Vollmond, sondern Neumond gewesen war.

Nun wandte sich Eulenspiegel an den Kläger und rief mit starker Stimme: »Mörder, der du bist! Du hast dich festgelogen! Klar sehen wir deine Schalkheit! Du hast den Schneider erschlagen, mit dem du seit Jahren in Feindschaft lebtest, den Schöller aber hast du beziehtigt, um den Verdacht von dir abzuwälzen. Greift den Mörder!«

Der Wirt wurde leichenblaß, die Schuld stand ihm auf der Stirn geschrieben, dennoch wollte er leugnen, stammelte etwas und lief dann eiligst aus dem Saal. Die Büttel waren ihm aber schnell auf den Fersen, faßten ihn und legten ihn in Eisen. In seinem Haus fand Eulenspiegel das geraubte Tuch, und nun war kein Zweifel mehr: der Wirt hatte seinen Todfeind ermordet. Er mußte seine Tat am Galgen büßen. Schöller aber ward freigegeben.

Ehe Eulenspiegel von Hameln wegzog, tat er ein wunderbares Werk, wovon noch lange nachher geredet wurde. Er ging vor aller Augen auf die Gemeindeflur und säte Kieselsteine aus einem Sack, den er am Strand der Weser gefüllt hatte. Da fragte ihn ein Bürger: »Lieber Herr Doktor, was tut Ihr da?«

»Ich säe Schälke«, antwortete er. Solche Rede wurde dem hohen Rat hinterbracht; der sandte eiligst Abgeordnete zu Eulenspiegel, die ihm sagen sollten, er möge lieber gute Menschen statt Schälke säen. »Jene gedeihen hier nimmer«, erwiderte dieser, »hierzulande kommen nur Schälke fort.«

Darauf sagten sie: »Wir glauben auch, daß es hier schon mehr als genug gibt, weshalb wollt Ihr die Zahl vermehren?«

»Je mehr, desto besser, da bringt einer den andern um.«

Da baten sie ihn, daß er ihre Stadt verlassen möge, denn es graue ihnen davor, daß die böse, schreckliche Saat aufgehen könnte. Aber wohin sich Eulenspiegel auch wenden mochte, überall lief ihm das Gerücht voraus, daß er Schälke säe, und allerwärts baten sie ihn, daß er die Stadt nicht betreten möge und nicht komme, um Speise und Trank zu fordern. So kam er bis nach Minden, da riß der Sack, die Steine fielen heraus und blieben dort liegen. Eulenspiegel wurde aber in dieser Gegend nicht mehr gesehen.

Bestrafte Ruhmredigkeit

Von der Weser zog Till Eulenspiegel wieder nach Obersachsen und kehrte in einer Herberge in Eisleben ein. Da fand er einen Wirt, der voller Hochmut steckte und tat, als ob er der König von Eisleben wäre. Kam ein Gast zu ihm, so fragte er ihn aus, wußte aber alles besser. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten die Christen längst das Heilige Grab in Besitz genommen, die Schweizer hätten den Herzog Leopold von Österreich nicht bei Morgarten besiegt und erschlagen, Philipp von Frankreich den Papst nicht gefangen und die Tempelherren in Paris verbrannt, auch hätten ihn die reichen Venediger wohl zu ihrem Herzog gemacht, wenn er Lust dazu gezeigt hätte. Hörte er von Mord und Totschlag, Gewalttat und Fehde, dann sagte er: »Da hätte ich dabei sein müssen, denen hätte ich die rechten Wege wohl gewiesen.« Alle Welt war seiner Meinung nach dumm und töricht, er allein der Vernünftige unter so vielen Narren.

Solche Reden hörte Eulenspiegel ganz gern, denn er hatte schon im voraus seine Freude über den Streich, den er dem Wirt für seine Prahlereien spielen wollte. Die Gelegenheit dazu wird sich bald finden, dachte er.

Eines Abends nun saß er in der Wirtsstube, und der Herbergsvater prahlte gerade, wie er schon die wilden Heiden im Westgotenlande aus der festen Burg Granada herausgetrieben haben würde, wenn er der Papst oder sonst ein christlicher König oder Herzog gewesen wäre. Die sollten laufen, daß sie die Schuhe verlieren würden! Dabei schlug er auf den Tisch, daß es krachte.

