27
Paul Trout hörte den Alarm und rannte durch den Korridor zum Behelfslabor. Marchetti war am Intercom und diskutierte gerade mit dem Cheftechniker. Gamay stand mit besorgter Miene neben ihm.
»Feuer«, sagte sie.
»So etwas habe ich mir schon gedacht«, meinte Paul.
Rauch und der typische Geruch von Dieseltreibstoff stiegen ihm in die Nase. »Maschinenraum?«
Sie nickte.
Marchetti fragte seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung: »Können Sie die Roboter nicht wieder in Gang bringen?«
»Sie reagieren nicht.«
»Was ist mit dem Lösch- und Brandschutzsystem?«
»Reagiert auch nicht.«
Marchetti wurde blass. »Versuchen Sie es weiter«, sagte er, während er wieder auf den Sprechknopf des Intercoms drückte. »Dann müssen wir versuchen, von Hand zu löschen. Schicken Sie Kostis und Cristatos zu mir herauf. Die anderen sollen sich bereithalten.«
Marchetti musterte Paul und Gamay fragend. »Hat einer von Ihnen Erfahrung in Brandbekämpfung?«
»Ich«, sagte Paul. »Ich werde Sie begleiten.«
Nun wurde Gamay blass. »Paul, bitte«, sagte sie.
»Mir passiert schon nichts«, beruhigte er sie. »Ich hatte eine gute Ausbildung. Geh du nur an einen sicheren Ort.«
»Am besten gehen Sie in den Kontrollraum«, sagte Marchetti. »Mein Chief ist dort.«
Gamay nickte. »Sei bloß vorsichtig.«
Paul verließ mit Marchetti zusammen das provisorische Labor und folgte ihm im Laufschritt die Treppe zum Hauptdeck hinunter. Von dort gelangten sie über eine zweite Treppe in den Rumpf der Insel und bogen in einen Korridor ein, der zum Maschinenraum führte. Der Qualm wurde dichter, je näher sie dem Achterende der Insel kamen.
»Dies ist die Feuerwache«, sagte Marchetti, als sie zu einem großen Lagerraum mit hohen Türen kamen.
Sie waren knapp zwanzig Meter vom Maschinenraum entfernt. Der Dieselgeruch war unerträglich und die Hitze des Feuers bereits deutlich spürbar.
Marchetti öffnete die Tür mit der Aufschrift FIRE. Dahinter hingen an Haken hellgelbe Feuerschutzanzüge aus Nomex, versehen mit orangefarbenen Reflexstreifen. Auf einem Regalbrett über jedem Anzug lagen die vertrauten Luftflaschen und Atemmasken bereit. Jeder SCBA – oder Self-Contained Breathing Apparatus – bestand aus einer feuer- und hitzebeständigen Maske mit integriertem Lungenautomaten, Kommunikationssystem und Heads-up-Display. An einem rucksackähnlichen Tragegeschirr waren Taschenlampen und anderes Werkzeug sowie die Niederdruck-Atemflaschen befestigt.
Marchetti schnappte sich einen Schutzanzug. Paul ebenfalls. Während sie hineinschlüpften, trafen Kostis und Cristatos ein und folgten ihrem Beispiel.
Nachdem er die Maske vors Gesicht geschoben hatte, öffnete Paul das Atemventil. Er stieß den Daumen nach oben. Das Ventil funktionierte.
Marchetti streckte die Hand aus und betätigte einen Schalter seitlich an Pauls Maske. Für einen kurzen Moment hörte Paul nur ein Rauschen, dann drang Marchettis Stimme aus dem Kopfhörer.
»Können Sie mich hören?«
»Laut und deutlich«, antwortete Paul.
»Gut. Die Atemmasken sind mit Sprechfunkgeräten ausgerüstet.«
Paul war bereit. Die beiden Mannschaftsmitglieder brauchten noch ein paar Sekunden. Marchetti ging zur Schlauchtrommel an der Wand und begann, den Löschschlauch abzurollen.
Paul begab sich hinter ihm in Position, und dann setzten sie sich in Bewegung.
Während sie sich dem offenen Türschott zum Maschinenraum näherten, fragte Paul: »Wie lautet der Plan?«
»Während der Cheftechniker versucht, die Roboter wieder online zu holen, sehen wir zu, dass wir das Feuer so wirkungsvoll wie möglich bekämpfen.«
»Warum sperren wir den Abschnitt nicht einfach ab?«
»Weil sich einer meiner Männer dort befindet«, sagte Marchetti.
Paul warf einen Blick in den brennenden Maschinenraum. Er konnte sich zwar kaum vorstellen, dass jemand eine solche Feuersbrunst überlebte, aber wenn auch nur eine vage Chance dazu bestand, müssten sie sich auf die Suche machen.
»Könnte es dort eine Möglichkeit geben, Schutz zu finden?«
»Im hinteren Teil des Maschinenraums befindet sich eine kleine Kontrollkabine. Wenn er dort war, als das Feuer ausbrach, könnte er noch am Leben sein.«
Zwei Leitungen wurden ausgelegt. Da war einmal der Schlauch, den Marchetti und Paul hielten, und der zweite war für Kostis und Cristatos bestimmt.
»Wasser marsch!«, befahl Marchetti.
