20

Rasend vor Wut stürmte Jinn al-Khalif durch die Räume seiner Höhle. Mit einem Fußtritt öffnete er die Tür zu seinem weitläufigen Büro und schleuderte einen Stuhl beiseite, der ihm den Weg zu seinem Schreibtisch versperrte. Sabah folgte ihm und schloss weniger heftig die Tür hinter sich.

»Ich lasse mich nicht wie ein ungezogener Schüler vorladen!«, schäumte Jinn.

»Du wurdest nicht vorgeladen«, wiegelte Sabah ab.

»Sie nehmen unaufgefordert Kontakt mit dir auf, teilen dir mit, dass sie hierherkommen und erwarten, mich hier anzutreffen!«, schimpfte Jinn. »Wie kann das keine Vorladung sein?«

Jinn blieb vor einem imposanten großen Schreibtisch stehen. Durch eine Glasscheibe, die hinter ihm die Rückwand seines Büros bildete, konnte man in die Produktionshalle seiner Fabrik sieben Meter tiefer blicken.

Hier und da im »Reinraum« waren Männer in Schutzanzügen damit beschäftigt, die Maschinen zu justieren und die Herstellung der nächsten Generation von Mikrorobotern vorzubereiten. Die für Zerstörungsfunktion modifizierte Partie war für Ägypten und den Staudamm bestimmt.

»Sie haben eine Bitte geäußert«, sagte Sabah. »Angesichts des Tonfalls ihrer Anfrage und ihrer jüngsten Aktivitäten hielt ich es für notwendig, deine Anwesenheit zuzusagen.«

»Das ist eine unerhörte Anmaßung!«, tobte Jinn. »Du hast hier keine Zusagen für mich zu machen!«

Schon oft in seinem Leben hatte Jinn einen solchen Zorn empfunden, wie er in diesem Moment in ihm brannte, aber noch nie zuvor war er gegen Sabah gerichtet gewesen.

»Wie kommt es, dass, während unser Ziel mehr und mehr in greifbare Nähe rückt, all meine Diener anscheinend den Verstand verlieren und vergessen, wer der Chef ist?«

Sabah wollte offenbar etwas erwidern, verkniff es sich jedoch.

»Du hast genug gesagt«, erklärte Jinn mit einer wegwerfenden Geste. »Lass mich allein.«

Anstatt sich zu verneigen und hinauszugehen, straffte sich Sabah und hob den Kopf.

»Nein«, widersprach er unverblümt. »Ich habe dich, seit dein Vater starb, von Kindesbeinen an unterwiesen. Und ich habe geschworen, dich zu beschützen, sogar vor dir selbst. Also werde ich auch jetzt reden, und du wirst zuhören, und wenn ich fertig bin, kannst du entscheiden, was du tun willst.«

Jinn starrte ihn an, derart geschockt, dass sein Impuls, Sabah wegen seines Ungehorsams auf der Stelle zu töten, im Zaum gehalten wurde.

»Das Konsortium«, begann Sabah, »hat Milliarden von Dollars für deine Idee zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig besitzt jeder der Männer genug eigene Macht, um ab und zu selbst die Muskeln spielen zu lassen.«

Jinn sah seinen Mentor ebenso gebannt an, wie er es während all der Jahre oft getan hatte.

»Die Tatsache, dass sie geschlossen erscheinen, signalisiert Gefahr«, fuhr Sabah fort. »Sie bilden eine Einheit.«

Jinn sah sich in seinem Büro um. Es war überwiegend schmucklos eingerichtet. Jedoch hingen an einer Wand einige Waffen aus alter Zeit. Sein Blick fiel auf einen Krummsäbel.

»Dann werde ich sie alle töten«, sagte Jinn. »Ich werde sie mit eigenen Händen in Stücke hauen.«

»Und was brächte uns das ein?«, fragte Sabah. »Sie sind doch nicht allein gekommen. Jeder bringt ein Aufgebot bewaffneter Männer mit. Zusammengenommen sind es fast genauso viele, wie unsere Truppe zählt. Das Ergebnis wäre Krieg. Und selbst wenn wir siegreich sein sollten, werden die anderen zweifellos Nachforschungen anstellen, vielleicht sogar auf Rache sinnen.«

Zum ersten Mal nach langer Zeit fühlte sich Jinn verwundbar, in die Enge getrieben. Hätten sie gewusst, was dieses Gefühl in ihm auslöste, hätten sie ihn niemals in dieser Form bedrängt.

»Dies konnte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt geschehen«, sagte er. »Wir müssen uns auf die Ankunft anderer Gäste vorbereiten.«

»Sie werden gebührend empfangen«, erwiderte Sabah.

»Gut«, sagte Jinn. »Was schlägst du vor?«

»Wir müssen eine Botschaft aussenden, die keinen Krieg losbrechen lässt. Ich schlage vor, dass wir ihnen zeigen, was sie sehen wollen. Das eine aus der Nähe, das andere aus weiterer Entfernung.«

Ein teuflischer Ausdruck erschien in Sabahs Gesicht, und Jinn begann allmählich zu begreifen. Er musste Sabah als alt und nicht ganz auf dem Laufenden betrachten, aber immer noch als listenreich und durchaus gefährlich.

»Gib Befehl, dass das Testbecken geflutet wird«, sagte Jinn.

»Es wurde bereits entsprechend vorbereitet, um die Attacke auf Assuan zu simulieren.«

Ein Lächeln schlich sich in Jinns Miene. »Ausgezeichnet. Führ die Demonstration durch. Gewähre ihnen einen Platz in der ersten Reihe. Es wird mir eine Freude sein, ihnen zu zeigen, welchen Ärger sie sich einzuhandeln im Begriff sind.«

Ein Ausdruck des Verstehens erschien in Sabahs Miene.

»Ich werde tun, was du verlangst«, sagte er.

Jinn blickte durch die gläserne Trennwand nach unten auf seine Arbeiter. Dort gingen sie konzentriert ihrer Arbeit nach. Die Maschinen liefen wieder mit voller Leistung. Am Ende der Fertigungsstraße rieselte ein silbrig glänzender Sand in eine gelbe Kunststofftonne. Dahinter warteten neunundfünfzig weitere Tonnen darauf, ebenfalls gefüllt zu werden. Sie würden die letzte Partie seines Schwarms aufnehmen. Und wenn sich Jinn nicht allzu sehr täuschte, würden sie Aziz’ Widerstand brechen und die militärischen Führer Ägyptens und ihren Reichtum auf seine Seite ziehen.