Wie er nun im besten Reden war, tat sich die Tür auf und — als ob Eulenspiegel sie herbeigerufen hätte — kamen seine alten Freunde Schöller und Möller, die Unzertrennlichen, herein. Die hätte er gern zuerst begrüßt, aber der Wirt kam ihm zuvor.

»Was, zum Teufel, ist das für eine Art, so spät in die Herberge zu kommen? Wer heißt euch so lange auf der Landstraße umhertrödeln? Das ist in Eisleben, wo ich etwas zu sagen habe, nicht Brauch. Schert euch zum Teufel! Legt euch in die Ackerfurche und deckt euch mit dem ganzen Himmel zu, ich habe nichts dagegen. Ich nehme keine Nachtschwärmer auf!«

Die beiden antworteten: »Herr Wirt, Ihr dürft uns nicht so zürnen, denn wir sind sehr gegen unseren Willen zurückgehalten worden. Wir kommen über Mansfeld, und da war im Moor unterwegs ein Wolf, gegen den wir uns wehren mußten; der hat uns viel zu schaffen gemacht.«

Da lachte der Wirt, daß das ganze Haus dröhnte. »Da kann einer sehen, was für hasenherziges Volk auf den Landstraßen verkehrt. Fürchten sich vor einem Wolf! Wie oft bin ich im Moor gewesen, wo mit zehn, zwanzig Wölfe ans Zeug wollten. Ich habe nichts in der Hand gehabt und bin mit ihnen leicht fertig geworden. Zuckerbuben und Muttersöhnchen seid ihr, die eher zu Mägdlein taugten als. zu rechtschaffenen Männern. Geht hinauf in die Kammer, da sind keine Wölfe, höchstens ein paar Mäuse, und wenn ihr mit denen den Kampf nicht besteht, so will ich durch den Büttel dem Turmwächter Bescheid sagen lassen, daß er die Feuerglocke läutet und die Bürgerwehr unter Waffen tritt, damit ihr mit dem Leben davonkommt.«

So verhöhnte der Wirt die späten Gäste. Diese würgten die Grobheiten hinunter, weil sie in so später Stunde froh sein mußten, daß sie noch einer aufnahm, denn es war Winter, und überall lag hoher Schnee.

Die Reisenden nächtigten mit Eulenspiegel zusammen in der gleichen Kammer und konnten sich erst da herzlich begrüßen. Dann sprachen sie auch von dem Wirt, der sie so durch seine Prahlereien geärgert hatte, und die Kaufleute sagten: »Till, alter, guter Freund, du mußt dir überlegen, wie man dem Schelm seine hochfahrenden Reden eintränken kann. Du weißt immer guten Rat, wie man einem ein Bein stellen kann. Wir verlassen uns auf dich.«

Nun verabredeten die drei, wie sie dem Wirt auf seine Grobheiten antworten wollten. Die Kaufleute mußten am andern Tag weiterreisen, aber in drei Wochen wollten sie wieder in dieser Herberge zusammentreffen.

Als Schöller und Möller sich verabschiedeten, unterließ es der Wirt nicht, sie noch tüchtig auszuhöhnen. »Nehmt euch ja vor dem Wolf in acht«, sagte er, »daß er euch nicht in die Beine beißt.«

Da sagte Schöller: »Wir wollen schon aufpassen und uns glücklich in drei Wochen wiedersehen. Freilich, frißt er uns auf, dann wird nichts daraus, auch nicht, wenn er Euch in das Gehege kommt und Euch auffrißt.«

Am andern Tage trennten sie sich, die Kaufleute wandten sich nach Naumburg, Eulenspiegel aber ging in den Harz. Da glückte es ihm, bei Dietersdorf einen Wolf zu erlegen. Den ließ er hartfrieren, steckte ihn in einen Sack und schaffte ihn nach Eisleben. Dort brachte er den Wolf in die Herberge, ohne daß es der Wirt merkte, und schleppte ihn in jene Kammer, in der er sonst geschlafen hatte. Bald darauf trafen auch Schöller und Möller ein, die sich auf den Spaß, der nun kommen sollte, sehr freuten.