Ein Mannschaftsmitglied drehte den Wasserhahn auf, und die Schläuche schwollen an, als Wasser in sie hineinströmte. Marchetti öffnete das Ventil, während der Hochdruckstrahl herausschoss. Obgleich auch Marchetti den Schlauch festhielt, musste Paul mit erheblichem Krafteinsatz gegen den Rückstoß ankämpfen.
Er packte den Schlauch fester und ging leicht in die Knie, während er und Marchetti in den Maschinenraum eindrangen.
Das Türschott zu passieren war so ähnlich, als würden sie sich geradewegs in die Hölle wagen. Schwarzer Qualm wallte ringsum und war manchmal so dicht, dass Paul von Marchetti nicht mehr erkennen konnte als die Kontrolllampe seines Atemgeräts. Er spürte die glühenden Hitzewellen durch seinen Nomex-Anzug, und seine Augen tränten von dem Rauch, der durch die Dichtung der Atemmaske sickerte. Gelegentlich flackerten orangefarbene Flammen in der Dunkelheit. Sie tanzten hin und her und schlugen über den Köpfen der Männer zusammen. Gleichzeitig fanden kleinere Explosionen statt und brachten den Boden unter ihren Füßen zum Zittern.
Marchetti führte den Wasserstrahl hin und her und öffnete das Ventil ein wenig, um die Flammen wirkungsvoller zurückzudrängen. Dann erschienen Marchettis Leute mit dem zweiten Schlauch. Beide Wasserstrahlen ergossen sich in das Inferno und fügten dem schwarzen Qualm dichte Wolken kochend heißen Wasserdampfs hinzu.
»Können Sie den Brandherd ausmachen?«, fragte Marchetti über Funk.
»Nein«, antwortete Paul und versuchte, im Rauch etwas zu erkennen.
»In dem Fall müssen wir weiter vordringen.«
Bis zu diesem Moment hatte Paul von Marchetti keine besonders hohe Meinung gehabt. Er war ihm als ein Schwächling erschienen, aber jetzt bewunderte er den Mut des Mannes und seine Entschlossenheit, diese Insel zu verteidigen und für das Leben seines Angestellten zu kämpfen.
»Hier drüben!«, rief einer der Männer, die den zweiten Schlauch bedienten.
Paul wandte sich um und sah, dass sie mit ihrem Wasserstrahl für Marchetti und ihn einen Weg durch die Flammen bahnten.
Paul wappnete sich schon für den nächsten Schritt und drang dann gemeinsam mit Marchetti bis zum Zentrum der Feuersbrunst vor.
Mittlerweile spürte er die Hitze, die der Boden ausstrahlte, als stünde er auf einer Schicht glühender Lava. Eine Flamme loderte links von ihnen hoch, fächerte sich an der Decke auf und erzeugte eine Druckwelle, die Marchetti zu Boden warf.
Paul zog ihn hoch. »Das hat keinen Zweck!«, rief Paul. »Wir müssen umkehren!«
»Aber ich habe doch gesagt, einer meiner Männer ist dahinten!«
Eine weitere kleine Explosion schüttelte sie durch, und eine Feuerwand sprang hoch, um von den Wassermassen aus zwei Schläuchen weggefegt zu werden.
Der Maschinenraum war drei Stockwerke hoch, vier Mal so lang und mit Apparaturen, Leitungsrohren, Maschinenschläuchen und Laufgängen vollgestopft. Stellenweise schlugen die Flammen bis zur Decke hoch und versperrten ihnen so vollkommen die Sicht. Selbst wenn sie nicht ganz auf verlorenem Posten standen, kamen sie auf diese Art und Weise doch keinen Schritt weiter.
»Wir müssen den gesamten Raum fluten«, sagte Paul. »Es ist die einzige Chance.«
»Das haben wir versucht«, sagte Marchetti. »Die Feuerlöschanlage reagiert nicht. Sie hätte bei achtzig Grad anspringen müssen, hat es aber nicht getan. Wir haben versucht, sie von der Brücke aus zu aktivieren, aber nichts ist passiert.«
»Irgendwie muss sich die Automatik doch außer Kraft setzen lassen«, sagte Paul. »Vielleicht durch einen manuell zu betätigenden Hauptschalter oder so etwas.«
Marchetti blickte sich suchend um. »Es gibt vier Stück«, sagte er. »Der nächste befindet sich in dieser Richtung. In der Nähe der Generatoren.«
»Den müssen wir aktivieren.«
Marchetti zögerte. »Die Türen werden automatisch geschlossen und verriegelt, sobald wir ihn betätigen«, erklärte er. »Und dann sind wir da drin gefangen.«
»Wie lange?«
»Bis das Feuer ausgeht und die Temperatur gesunken ist.«
»Dann sollten wir keine Zeit verlieren.«
Marchetti blickte auf den Weg zurück, der zwar kaum noch als solcher zu bezeichnen war, aber zu dem wahrscheinlich sicheren Hafen seines Büros führte. Der Laufgang war verbogen, als wäre er von einer Explosion erwischt worden. Flammen, Rauch und siedend heißes Löschwasser, das von oben herabrann, ließen es deutlich erkennen: Niemals könnten sie sich heil durch dieses Inferno hindurchkämpfen.
»Okay«, rief er und fasste die Wand am Ende des Maschinenraums ins Auge. »Dort entlang.«