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Gamay Trout starrte Kurt Austin auf der dunklen, kalten Brücke des Helipads entsetzt an. Nichts hätte sie in der eisigen Luft stärker frösteln lassen können als die Worte, die er soeben ausgesprochen hatte.

»Du wirst nicht hierbleiben«, sagte sie mit Nachdruck.

»Diese Dinger sind schon mit zwölf Personen von eurem Kaliber überladen«, sagte er. »Einhundertneunzig Pfund zusätzlich dürfte eins der Schiffe mit Sicherheit absaufen lassen.«

Unten verloschen die Scheinwerfer nach und nach, als der Schwarm metallischen Sandes sie erreichte, an ihnen emporkroch und sie zudeckte. Das gesamte Null-Deck war jetzt dunkel, und der Park in der Mitte war sicherlich längst kahl gefressen.

Ein seltsamer Laut wie von Betonklötzen, die über Metall gezogen werden, erklang in allen Richtungen, als die Milliarden von Mikrorobotern übereinander hinwegkletterten und weiterglitten, bis sie jeden Winkel und jede Nische der Insel ausfüllten und den vertikalen Aufstieg begannen.

»Aber Sie werden hier sterben!«, rief Leilani verzweifelt.

»Ich werde ganz bestimmt nicht sterben«, widersprach Kurt mit dem Brustton der Überzeugung.

Gamay bemerkte, dass er kein einziges Mal den Blick von Jinn löste. »Er wird uns den Code nennen und diese Dinger ausschalten, ehe sie uns bei lebendigem Leibe verzehren.«

»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, sagte Jinn.

Links von ihnen beschleunigte das erste Luftschiff, nahm Tempo auf und rollte über den Rand der Hubschrauberplattform, ehe es absackte … sackte … sackte … bis hinab zum Null-Deck. Während seine Geschwindigkeit zunahm, verlangsamte sich der Sinkflug, und schließlich, bei zehn Metern über Grund, begann das Schiff endlich zu steigen.

»Seht zu, dass ihr beide in die Luftschiffe steigt und von hier verschwindet«, sagte Kurt.

Leilani Tanner starrte Kurt Austin mit weit offenem Mund an. Gamay verstand ihn viel besser. Kurt trug ein geistiges Duell mit Jinn aus.

»Kommen Sie«, sagte sie zu Leilani. Sie gingen am Rand des Helipads entlang, während das zweite Luftschiff startete. Jetzt warteten nur noch Marchetti und das letzte Luftschiff.

»Was tut er?«, fragte Leilani.

»Er glaubt, dass er Jinns Willen brechen und ihn zwingen kann, den Untergangsbefehl aufzuheben.«

»Aber das ist verrückt«, sagte Leilani.

»Vielleicht«, gab Gamay zu. »Aber wenn das, was Jinn uns gestern erzählt hat, zutrifft, dann wird sein letzter Weltuntergangsbefehl eine Menge Leben kosten und der Welt auf Jahre schweres Leid bescheren. Wenn er stirbt, wird er nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ihn mitzunehmen würde aber bedeuten, dass ein oder zwei von unseren Leuten zurückbleiben und vielleicht sterben müssen. Das würde Kurt niemals zulassen, und das kann ich ihm auch nicht übel nehmen. Die einzige Art, ihm zu helfen, besteht darin, dass wir schnellstens von der Insel verschwinden. Das wäre dann ein Punkt weniger, weswegen er sich Sorgen machen muss.«

Marchetti trieb sie an Bord des Luftschiffs, während die Propeller hochliefen.

»Bereit«, sagte sie.

Einige Stiefelpaare wurden hinausgeworfen, desgleichen die Gewehre, die die Männer bei sich hatten, sogar ein paar schwere Jacken, auf jeden Fall alles, um die Ladung um ein paar Pfund zu erleichtern.

Paul fasste nach ihrer Hand, während sie beschleunigten.

Gamay hielt den Atem an, als sie über die Kante glitten. Es fühlte sich an, als erreichten sie den höchsten Punkt einer Steigfahrt auf einer Achterbahn. Ihre Knie wurden weich, und ihr Magen schien mehrere Sekunden lang zu schweben, während sich die Nase abwärtsneigte und das Luftschiff absackte und schlagartig schneller wurde.

Sie sah das ebene Gelände des weitläufigen Inselparks, in dem es von Mikrorobotern wimmelte, auf sich zukommen. Der Sinkflug wollte einfach nicht abbrechen.

»Marchetti«, stieß sie hervor.

»Festhalten«, erwiderte er nur lapidar.

Sie sanken noch immer viel zu schnell. Marchetti zog den Steuerknüppel zurück, und das grässliche Geräusch unzähliger metallener Maschinen hallte in ihren Ohren wider. Der Sinkflug wurde ausgesetzt, das Luftschiff richtete sich auf, wischte über den Park hinweg und verfehlte nur knapp einen Baum, der von der Krone bis hinab zum Fuß seines Stamms mit den gierigen Vertretern des Schwarms bedeckt war.

»Lenken Sie das Luftschiff«, sagte Marchetti zu seinem Cheftechniker. »Behalten Sie unsere Geschwindigkeit bei. Und halten Sie uns in WLAN-Signalreichweite.«

»Was haben Sie vor?«, fragte Gamay.

»Ich muss den Computer starten.«

»Den Computer?«

Er nickte. »Nur für den Fall, dass Ihr Freund wirklich weiß, was er tut.«