Als man zu Bett ging, begehrte Eulenspiegel ein Licht und fing in der Kammer an, seine alten Künste auszuüben. Er hatte ja aus Leder, Pelzen und Tuch die schönsten Wölfe hergestellt, so daß es ihm ein leichtes war, seinen gefrorenen Wolf mit Hölzern und Fäden so aufzustellen, als ob er lebte. In den weitgeöffneten Rachen steckte er Schuhe, die den Kindern des Wirtes gehörten, und wenn einer an dem Bindfaden zog, so sah es aus, als ob das schreckliche Tier daran würge und kaue.

Indes schickte der Wirt auch die Kaufleute zu Bett und verfehlte nicht, sie mit dem Wolf zu necken. Sie sagten aber nichts darauf.

Als nun eine Stunde vergangen war und der Grobian von Wirt im Bett lag, da machten die Kaufleute Lärm im Hause, genau so, wie es ihnen Eulenspiegel angegeben hatte.

»Herr Wirt, sendet uns doch die Magd oder den Knecht«, riefen sie, »daß er uns eine Maß Bier zapfe, denn wir vergehen hier vor Durst und können nicht einschlafen.«

Da sagte der Wirt zu seiner Frau: »Hörst du den Lärm? Das sind so rechte Sachsen, die können trinken Tag und Nacht und verstehen es, einem guten Wirt Scherereien zu machen.«

Er hatte keine Lust, den Fremden zu Willen zu sein. Da aber das Rufen und Bitten kein Ende nahm, weckte er schließlich die Magd, damit sie den Gästen das Verlangte brächte. Die Magd stand auf, tastete im Hause umher und suchte den Herd, da wollte sie an der glühenden Asche ein Licht entzünden und dann in den Keller gehen, um Bier zu zapfen. Als nun das Licht brannte, sah sie zu ihrem größten Schrecken einen Wolf stehen, der die Schuhe der Kinder in seinem gräßlichen Maul hatte und daran zu kauen und zu würgen schien. Da schrie sie laut auf, denn sie glaubte, ein Wolf sei in das Haus eingedrungen, hätte die Kinder gefressen und wolle sie jetzt als Nachtisch verspeisen. Sie lief, so schnell sie ihre Füße trugen, und verlor dabei ihre Schürze. Doch kam sie glücklich in ihre Dachkammer, wo sie sich verrammelte und verschanzte.

Der Wirt war wieder eingeschlafen, denn er glaubte, daß seine Gäste befriedigt seien. Als aber die Kaufleute dauernd weiter nach Bier riefen, wurde er wieder munter und nahm an, daß die Magd nicht aufgestanden sei. Um die Schreier endlich loszuwerden und auch um seiner Ruhe wegen, die er sehr schätzte, trommelte er den Knecht heraus. Der sollte den ungestümen Gästen ihren Willen tun. Der Knecht stand auf, besann sich ein wenig und ging dann zum Herd, um mit der glühenden Asche und Schwefelfaden Feuer zu schlagen. Das gelang ihm, aber bei dem Schein des Lichtes erblickte er auf einmal das fürchterliche Ungeheuer, sah die Kinderschuhe im Rachen, die Schürze der Magd am Boden und glaubte, der Wolf habe die Kinder samt der Magd gefressen. Hals über Kopf lief er davon, verlor seine Kappe und die Pantoffeln. Mit Mühe und Not flüchtete er in den Keller, wo er sich verbarrikadierte.

Der Wirt war wieder eingeschlafen und glaubte, daß nun endlich Ruhe im Hause einkehren würde. Als er aber das beständige Rufen und Bitten der Kaufleute hörte, mußte er annehmen, daß auch der Knecht seinen Weckruf nicht gehört habe, und, so sauer und ärgerlich es ihm auch war, mußte er selbst aufstehen, um die Schreier zu befriedigen. Verdrießlich ging er nach dem Herd, um Feuer anzuzünden. Wie er nun einen Krug fassen wollte, um in den Keller zu gehen, erblickte er das Ungeheuer, das an den Füßen seiner Kinder würgte und kaute und anscheinend die Magd bis auf die Schürze und den Knecht bis auf Kappe und Pantoffeln gefressen hatte.

Da schrie er vor Angst und Not laut auf, ließ das Licht fallen und rettete sich in die Kammer, in der Eulenspiegel mit seinen Gefährten war.

»Ach, liebe Herren«, rief er in der Verzweiflung, »helft mir in dieser schrecklichen Bedrängnis! Draußen steht ein greuliches Tier und hat mir die Kinder, dazu Knecht und Magd gefressen!«

Aber statt aller Antwort erhoben die drei ein Gelächter, daß das Haus zitterte und bebte. Als der Knecht das Lachen hörte, dachte er: Das muß wohl da oben nicht so schlimm sein, du hast dich ins Bockshorn jagen lassen. Darauf ging er nach oben. Die Magd hörte auch die Heiterkeitsausbrüche und dachte:

Du bist so alt wie eine Kuh

und lernst immer noch dazu.

Dann räumte sie ihr Bollwerk weg und lief nach dem Herd, um der Gefahr ins Auge zu sehen. Schließlich plagte auch die Frau des Wirtes die Neugierde; sie stand auf, und die lieben Kinder ließen sich’s ebenfalls nicht nehmen, ihr zu folgen. Da stand nun alles um den Herd herum.

Eulenspiegel aber stieß den Wolf mit dem Fuß um und sagte lachend: »Ei, ei, Herr Wirt, wenn Euch schon ein toter Wolf so in Angst und Schrecken setzen kann, wie soll es dann werden, wenn Euch ein lebendiger im Moor begegnet?«

Nun schämte sich der Wirt nicht wenig seiner Feigheit, meinte aber, die Magd und der Knecht wären ja auch weggelaufen.

»Die haben auch nicht geprahlt, daß sie es im Moor mit zwanzig, dreißig Wölfen aufnehmen würden«, entgegnete Eulenspiegel.

Nun lachte alles über den ruhmredigen Mann, der aber schlich ganz still in seine Kammer und nahm seitdem den Mund nicht mehr so voll.

Schöller und Möller aber reisten vergnügt von Eisleben weg und sagten sich: »Das hat er wieder einmal sehr gut gemacht, unser Eulenspiegel.«

Man muß eine Sache nicht verkehrt anfassen

In Wismar muß es Eulenspiegel wohl sehr gut gefallen haben, denn er war sehr häufig dort. Sein Hauptvergnügen war, mit Pferden umzugehen, Pferde zu kaufen und wieder zu verkaufen, wie das alle fahrenden Leute gern tun. Mit der Zeit verstand er sich sehr gut auf dieses Geschäft und sah einem Gaul sofort an, ob er etwas wert war oder nicht. Dabei betrachtete er vor allem die Füße, das Gebiß und den Bau und irrte dabei selten, so daß ein Roßtäuscher von Beruf viel von ihm hätte lernen können. Mancher Bauersmann ließ sich von Eulenspiegel bei Einkäufen dieser Art beraten, und stand sich gut dabei.

Nun lebte ein Schuster in der Stadt; der war durch eine Erbschaft reich geworden und hielt sich seitdem für wunder wie gescheit. Auf Markt und Straßen bummelte er umher und schwatzte klug, ßmeist von Dingen, die er nicht verstand, als ob ihm das Sprichwort: Schuster, bleib bei deinem Leisten! ganz unbekannt sei. Vor allem aber hielt er sich für einen großen Pferdekenner. Dabei hatte er eine wunderliche Weise erfunden, ein Roß auf seine Güte zu prüfen. Da für gewöhnlich alte Leute die Haare auf dem Kopf verlieren und ein kahler Kopf meist einem bejahrten Mann gehört, meinte er, das müsse bei den Pferden auch so sein. Blieben ihm Haare in der Hand hängen, dann zuckte er die Achseln, machte eine abwehrende Handbewegung und meinte, der Eigentümer werde wohl nicht lange Freude an dem Tier haben, das sei reif für den Schindanger; ging aber kein Haar aus, so lobte er das Tier über den grünen Klee. Weil nun die dümmste Prophezeiung hin und wieder recht behält, einige Gäule, die er getadelt, wirklich eingingen, andere, die er des Lobes würdig befunden, sich gut hielten, so galt der Schuster in Wismar für sehr sachverständig und bildete sich gar viel darauf ein.

Darüber ärgerte sich Eulenspiegel und dachte darüber nach, wie er dem überklugen Schuster eine gute Lehre erteilen könne. Eines Tages ging er mit seinem Pferd auf den Markt, gerade als viele Bürger dort versammelt waren. Der Schuster war auch unter ihnen. Der sah käum Eulenspiegels Pferd, als er nach seiner Gewohnheit herbeieilte und das Rößlein mit aller Macht am Schwanze riß. Im nächsten Augenblick schoß er einen Purzelbaum und hielt den ganzen Schwanz in seiner Hand. Das ging ganz einfach zu. Eulenspiegel hatte den Schwanz vorher abgetrennt und künstlich wieder angesetzt. Die Umstehenden glaubten aber nicht anders, als daß der Schuster den Schwanz mit aller Kraft ausgerissen habe. Dieser glaubte es natürlich auch.

Da fing Eulenspiegel an, laut über Unrecht zu klagen.

»Seht da, ihr guten Bürger, der Mann kommt daher und schimpfiert mir mein schönes Pferd! Ich lade euch alle zu Zeugen, denn ich will die Sache beim Rat angeben.«

So weit wollte der verblüffte Schuster die Sache aber nicht treiben, er bot daher Eulenspiegel zehn Gulden Schweigegeld, die der Schalk auch nahm. Dem Schuster ist seitdem die Lust vergangen, wieder einen Gaul durch Schwanzausziehen auf seine Güte zu prüfen.

Der Buchstabe tötet

Es braucht einer nicht viel vom Pferdehandel zu verstehen, um zu wissen, daß manche Tiere, die ganz gesund und kräftigaussehen, mitunter ihre Mucken und Schrullen haben, wodurch sie an Wert gewaltig einbüßen. Deshalb fragt der Käufer gewöhnlich, welchen Fehler das Tier habe; darauf muß ein redlicher Bescheid folgen. Nun traf sich’s, daß Eulenspiegel in Frankenhausen ein schönes Pferd verkaufen wollte. Das wollte ein Salzsieder gern erwerben, fragte aber als kluger Hausvater, welchen Fehler das Roß habe. Darauf antwortete der Schalk arglistig: »Keinen, soviel ich weiß, nur geht es nicht gern über die Bäume.«

Da lachte der Salzsieder und sagte: »Über die Bäume will ich nicht damit fahren und reiten. Wenn es weiter nichts ist und es keinen anderen Fehler hat, so kaufe ich den Gaul. Hier ist das Geld.«

Das Pferd wurde also verkauft. Der Salzsieder war froh darüber, denn er hatte das Tier billig erstanden. Bald danach spannte er es vor seinen Wagen und fuhr los. Das ging so lange gut, bis sie an eine hölzerne Brücke kamen. Da scheute das Pferd. Kein Rufen und Peitschen half, das Tier war weder mit Güte noch mit Gewalt über die Brücke zu bringen, so daß der Salzsieder zu seinem Ärger umkehren mußte. Nun wandte er sich an das Gericht, um Eulenspiegel zu verklagen.

Der aber verteidigte sich: »Ich habe Euch gesagt, daß das Hottchen nicht über die Bäume geht. Vor einer steinernen Brücke ist es nicht bange, aber eine Brücke, die aus Bäumen gemacht ist, will es nicht überschreiten. Ich bleibe bei meinen Worten als ehrlicher Mann, der ich stets gewesen bin.«

Als das die Richter hörten, kratzten sie sich den Kopf, schickten schließlich die Parteien fort, ohne ein Urteil zu sprechen, und gaben ihnen den guten Rat, sich wieder zu vertragen.

Doppelt gibt, wer bald gibt

In der alten Bischofsstadt Hildesheim wollte sich Eulenspiegel wieder ein Pferd kaufen. Ein Roßhändler bot ihm eins an, verlangte aber noch einmal soviel, als es wert war, nämlich vierundzwanzig Gulden. Da sagte Eulenspiegel: »Zwölf Gulden will ich dir gleich geben, die andere Hälfte will ich dir schuldig bleiben.«

Damit war der Roßhändler zufrieden, so daß sie durch Handschlag, wie üblich, den Kauf abschlossen. Eulenspiegel zahlte zwölf Gulden und nahm das Pferd. Nach einem Vierteljahr meldete sich der Roßhändler wieder und verlangte die andere Hälfte des ausbedungenen Kaufpreises.

Eulenspiegel sagte: »Die will ich dir schuldig bleiben.« Der Roßhändler mahnte ihn darauf noch einmal und schließlich zum drittenmal, aber immer sagte der Schalk: »Ich will dir die zwölf Gulden schuldig bleiben.«

Endlich riß dem Pferdehändler die Geduld, und er ging vor Gericht.

Vor dem verteidigte sich Eulenspiegel: »Ich habe ihm gesagt, daß ich ihm zwölf Gulden schuldig bleiben wolle. Das wäre eine schöne Sache, wenn ich mein Wort brechen sollte, das ich doch allezeit ehrlich gehalten habe.«

Da wußten die Richter nicht, wie sie entscheiden sollten, und schickten die Parteien fort. Eulenspiegel aber hat das Geld bis heute nicht gezahlt.

Er kann nicht genug Prügel bekommen

In Nordhausen in Sachsen war Eulenspiegel einmal in einer Herberge, da wurde ein Pferdehandel abgeschlossen, über den er sich sehr ärgerte, denn der Roßhändler betrog den Käufer gewaltig. Da überlegte er, wie er dem Schelm wohl einen Denkzettel dafür geben könnte. Er fand bald heraus, daß der Pferdehändler ein geldgieriger Mensch ohne Ehrgefühl war, und sagte zu ihm: »Hör, Joseph, es juckt mich, dir die Jacke einmal gründlich vollzuhauen. Ich zähle dir zwanzig Hiebe auf und gebe dir dafür fünfzig Gulden.«

Da dachte der Roßhändler: Die fünfzig Gulden sind rasch verdient. Wenn es ihm Spaß macht, mich zu prügeln, so soll es mir nachher um se größere Freude machen, Wenn mir seine fünfzig Gulden in der Tasche klimpern.

Sie wurden handelseinig, und Eulenspiegel rief die Bürger herbei, sie möchten achtgeben, damit ja kein Unrecht geschehe. Der Betrüger legte sich also auf ein leeres Faß, und Eulenspiegel zählte ihm die Hiebe auf. Die Bürger zählten mit. Dem Roßhändler ward es übel und weh, denn jeder Schlag saß, aber er kniff die Zähne zusammen und dachte: Fünfzig Gulden sind ein schönes Stück Geld.

Eulenspiegel aber schlug ohne Schonung, bis der Spitzbube neunzehn Schläge bekommen hatte. Dann setzte er sich an den Tisch und tat, als ob nichts geschehen sei. Da verlangte der Roßhändler seine fünfzig Gulden.

»Behüte«, antwortete Till gelassen. »Unser Vertrag ging auf zwanzig Hiebe, die hast du nicht bekommen, daher bin ich dir nichts schuldig.«

Nun hat und flehte der Spitzbube um den zwanzigsten Schlag, Eulenspiegel aber blieb unerbittlich und zog davon.

Die schwarze Kunst

Zu Eulenspiegels Zeit gab es genug Bösewichte, die mit Hilfe des Gottseibeiuns und seiner Engel Zauberei trieben und sich auf Kosten ihrer Mitchristen Vorteile verschafften. Solche Bübereien sahen aber die Geistlichen sehr ungern und säumten nicht, die zu strafen, die solch gottloses Werk trieben. Auch der Bischof von Bremen war ein abgesagter Feind der schwarzen Kunst, doch hatte er Gefallen an lustigen Schwänken und ließ daher Eulenspiegel sagen, er möge sich, solange er in Bremen sei, zu seinem Hofgesinde halten, er wolle ihn und sein Pferd versorgen. Ein solches Anerbieten schlug Till Eulenspiegel niemals aus. Er hatte nun gute Tage, ging täglich spazieren und ersann allerlei Possen.

Einmal schlenderte er über den Markt, wo die Bäuerinnen allerhand zu verkaufen hatten. In der Reihe, in der die Töpfer zu sitzen pflegten, fand er eine arme Frau, die recht trübselig in die Welt sah. Das fiel Eulenspiegel auf, und da er eben nichts zu tun hatte, ließ er sich mit ihr in ein Gespräch ein. »Wie kommt es, gute Frau, daß Ihr ein so sauertöpfisches Gesicht macht? Oder habt Ihr Eure Geschirre nur dafür, daß Essig hineingegossen wird?«

»Ich habe sie zum Verkaufen«, antwortete sie, »aber nun nimmt mir keiner etwas ab, und Mann und Kinder darben daheim! Da hat einer keine Ursache, lustig zu sein.«

»Gut, daß ich jetzt gerade Geld habe«, meinte Eulenspiegel. »Was wollt Ihr für den ganzen Kram?«

Die Frau glaubte anfangs, der wunderliche Mann wolle sie foppen, als der aber drängte, sie möge ihm ihre Forderung nennen, sagte sie, daß sie ihm das ganze Geschirr für dreißig Gulden verkaufen wolle. Da griff Eulenspiegel in seinen Beutel, zog ohne Besinnen das Geld heraus und gab es der armen Dulderin, die nun gar nicht wußte, wie ihr geschah, denn eine so große Geldsumme enthob sie vieler Sorgen. Gern schloß sie nun noch mit dem »fremden Junker« einen geheimen Vertrag ab und blieb bei ihrer Ware sitzen.

Eulenspiegel aber lauerte dem Bischof auf, der in der Kirche war und diese bald verlassen würde, um nach seinem Hause zu gehen. Endlich kam der Herr heraus, und ihm folgten seine Lehensleute, die Ritter und Herren, die ihm in der Kirche wieder den Treueid geschworen hatten. Als der Bischof Eulenspiegel erblickte, lachte er und winkte ihm, an seine Seite zu kommen. So gingen sie zusammen über den Markt. Da zeigte ihm der Schalk die Töpferfrau, die noch immer ruhig hinter ihrem Geschirr saß.

»Die Frau setzte vordem eine recht traurige Miene auf«, sprach der Bischof. »Das macht die Sünde, die tut dem Herzen leid. Doch hat die Kirche genug wirksame Mittel gegen dieses Übel.«

Darauf sagte Eulenspiegel: »Wenn ich nur will, so verliert diese Frau den Verstand und schlägt ihr ganzes Geschirr entzwei, und zwar, ohne daß ich sie ansehe oder ihr auch nur ein Wort sage.«

Der Bischof erwiderte: »Und wenn du alle deine Schalkheit aufbötest, würde dir das nimmermehr gelingen, denn das ist unmöglich.«

Eulenspiegel sagte: »Soll die Wette dreißig Gulden gelten, Herr Bischof? Das heißt, Ihr gebt mir dreißigGulden, wenn es mir gerät. Ich gebe Euch ebensoviel, wenn es mißlingt.«

»Diese Wette gehe ich ein«, antwortete der Bischof, »denn dabei kann ich nur gewinnen, und du gewinnst auch, denn das Wetten wird dir für immer leid werden, so daß du in der Folge dein Geld sparst, wenn du es auch heute durch eigene Schuld einbüßen mußt.«

Die Ritter und Herren hörten auch von der Wette, spitzten die Ohren und dachten: Das kann gut werden. Mag verlieren, wer will, wir haben etwas zu lachen. Diesmal wird der Narr schlecht abschneiden, denn ehe die Frau auf sein Kommando den Verstand verliert, eher wird er ihn selbst verlieren, wenn man bei ihm überhaupt noch von Verstand reden kann.

Sie standen alle weit genug von der Frau entfernt, Eulenspiegel aber drehte ihr sogar den Rücken. »Wollen wir anfangen, gnädiger Herr?« fragte er den Bischof.

»Jawohl«, antwortete der, »verlier deine dreißig Gulden!«

Kaum hatte er das gesagt, da stand die Töpferfrau auf, nahm einen Knüttel und schlug damit all ihr Geschirr, Häfen, Töpfe, Krüge, Teller kurz und klein, daß die Scherben nur so über den Markt flogen. Dabei machte sie ein fröhliches Gesicht und ging davon, nachdem die letzte Pfanne zerschlagen war. Auf dem Markt lachten Bürger und Bauern wie nie in ihrem Leben, die Ritter und Hofleute trauten ihren Augen nicht recht, der Bischof selber wurde aber sehr, sehr ernst und sagte kein Wort.

Im Palast nahm er Eulenspiegel beiseite und sagte zu ihm: »Die Wette habe ich verloren, mein Schatzmeister wird dir dafür dreißig Gulden zahlen. Das macht mir den geringsten Kummer. Weit mehr schmerzt mich etwas anderes. Verlorener Mann! Du hast dich der schwarzen Kunst ergeben, denn ohne diese wäre das Mirakel nicht möglich gewesen. War dir deine unsterbliche Seele nicht lieber als elende dreißig Gulden?«

Darauf antwortete Till: »Gnädigster Herr, es ging alles mit rechten Dingen zu, wie ich Euch wohl beweisen werde. Doch möchte ich mein Geheimnis nicht umsonst preisgeben.«

Nach solcher Rede beruhigte sich der geistliche Herr etwas und versprach ihm einen feisten Ochsen, wenn er ihm das Rätsel lösen wollte. Eulenspiegel erklärte nun die Sache. Er hatte mit der Frau verabredet, daß sie alle Häfen entzweischlagen solle, wenn er ihr ein Zeichen gäbe. Das tat die Töpferin, sowie sie sah, daß der Schalk vor dem Bischof die Kappe lüftete.

Der Bischof war nun sehr zufrieden über diese Auskunft, lachte über die Schalkheit und erzählte bei Tisch seinen Lehensleuten, daß er hinter das Geheimnis des Narren gekommen sei. Da wurden die Herren neugierig und plagten ihn, daß er den Schleier lüften möge. Da es nun zu Eulenspiegels Zeit in Bremen Brauch war, daß einer das, was er haben wollte, bezahlen mußte, gab er jedem Lehensmann auf, ihm dafür einen feisten Ochsen, vier Gulden an Wert, zu stiften. Das versprachen die Herren, die vor Ungeduld fast vergingen, und stellten ihre Ochsen, zwölf Stück im ganzen. Als sie dafür das Geheimnis erfuhren, zogen sie lange Gesichter. Sie hatten alle etwas von der schwarzen Kunst zu hören verlangt und wurden nun mit einem einfachen Kniff abgespeist, der ihnen ihr Geld nicht wert war. Doch schwiegen sie still, denn sie wollten nicht zum Gespött werden und auch den Lehnsherrn nicht beleidigen.

Der aber ließ Eulenspiegel nach der Verabredung den fettesten Ochsen aussuchen, damit er ihn für sich behielt. Weil der Bischof aber ein gelehrter Mann war, wußte er, daß die alten Weisen unter den Heiden Ochsen opferten, wenn sie eine neue Wahrheit entdeckt hatten. Das wollte er auch tun. Er ließ also die elf Rinder verkaufen und den Erlös für dieselben in der Stille der armen Töpferfrau senden, von deren Not er durch Eulenspiegel erfahren hatte. Das war sein Opfer.

Der Appetit kommt nicht immer mit dem Essen

Wenn unsere Vorfahren recht gesehen haben, dann ist Till Eulenspiegel auch einmal in Antwerpen gewesen. Das war eine große Stadt im Herzogtum Brabant, in der viele reiche Leute wohnten. Eines Tages ging er dort in eine Herberge.

Da er sich nicht wohl fühlte, li